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Peter Sartorius zu NEWSROOM: „Es gibt kein Patentrezept für eine gute Reportage“

„Die Reportagen sind besser als früher“, sagt Peter Sartorius im Gespräch mit NEWSROOM. Es gibt mehr Reporter und damit sei auch die Konkurrenz stärker. „Ich habe das goldene Zeitalter erlebt“, erzählt Sartorius und gerät dabei ins Schwärmen.

Hamburg - Peter Sartorius hatte viel Zeit für ausgiebige Recherchen, viel Freiraum. Heute sei das anders. Die Zeit ist knapp und die Journalisten dadurch viel schneller. „Ich weiß, dass dies ein Widerspruch ist“ sagt er. Er bleibt dabei. Die Texte seien besser als noch vor einigen Jahren, die Qualität sei gestiegen. „Das klingt zwar komisch, aber damals gab es eben auch nicht so viele Reporter“, so Sartorius.

Sein persönlicher Tipp an alle Journalisten, die auf der Suche nach guten Geschichten sind: „Immer neugierig bleiben. Und das nicht für die Geschichte, sondern um selbst etwas Neues zu erfahren“. Dabei entstehen nämlich „die besten Geschichten, der Glücksfall“. Natürlich seien auch gründliche Recherche und Belege wichtig, doch „ein Patentrezept gibt es nicht“.

Bei der Jahrestagung vom „Netzwerk Recherche“ sollte der langjährige Leitende Redakteur der "Süddeutschen Zeitung" über „Rechercheerfahrungen aus vier Jahrzehnten Reporterarbeit“ berichten. Statt seine erfolgreichen Geschichten in den Vordergrund zu rücken, zog er es vor, über seine persönliche Niederlagen zu berichten.

Er erzählt, wie er über den Frankfurter Flughafen berichten wollte, aber nach tagelanger Arbeit vor Ort nicht schlauer war als vorher: „Viele Flugzeuge, die starten und landen“ - und nur kurze Zeit später hält er die Laudatio auf Peter-Matthias Gaede, der mit seiner Geschichte über den Flughafen 1984 den Kisch-Preis gewann.

Die Geschichte ist bekannt, doch sorgt sie immer wieder - auch in dem kleinen Seminarraum - für Gelächter. Und das vor allem, weil Sartorius so gelassen mit eigenen Niederlagen umgeht. „So etwas darf keine große Rolle spielen“, sagt er später im Gespräch. Man müsse einfach weitermachen.

Fast nebenbei erzählt er vom Horrorszenario eines jeden Journalisten. Die aufwendige Reportage über einen Bagno-Sträfling aus Französisch-Guyana stellte sich als falsch heraus. „Ich habe mich von der Geschichte verführen lassen“, so Sartorius. Er „wollte“ die Geschichte glauben und prüfte nicht ausreichend.

Wie man nach einem solchen Rückschlag keine Hemmungen aufbaut? „Ich wollte das einfach so schnell wie möglich bereinigen und habe eine Richtigstellung geschrieben“, erklärt Sartorius.

Die Geschichte unbedingt belegbar machen und nicht nur mit dem „Helden“ der Reportage, sondern vor allem zusätzlich mit kompetenten Leuten sprechen – und natürlich die Neugier bewahren, das könne man daraus lernen. Dann gelinge auch der persönliche „Glücksfall“.

Merve Durmus