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"Tagesspiegel"-Chefredakteur Maroldt: „Paywall im Netz ist totaler Quatsch“

Lorenz Maroldt, gemeinsam mit Stephan-Andreas Casdorff seit 2004 Chefredakteur der in Berlin erscheinenden Tageszeitung „Der Tagesspiegel“, hält Bezahlschranken im Netz für „absurd“. Von Bülend Ürük.

Berlin - Während von Koblenz bis New York Tageszeitungen mit Paywalls experimentieren und erste Erfolge aufweisen, lehnt Theodor-Wolff-Preisträger Maroldt sie kategorisch ab.

Erst Anfang der Woche hat die „Rhein-Zeitung“ (verkaufte Printauflage: 190.832 Exemplare laut IVW 2/2014) dokumentiert, wie sich das Nutzerverhalten auf dem Online-Angebot der Tageszeitung verändert hat, seitdem sich Chefredakteur Christian Lindner für die harte Bezahlschranke entschieden hat.

RZ-Digital-Chef Marcus Schwarze freut sich beispielsweise darüber, dass die Website zu einem Portal für Abonnenten und Leser wird. Inzwischen gibt es bei der „Rhein-Zeitung“ auch die Nachrichten von dpa nicht mehr kostenfrei; laut Marcus Schwarze hat das Regionalzeitungsportal inzwischen 22.850 registrierte Nutzer.

Ungleich höher sind die Zahlen der Abonnenten bei der „New York Times“, dort hatten sich laut Verlag im Juni dieses Jahres bereits 831.000 zahlende Leser registriert. Schon heute haben sich 40 Prozent aller Tageszeitungen in den USA für die eine oder andere Form der Paywall entschieden - täglich werden es mehr.

Lorenz Maroldt, der seit 20 Jahren für den „Tagesspiegel“ arbeitet, hält dagegen überhaupt nichts von Bezahlschranken im Netz. Aus seiner Sicht ist es nicht möglich, die Zeit im Netz „zurückzudrehen“ und die Leute zum bezahlen zu animieren.

Im Gespräch mit Brigitte Baetz vom Deutschlandfunk verriet Maroldt auf einer Podiumsveranstaltung beim „Mekolab“ in Berlin diese Woche, dass über eine Bezahlpflicht beim „Tagesspiegel“ überlegt wird, „seit es das Internet gibt“: „Bei uns ist es Gott sei Dank so, mal wird entschieden, wir machen es, dann wird ein Projekt aufgesetzt, bis es dann fertig ist, ist die andere Erkenntnis der Welle dran.“

Dass seine Redaktion da bislang „drumherum gekommen“ sei, „darüber bin ich richtig froh, denn das ist wirklich totaler Quatsch“. Maroldt, wenig optimistisch, hält es für „absurd, dass man im Netz für so einen Inhalt Geld bezahlt“.

Geld im Netz könnten die Zeitungen aber dennoch verdienen, glaubt Lorenz Maroldt: „Wofür Leute vielleicht oder teilweise bezahlen, dass sind die Digitalausgaben von Zeitungen. Wir haben jetzt inzwischen 10.000 Abonnenten, für einen etwas Niedrigeren als den Printpreis, dass ist ziemlich anständig.“

Warum der Verkauf von PDF-Ausgaben erfolgsversprechend ist, erklärt der erfahrene Blattmacher so: „Es gibt neben all dem Flimmern und Rauschen, dem man ja auch selbst ausgesetzt ist, auch das Bedürfnis, an einem Punkt am Tag ein abgeschlossenes Produkt zu bekommen.“

Nur den tatsächlichen Preis seiner Zeitung scheint Lorenz Maroldt nicht im Blick zu haben. In Berlin und Brandenburg bezahlen Abonnenten für die Zeitung 36,40 Euro (inklusive Sonntagszeitung), das E-Paper-Abonnement gibt es dagegen bereits für 18,20 Euro im Monat. Das reine E-Paper ist also nur halb so teuer wie ein Print-Abo, der Preis also nicht „etwas niedriger“, wie Maroldt noch in der Diskussion stolz verkündete.

„Der Tagesspiegel“ erscheint in einer verkauften Auflage von 113.855 Exemplaren (IVW 2/2014). Herausgeber sind „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo und Sebastian Turner, der seit Anfang 2014 20 Prozent am „Tagesspiegel“-Verlag besitzt.

Bülend Ürük