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Udo Röbel – der Reporter von Gladbeck wird 70

Udo Röbel – der Reporter von Gladbeck wird 70 Udo Röbel: Mit den Tätern im Auto.

Kießling, Gladbeck, Boxenluder − Schlagwörter, die das Land bewegten. Einer, der bei den Geschehnissen federführend mit im Spiel war, ist Boulevard-Journalist Udo Röbel. Zu seinem 70. Geburtstag spricht er über seine Jagd nach Storys und die Medienwelt von heute.

Hamburg (dpa) − Vielleicht lag es an der damals von ihm empfundenen Enge und Öde seines Heimatorts Neustadt an der Weinstraße, dass in Udo Röbel früh der Berufswunsch Journalist erwachte. „Die Pfalz in den 60er Jahren ist nicht zu vergleichen mit der Pfalz von heute. Es war dunkelste, tiefste Provinz“, sagt Röbel. Er aber habe „eine unbändige Neugier auf Geschichten gefühlt − und zwar nicht Alltagsgeschichten, sondern Storys von dort, wo was passiert.“ Der Mann, der am Montag (20. Januar) seinen 70. Geburtstag feiert und noch heute als Medienberater und Krimiautor tätig ist, hat sein Ziel erreicht.

 

Röbel wurde nicht nur einer der einflussreichsten Boulevard-Journalisten Deutschlands, zum Beispiel ab 1998 als Chefredakteur der „Bild“-Zeitung. Bis heute ist sein Name in der Öffentlichkeit vor allem mit dem Geiseldrama von Gladbeck verknüpft. Für seine Story stieg er 1988 − als stellvertretender Chefredakteur des Kölner „Express“ − zu den beiden Tätern und ihren Opfern ins Auto. Er löste mit dieser Grenzüberschreitung einen massiven Presseskandal aus. Die zweite Geschichte, mit der er Furore gemacht hat, passierte schon 1984. Röbels Recherchen in Kölner Nachtlokalen führten zur Rehabilitierung des Nato-Oberbefehlshabers Günter Kießling. Der Vier-Sterne-General war 1983 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden − nur weil Gerüchte kursiert hatten, er sei schwul und erpressbar. Diese erwiesen sich als völlig haltlos.

 

„Where is the beef?“ (Wo ist das Fleisch), sei das Motto, das ihn angetrieben habe, erzählt Röbel, ein Mann mit liebenswürdiger Ausstrahlung, bei heißer Schokolade mit Schlagsahne der Deutschen Presse-Agentur in einem 50er-Jahre-Café. Dabei habe sein Herz den Underdogs und Außenseitern gehört. Was Gladbeck betrifft: Lange habe ihn sein Verhalten und die Verurteilung durch die Gesellschaft beschäftigt. Doch seit zwei Jahren habe er seinen Frieden damit gemacht: Da habe ihm ein Richter gesagt, dass damit vermutlich ein Blutbad verhindert worden sei. Die schussbereiten SEK-Beamten hätten ja schon hinter ihm gestanden, erklärt Röbel. „Das war für mich ein bisschen die Absolution bei der Geschichte.“

 

An solche die westdeutsche Republik erschütternden Ereignisse war noch nicht zu denken, als Röbel mit 16 Jahren anfing, für seine Schülerzeitung zu schreiben. Und für 18 Pfennig die Zeile bei der Lokalzeitung anheuerte. Bald darauf schmiss er sein Abitur am humanistischen Gymnasium für ein Volontariat in Ludwigshafen. „Ich hab‘ da natürlich immer auf meinen ersten Mord gewartet − der aber nicht kam“, plaudert der Journalist, der ursprünglich sogar − wie sein Großvater mütterlicherseits − Kriminalkommissar werden wollte. Was ihm dann aber als zu beamtenmäßig erschien.

 

„Mein Leben war immer geprägt von Fügungen und Zufällen des Schicksals“, sagt Röbel, der seit 30 Jahren in zweiter Ehe verheiratet und Vater zweier Söhne ist. So kam er durch zwei Kollegen zur „Bild“ in Frankfurt/Main. „Die beiden entsprachen so gar nicht meinem Feindbild und Vorurteil, das ich als links sympathisierender junger Mann und Stones-Fan pflegte“, erinnert er sich. „Komm doch einfach mit, guck‘ dir den Laden vor Ort an“, sagten die zwei. Da begann das Leben, von dem ich immer geträumt habe.“

 

Politische Einflussnahme sei ihm nie wichtig gewesen, sagt Röbel, „ob ein Text die Welt ein bisschen verbessert oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Hauptsache, die Geschichte ist gut.“ Schmunzeln muss er, wenn er an seinen besonderen Beitrag zur deutschen Sprache denkt. „Ich mag altfränkische Ausdrücke − und habe das Wort „Luder“ wiederentdeckt. Partyluder, Boxenluder oder auch Teppichluder. Wann immer der Begriff heute wieder auftaucht − das war ich.“

 

Journalistische Arbeit ohne Zeit- und Gelddruck − der bald 70-Jährige mit Wohnsitzen in Hamburg und Berlin hat noch erlebt, was heute wie ein Traum erscheint. Wie sieht er die Medienwelt im Internet-Zeitalter? „Ich bin alles andere als ein Fortschritts- oder Zukunftsverweigerer“, sagt Röbel. „Trotzdem sehe ich mit gemischten Gefühlen, in welchem Tempo wir eine Transformation von Medien und Gesellschaft erleben. Kaum einer gibt sich Zeit, nachzudenken. Wertungen und Kommentare, ganz zu schweigen von Hass-Kommentaren, werden innerhalb von Minuten abgegeben.“

 

Seriösen Print- und Internetmedien rät er: „Man muss dagegenhalten, aufklären. Mehr Ruhe, mehr Tiefgang im Gedanken, in der Analyse. Wenn es eine Überlebenschance für diese Medien gibt, dann sind es die verschiedenen Blickwinkel und Ansätze für ein Thema, das In-die-Tiefe-gehen.“ Doch Röbel sagt auch: „Meinen Grundoptimismus lasse ich mir nicht nehmen. Und hoffe, dass der gesunde Menschenverstand obsiegt.“ Als Autor hat er sich einem neuen Buch − und seinen Pfälzer Wurzeln zugewandt. „Ich schreibe einen Betzenberg-Krimi, über den Fußballverein in Kaiserslautern“, verrät er, „da wird viel Autobiografisches einfließen.“