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Tobias Hanraths: "Dieses Internet geht nicht mehr weg"

"Ein guter Technikjournalist ist nicht unbedingt jemand, der total viel Fachwissen mitbringt", betont Tobias Hanraths, Technikjournalist beim Themendienst der Deutschen Presse-Agentur.

Berlin - Tobias Hanraths erklärt, was einen guten Technikjournalisten auszeichnet: "Wichtig ist, dass man die Grundstrukturen versteht und den richtigen Experten die richtigen Fragen stellen kann – und am Ende eine Berichterstattung steht, mit der Leser, Zuschauer und Zuhörer etwas anfangen können."

Zur Person: Tobias Hanraths ist 32 Jahre alt, kommt gebürtig aus Düsseldorf und hat in Münster Politik- und Kommunikationswissenschaften studiert.

 

Seit Anfang 2012 ist Tobias Hanraths Redakteur im Ressort Computer, Technik und Telekommunikation, Internet und Multimedia beim Themendienst der Deutschen Presse-Agentur dpa.

 

Danach arbeitete Hanraths eine kurze Zeit als freier Journalist im Ruhrgebiet, bevor er sein Volontariat beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) absolvierte. Seit 2011 schreibt Tobias Hanraths für Themendienst der Deutschen Presse-Agentur - zunächst als freier Mitarbeiter, seit Anfang 2012 als festangestellter Redakteur.

Was macht für Sie guten Technikjournalismus aus?

Tobias Hanraths: Verständlichkeit und Relevanz. Ich arbeite für den dpa-Themendienst und mache Verbraucherjournalismus. Meine Texte müssen also mit der Lebenswirklichkeit des Lesers zu tun haben. Gleichzeitig, und das ist die hohe Kunst, darf es aber auch nicht so banal sein, dass ich dem Leser nur erzähle, was er sowieso schon weiß.

Technik ist heute überall. Ab wann sagen Sie, dass Sie ein Thema aufgreifen müssen?

Tobias Hanraths: Ich bin glücklicherweise von Kolleginnen und Kollegen umgeben, die in ganz anderen Ressorts arbeiten. Spätestens wenn die mich auf ein Thema ansprechen, weiß ich, dass es auch anderen Leuten unter den Nägeln brennt. Gleichzeitig will ich aber natürlich auch Trends aufspüren, bevor viele andere sie finden und sie total ausgewalzt werden. Da benutze ich meine relativ technikinteressierte Mutter als "Benchmark": Ein Trend ist für mich dann ein Thema, wenn ich glaube, dass sie sich den Text darüber durchlesen würde.

Wenn Sie Zeitungen, Zeitschriften lesen, Radio hören oder Fernsehen schauen - glauben Sie, dass alle Journalisten, die über Technik berichten, auch die Technik verstehen?

Tobias Hanraths: Ich habe keinen Grund, es nicht zu tun. Ein guter Technikjournalist ist auch nicht unbedingt jemand, der total viel Fachwissen mitbringt. Wichtig ist, dass man die Grundstrukturen versteht und den richtigen Experten die richtigen Fragen stellen kann – und am Ende eine Berichterstattung steht, mit der Leser, Zuschauer und Zuhörer etwas anfangen können.

Was war für Sie das eindrucksvollste Erlebnis bei einer Technik-Recherche?

Tobias Hanraths: Ich finde es auf Messen immer beeindruckend, nicht unbedingt im positiven Sinne, welcher unglaubliche Aufwand bei der Präsentation von eigentlich banalen Neuheiten getrieben wird. Da kommt dann ein Fernseher mit Feuerwerk aus dem Bühnenboden gefahren, der eigentlich nur ein bisschen dünner ist als das Modell aus dem Vorjahr. Es gibt Pressekonferenzen, die die Grenze zur unfreiwilligen Komik locker überschreiten.

Wie reagieren eigentlich Ihre Leser auf Ihre Beiträge? Gibt es viele, die schimpfen, dass man nicht akkurat genug berichtet hat? Und - wie genau muss man eigentlich berichten, damit man alle Nutzer zufriedenstellt?

Tobias Hanraths: Ich habe als Agenturjournalist weniger direkten Leserkontakt als andere Kollegen. Aber ich lese schon, was zum Beispiel auf Zeitungs-Webseiten an Kommentaren unter meinem Artikel aufläuft. Natürlich gibt es da gerade in meinem Ressort Leser, für die es gar nicht präzise oder umfassend genug sein kann. Die gibt es aber auch bei den Kollegen von der Fachpresse, die Themen nochmal viel intensiver angehen als wir. Insofern darf man sich da nicht verrückt machen lassen. Falsch darf es bei aller Vereinfachung aber natürlich nicht sein.

 

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Bei welchem Thema würden Sie gerne intensiver recherchieren können?

Tobias Hanraths: Ich glaube, dass das Thema Verschlüsselung, ob von Dateien oder E-Mails oder unserer ganzen Kommunikation, in den kommenden Jahren noch viel größer und wichtiger werden wird. Darüber zu schreiben, ist aber unglaublich schwierig, weil es so ein vielschichtiges und kompliziertes Thema ist. In solchen Momenten ärgere ich mich schon, dass ich nicht doch Informatik studiert habe.

Warum sollten sich jüngere Kollegen aus Ihrer Sicht heute für den Technikjournalismus entscheiden? Oder sollen Sie lieber in einem anderen journalistischen Feld arbeiten?

Tobias Hanraths: Nach 20 Jahren bin ich mir so langsam sicher: Dieses Internet geht nicht mehr weg. Und es ist eben nicht nur Shopping- und Dating-Plattform. Die Enthüllungen von Edward Snowden haben gezeigt, dass es im Internet auch um die ganz großen gesellschaftlichen Fragen geht: Wieviel Freiheit ist uns unsere Sicherheit wert? Wer sich für solche Debatten interessiert, findet sicher schlechtere Themenfelder als den Technikjournalismus.

Sind Ingenieure die besseren Technikjournalisten?

Tobias Hanraths: Je mehr man über ein Thema weiß, desto größer ist auch die Gefahr, dass man den Leser überfordert. Aber wer die seltene Fähigkeit hat, sein Fachwissen effektiv "runterzubrechen", kann mit einem Ingenieurs- oder Informatikstudium sicher ein richtig guter Technikjournalist werden.

Die Fragen an Tobias Hanraths, Redakteur im Ressort Computer, Technik und Telekommunikation, Internet und Multimedia beim Themendienst der Deutschen Presse-Agentur dpa, stellte Newsroom.de-Chefredakteur Bülend Ürük.