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„taz“-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch zur Causa Böger: „Damit hat niemand gerechnet, aber so ist das mit Demokratie“

Am Tag, nachdem die Redaktionsversammlung der „taz“ sich mit deutlicher Mehrheit gegen Frauke Bögers Berufung in die „taz“-Chefredaktion ausgesprochen hat, herrscht Katerstimmung an der Rudi-Dutschke-Straße.

Berlin - Dass Linke sich gut streiten können, sich aber vor allem selbst besonders gerne zerfleischen, beweisen ja nicht nur die Grabenkämpfe, die immer wieder bei der „Linkspartei“ das Tagesgeschäft bestimmen. Den Streitigkeiten in der Politik steht die „taz“ aus Berlin in nichts nach. Im Gegenteil.

„Damit hat niemand gerechnet, aber so ist das mit Demokratie“, erklärt „taz“-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch gegenüber Newsroom.de. Ruch ist der Mann für die Finanzen, als langjähriger Geschäftsführer ist er eine Autorität im Hause, in die Redaktion mischt er sich aber nicht ein.

Denn mit deutlicher Mehrheit votierte die Redaktion gegen die Berufung ihrer Online-Chefin zur stellvertretenden Chefredakteurin der linksalternativen "tageszeitung". Nach Informationen von Newsroom.de stimmten bei der Wahl am Mittwochabend 40 für die Berufung von Frauke Böger, 49 Wahlberechtigte lehnten sie ab, sieben Wahlberechtigte enthielten sich.

"Sind nicht online-feindlich"

Wie so oft bei Personalentscheidungen zeigt sich, wie gespalten die "taz" tatsächlich ist; dass täglich eine hochwertige Zeitung erscheint, halten angesichts der schwierigen Situation einige Gesprächspartner an der Rudi-Dutschke-Straße "für ein Wunder".

Verärgert sind einige „taz“-Mitarbeiter, dass sie nun als online-feindlich dargestellt werden.

„Bislang hat sich Frauke Bögers stets gegen die Chefredaktion positioniert. Wie sollte das jetzt überhaupt funktionieren?“, sagt ein langjähriges „taz“-Redaktionsmitglied gegenüber Newsroom.de, dass sei der "wahre Grund" gewesen, warum die Redaktionsversammlung Frauke Böger abgelehnt habe. Die „Chemie“ habe einfach nicht gestimmt, die Entscheidung der "taz"-Chefredaktion für Frauke Böger sei vielmehr dem Gedanken entsprungen, die Kritiker im Haus ruhig zu stellen, zu denen Frauke Böger, Jahrgang 1982, gezählt werde. Ines Pohl halten einige Gesprächspartner für "angezählt, die macht nicht mehr lange".

Auch sei die „taz“ in der Mehrzahl alles andere als „online-feindlich“, wie „taz“-Autor Deniz Yücel auf Twitter „gewütet“ und so das öffentliche Bild einer Redaktion geprägt habe, die von Online nicht viel halte. Yücel spreche nicht für die Redaktion, er sei vielmehr als Freund von Frauke Böger „befangen“.

Anders in Erinnerung haben die Redaktionsversammlung „taz“-Redaktionsmitglieder, mit denen Newsroom.de im Anschluss gesprochen hat. „Mit der Berufung von Frauke und davor schon von Andreas Rüttenauer hätten wir eine Chefredaktion gehabt, in der alle Bereiche und Strömungen vertreten gewesen wären. Das wäre viel lebendiger, das wäre eine Chefredaktion gewesen, mit denen sich alle im Haus hätten identifizieren können“, so ein Redaktionsmitglied. Und natürlich hätten einige Redaktionsmitglieder bei der Versammlung gezetert, dass die „taz“ mit taz.de kein Geld verdiene, Internet mache einigen Redaktionsmitgliedern „Angst“. Die Wahl von Frauke Böger wäre die Möglichkeit gewesen, „Frieden zu schließen“, so ein Gesprächspartner. Diese Chance sei jetzt vertan worden.

„taz“-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch glaubt gegenüber Newsroom.de nicht, dass die Position des Stellvertreters bei der „tageszeitung“ in nächster Zeit besetzt werden könne, dafür sei die Stimmung „zu gefährlich“. Mögliche Kandidaten würden sich dieser Stimmung wohl nicht aussetzen wollen, heißt es auch bei anderen Gesprächspartnern.

Die „taz“-Chefredaktion, Frauke Böger und Deniz Yücel waren für eine Stellungnahme telefonisch nicht zu erreichen.

"taz - die tageszeitung" erscheint in einer verkauften Auflage von 58.121 Exemplare (laut IVW, 4/2013). Das links-alternative Blatt wird von einer Genossenschaft getragen, Geschäftsführer ist Karl-Heinz Ruch. taz.de gehörte mit 4.531.720 Visits im Februar zu den 26 größten Online-Nachrichtenangeboten Deutschlands.

Bülend Ürük

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