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DPA/Von Yuriko Wahl

Publizist Röhl wird 80 - Ex-Mann von Meinhof: "Habe Linke verraten"

Heute ist der konservative Autor FDP-Mitglied, schreibt für die "Preußische Allgemeine Zeitung" (PAZ), zählt frühere Gegner zu seinen Freunden.

Köln (dpa) - Das linke Politmagazin "konkret" ist sein Lebenswerk. Die spätere RAF-Terroristin Ulrike Meinhof war seine Ehefrau. Beide hat der umstrittene Publizist Klaus Rainer Röhl verloren. Seine politische Gesinnung hat der einst linke Rebell, der auch der verbotenen kommunistischen Partei KPD angehörte, nach und nach über Bord geworfen. Heute ist der konservative Autor FDP-Mitglied, schreibt für die "Preußische Allgemeine Zeitung" (PAZ), zählt frühere Gegner zu seinen Freunden. Röhl, der am 1. Dezember 80 Jahre alt wird, hat Intrigen, Anfeindungen, den Meinhof-Selbstmord und die Entführung der gemeinsamen Töchter erlebt. "Das ist ein langes Leben, nicht frei von Aufregung - ich habe es immer möglichst heiter und ruhig genommen", sagt er der Deutschen Presse-Agentur.

So milde blicken viele seiner früheren Genossen nicht zurück. Der Kölner Enthüllungsautor Günter Wallraff, der seine Sozialreportagen in "konkret" veröffentlicht hatte, meint: "Röhl hat sich gruselig gewandelt." Publizistisch sei er am "braunsten Rand" angekommen, sagt Wallraff der dpa.

Röhl hat pünktlich zu seinem Geburtstag seine Autobiografie "Mein langer Marsch durch die Illusionen" vorgelegt, die um "konkret" kreist und seine Mitarbeiterin, Ehefrau und dann erbitterte Gegnerin Ulrike Meinhof. "Es war Abneigung auf den ersten Blick. Auf beiden Seiten", schreibt Röhl über seine erste Begegnung mit der späteren Terroristin. Nach enger Zusammenarbeit kam es Ende 1961 zur Heirat, sogar ein Bausparvertrag für ein gemeinsames Haus in Hamburg- Blankenese wurde abgeschlossen. "Es war eine gute, aber nicht unbedingt eine Liebesehe", sagt der heute in Köln lebende Autor.

Die Beziehung zerbrach, 1968 folgte die Scheidung, Meinhof versuchte ihren Ex-Mann aus der "konkret"-Leitung zu verdrängen, ging 1970 in den Untergrund. Und doch sagt Röhl seinen Enkeln: "Eure Oma war ein guter, wertvoller Mensch." Die RAF-Mitbegründerin erhängte sich im Mai 1976 in ihrer Zelle in Stuttgart-Stammheim. Röhl wagt die These, Meinhof sei von mitinhaftierten RAF-Mitgliedern zum Selbstmord gezwungen worden. "Sie ist in die ganze Sache mitreingezogen worden, Ulrike war nicht geboren zur Terroristin."

Der aus Trockenhütte bei Danzig stammende Publizist hatte Deutsch und Geschichte studiert, noch vor dem Abschluss 1955 den "Studenten- Kurier" gegründet. Daraus wurde wenig später "konkret". Das Blatt profilierte sich in der Antiatomkraft-Bewegung und galt Anfang der 60er als einzige publizistische Opposition in der Bundesrepublik. Nach wachsenden Einflussversuchen der Kommunisten sei es 1964 zu einem Bruch gekommen, erzählt Röhl. Er führte "konkret" in eigener Verantwortung und mit großem Erfolg - vor allem Mitte der 60er Jahre - weiter. "Das war meine größte Zeit, da machte ich alles selbst, nur Stefan Aust, den ich direkt von der Schule geholt hatte, war mein einziger Mitarbeiter."

Er habe sich viele Feinde gemacht mit seinem radikalen Eintreten gegen Gewalt, Drogen oder militanten Feminismus. Es habe bis 1973 mehrere "Putschversuche" gegeben, sein Haus wurde gestürmt und verwüstet, er sah auch seine Töchter in Gefahr. "Ich musste hinschmeißen." Mitte der 70er wurde Röhl verdrängt und gründete das - kurzlebige - Magazin "dasda/avanti".

Nach diesem Rückzug begann der 180-Grad-Schwenk, der ihm auch viel Kritik brachte: Er promovierte 1993 beim konservativen Berliner Historiker Ernst Nolte. 1975 bis 1978 war er SPD-Mitglied, 1995 trat er in die FDP ein und gehört dort dem nationalen Flügel an. Er selbst erklärt zu seinem Sinneswandel, es habe 30 Jahre gedauert bis zur Erkenntnis, dass der Sozialismus ein grundlegender Fehler sei. "Ich habe und wollte die Linken verraten." Und: "Ich war mein Leben lang immer nur Publizist und damit ein Spiegelbild der Gesellschaft (...), aber ich bin da nirgendwo hängengeblieben, sondern immer meinen eigenen Weg gegangen."