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Thomas Gierse über seine Zeit bei der "Westfälischen Rundschau"

"Ich bin stolz, einer von der Westfälischen Rundschau gewesen zu sein", sagt der Journalist Thomas Gierse, der sich für NEWSROOM an seine Zeit bei der einst stolzen sozialdemokratischen Zeitung erinnert, von der im Kern einzig der Name bestehen bleibt.

Dortmund - Mein erster Termin für die WR vor etwa 34 Jahren: die Gründung der Badminton-Abteilung eines Sportvereins in Werdohl, Sauerland. Dort war ich dann einige Jahre freier Mitarbeiter. In Ilona Wawrzyniak hatte ich eine kongeniale – ja was, Chefin, Kollegin, Lehrerin? Auf jeden Fall Freundin. Sie nahm meine Texte auseinander und baute mich auf. Das war ein sehr guter Einstieg.

Irgendwann galt ich als flügge und man traute mir vertretungsweise die Alleinredaktion für einen kleinen Ort zu. Das war ein lehrreiches Halbjahr.


Es folgte zum Abschluss des Studiums das Volontariat, das mich nach Olpe und Unna sowie in zwei weitere Lokalredaktionen und in die WR-Wirtschaftsredaktion führte, das zwei große Praktikumsblöcke bot und reichlich Schulungen, im Haus Busch und in der Journalistenschule der WAZ. Ich habe davon sehr profitiert.

 

Thomas Gierse erinnert sich für NEWSROOM an seine Zeit bei der WR zurück. In seiner Hand hält er einen WR-Block aus den frühen 1990er Jahren.

 

Dann gut vier Jahre in Altena, bei Klaus Maliga, dem ich viele Berufs- und Lebensweisheiten verdanke. Er stellt sich und sein Tun permanent infrage, was anstrengend, aber ungemein hilfreich ist, wenn man lernen möchte, sich selbst nicht als Zentrum des „lokalen Weltgeschehens“ zu deuten. Eine verdammt gute Zeit.


Nach insgesamt rund 15 Jahren verließ ich die Westfälische Rundschau in dem Bewusstsein, dass es nun gut war. So gerne ich dort arbeitete, so gerne bin ich auch gegangen.


Denn auch so war die Rundschau: geizig, sodass statt einer Sekretärin die Redaktionsleitung sämtliche Abrechnungen und Bestellungen machen musste; zentralistisch, sodass man im Ort keinen Bleistift kaufen und abrechnen konnte; unflexibel, sodass "Dortmund" schlicht hilflos und abwesend war, als wir wegen einer Luftverunreinigung unbekannter Herkunft nicht in der Redaktion arbeiten konnten; verantwortungslos, sodass mein Hilferuf "alle krank" in der Chefetage verhallte und mit dem Rückruf beantwortet wurde: "Thomas, wir könnten Deinen Fotografen gebrauchen"; verknöchert, sodass an einem Montag nach Bundestags- und Kommunalwahl kein einziges regionales Wahlergebnis im Blatt zu finden war.

Denn am Wahlabend war die lokale Eins ein paar Sekunden, vielleicht Minuten zu spät an der Kamera. Flugs rückte die lokale Seite 3 nach vorne, Aufmachung: Tag der offenen Tür im Altersheim.

Dieses vermeintlich Undenkbare geschah kurz nach meinem Abschied. Es bestätigte mich nachträglich in meiner Entscheidung, kratzte aber nicht an meinem bis heute anhaltenden Stolz, einer von der Westfälischen Rundschau gewesen zu sein. Jetzt geschieht Undenkbares in einer ganz anderen Dimension, eine Zeitenwende.

Den Redakteuren und Mitarbeitern wünsche ich viel Erfolg bei der Suche nach neuen Perspektiven!

Thomas Gierse hat bei der "Westfälischen Rundschau" volontiert und als Redakteur gearbeitet. Es folgten weitere Stationen bei der Initiative Tageszeitung, Bonn; Redakteur der „Drehscheibe“ und Redaktionsleitung Oeffentlicher Anzeiger/Rhein-Zeitung in Bad Kreuznach. Heute ist Thomas Gierse Redaktionsleiter beim Internetmagazin hanz-online.de aus Bad Kreuznach.

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