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"Spiegel"-Legende Cordt Schnibben: "Im Journalismus hat sich eine Verfettung breitgemacht"

In einem lesenswerten Interview mit dem Online-Magazin 40 Stunden kritisiert „Spiegel“-Reporter Cordt Schnibben die eigene Branche mit harten Worten: „Im Journalismus hat sich irgendwann eine Verfettung breit gemacht, vor allem in der Wochen- und Monatspresse und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“ Von Bülend Ürük.

Hamburg - Vor allem die Entwicklung der Medien macht Schnibben zu schaffen: "Zum einen gehen uns immer mehr Leser verloren, weil sie sich lieber abseits der Medien informieren. Ich spüre dieses Misstrauen, und das nimmt mir die Lust am Journalismus. Zum anderen treffe ich immer mehr Journalisten, die sind Mitte fünfzig und denken laut über den Vorruhestand nach. Überleg dir das mal: Ein Journalist, der mit Mitte fünfzig über den Vorruhestand nachdenkt, der hat vor 30 Jahren definitiv den falschen Beruf gewählt."

 

Zumindest der Alkoholismus im Journalismus sei weitestgehend "ausgerottet", sagt Schnibben im Interview mit "40 Stunden": "Im Journalismus hat sich irgendwann eine Verfettung breit gemacht, vor allem in der Wochen- und Monatspresse und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Man konnte toll Essen gehen und super Reisen machen. Irgendwann haben manche Journalisten aufgehört, die Vorzüge, die man in diesem Beruf hat, als Bedingung dafür zu begreifen, gut zu recherchieren und gekonnt zu erzählen. Wenn man sich davon belästigt fühlt, dass der Chefredakteur mit einem Thema anruft, weil man es sich in seinem privilegierten Leben so schön gemütlich gemacht hat, dann wird es natürlich pervers. Irgendwann kippt dann dieser Beruf. Das ist leider in den letzten Jahren bei vielen Leuten passiert. Was zum Glück weitestgehend ausgerottet ist, ist der Alkoholismus."

 

Hintergrund


Das Online-Magazin 40 Stunden portraitiert Menschen in ihrem Beruf, stellt Bestatter, Müllmann oder den Neurochirurgen vor. Was bedeutet Erfolg für sie? Was treibt sie an? Julia Kottkamp, Gründerin und Autorin 40 Stunden, interessieren dabei immer die Menschen und ihre Geschichten.

 

Bülend Ürük