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Volker Warkentin: Bitte einen Platz am Rand

Für Newsroom.de erinnert sich Volker Warkentin an prägende Augenblicke seines Berufslebens. Dazu gehören auch die eigens eingerichteten Festnetztelefone an der Glienicker Brücke. Und das kam so.

Berlin - Der Winter 1986 war lang und bitterkalt. Temperaturen von von 20 Grad unter Null waren die Regel.

Anfang Februar machte im damals geteilten Berlin das Gerücht die Runde, es werde ein Austausch von Agenten aus Ost und West vorbereitet. 

 


Erinnerungen: Volker Warkentin (63) ist Ende November nach 36 Jahren aus dem deutschsprachigen Dienst der Nachrichtenagentur Reuters ausgeschieden, Er hat zunächst in Bonn und dann in Berlin als Redakteur am Desk, als Reporter, Korrespondent und Schichtleiter gearbeitet. Heute arbeitet er als freier Autor in der Hauptstadt..

 

Das Ganze solle auf der Glienicker Brücke abgewickelt werden, die schon zweimal Schauplatz derartiger Aktionen war. Ich arbeitete seit einigen Monaten als Korrespondent im West-Berliner Reuters-Büro, und mir passte das sich abzeichnende Groß-Ereignis gar nicht in den Kram, weil mich eine riesige Korruptions-Affäre in Atem hielt. Aber der Gefangenenaustausch hatte Vorrang, weil der seit Jahren inhaftierte sowjetische Bürgerrechter Anatloli Schtscharanski freikommen sollte.

Mir war schnell klar, dass das ein logistisch anspruchsvoller Einsatz würde.

Es war angesichts der bitten Kälte niemandem zuzumuten, tage- und auch nächtelang im Freien auszuharren. Also mietete ich einen Campingwagen mit Standheizung, der von nun zweite Heimat für meine Fotokollegen Gaby Sommer und Wolfgang Kumm sowie auch mich wurde. Nur: Die Kommunikation von der „Außenstelle Glienicker Brücke“ mit der Zentralredaktion in Bonn und die Übermittlung von Bildern waren damit nicht sichergestellt.

Mobiltelefone kamen erst gegen Ende der 1980er Jahre auf. Das vorhandene C-Netz war damals total überlastet, die Geräte waren vom Gewicht her auch als Hanteln geeignet.

Irgendwann fiel mein Blick auf einen an der damaligen Trennlinie vonWest und Ost stehenden Telefon-Verteilerkasten. Möglicherweise hat der Kasten auch mich entdeckt. Ich kam jedenfalls nichts mehr von ihm los und erzählte im Büro unserem Techniker Horst Heider von meiner Begegnung der besonderen Art. Ob man nicht? Ja, man konnte:  „Da können wir Telefone anschließen“, sagte Heider und beantragte kurzerhand mehrere Telefonanschlüsse.

Und tatsächlich: Am nächsten Morgen erschien ein Techniker - ich weiß nicht mehr, ob er noch von der Post oder schon von der Telekom war - und installierte die Telefone.  Hurra: Wir waren kommunikationsfähig. Ähnlich ging es auch den Kollegen von der Konkurrenz, die auch auf den Trichter mit den Wohnmobilen und den Telefonen gekommen waren.

Am Abend des 9. Februar drohte dann das Ende der Herrlichkeit: Die Polizei forderte die mittlerweile in Kompaniestärke an der Glienecker Brücke stehenden Journalisten auf, ihre Camingwagen um etwa 100 bis 200 Meter zu verlegen. Dort gab es aber keinen Telefionverteilerkasten! Was tun?

Der Servicemann von Telekom oder Post wusste Rat: Die Geräte können selbst die extremste Kälte, dürfen aber nicht nass werden.

Der mittlerweile aus Bonn eingeflogene Chief Correspondent Mark Wood und ich entschieden kurzerhand: no risk, no fun. Wir ließen die Apparate im Freien, verpackten sie aber dick in mehrere Lagen Alufolie und Handtücher.

Sicherheitshalber zogen wir auch die Schlüssel von den Geräten ab, was aber angesichts der vielen Polizisten nicht nötig war.

 

Unser Autor Volker Warkentin (Bildmitte) 1988 bei Recherchen in der DDR.

 

Am Morgen des 10. Februar 1986 gingen unter den Augen der Weltöffentlichkeit die Freilassung Schtscharanskis und dann der Austausch der Agenten über die Bühne. Unsere Telefoie funktionierten einwandfrei. Mark und ich konnten unsere Eindrücke direkt in die Zentrale nach Bonn durchtelefonieren, die die Meldungen dann an die Kunden weitergab.

Wie Froben Hombrger habe ich in jenen Jahren bei Außeneinsätzen immer auf öffentliche Telefonzellen geachtet. Außerdem hatte ich stets einige Telefongroschen in der Tasche.

Und noch eine Marotte habe ich mir in den Jahrzehnten als Nachrichtenmann zugelegt, Bei öffentlichen Veranstaltungen, aber auch im Kino oder Theater nehme ich mir gerne einen Platz am Rand.

Könnte ja sein, dass es eine breaking news gibt.

Volker Warkentin

Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Gehversuche im Journalismus? Oder an besondere Augenblicke? Schicken Sie uns Ihre Erinnerungen mit Fotos "von damals" gerne an redaktion@newsroom.de.