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dpa

Von "Paukenschlag" bis "Meilenstein"

Reaktionen auf EuGH-Urteil

Berlin (dpa) − Der Europäische Gerichtshof hat die seit 15 Jahren

geltende Vereinbarung zur unkomplizierten Datenübertragung («Safe

Harbor») gekippt. Unternehmen können künftig nicht mehr so einfach

wie bisher Daten ihrer Nutzer in die USA übermitteln. In Deutschland

ist das aufsehenerregende Urteil mit viel Zuspruch aufgenommen

worden. Ein Überblick über die Reaktionen:

THOMAS DE MAIZIÈRE: Der Bundesinnenminister (CDU) sprach von einer

„wichtigen Klarstellung für die Zukunft“. Durch das Urteil verbessere

sich auch die Verhandlungsposition der Europäischen Kommission, die

mit den USA ohnehin neue Regeln aushandeln wolle. 

HEIKO MAAS: Der Bundesjustizminister (SPD) sieht in dem Urteil ein

Signal für den Schutz der Grundrechte in Europa. Mit den USA müsse

nun unverzüglich über die Folgen des Urteils gesprochen werden. „Das

Urteil ist ein Auftrag an die Europäische Kommission, auch

international für unsere Datenschutzstandards zu kämpfen.“

SABINE LEUTHEUSER-SCHNARRENBERGER: Die ehemalige

Bundesjustizministerin (FDP) bezeichnete die Gerichtsentscheidung als

„Paukenschlag für das Recht auf Datenschutz“. Der Europäische

Gerichtshof zeige sich als einziger echter Hüter der Grundrechte in

Europa, während die deutsche und europäische Politik in Sachen

Datenschutz Däumchen drehten. „Die EU muss endlich mit Druck

gegenüber den USA verhandeln, damit zumindest in Europa die

lückenlose Überwachung und Ausschnüffelei durch die USA beendet

wird.“

KONSTANTIN VON NOTZ: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der

Grünen sieht in dem Urteil ebenfalls einen „Paukenschlag“. Das Urteil

sei die erste gravierende Konsequenz, die aus der Massenüberwachung

der NSA, auf die Edward Snowden aufmerksam gemacht habe, gezogen

werde. „Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige sowohl für die

Europäische Kommission als auch die Bundesregierung. Die bisherige

Datenaustauschpraxis ganzer Wirtschaftszweige steht offen infrage.“

RENATE KÜNAST: Die Grünen-Politikerin sieht in dem Urteil einen

„Meilenstein für die Rechte von Internet-Usern“. Es sei ein „guter

Tag für die Kunden und für den Datenschutz in der digitalen Welt“.

PIRATENPARTEI: Die Piraten fordern als Reaktion auf das EuGH-Urteil

einen Stopp des geplanten Datenübereinkommens mit den USA. „So wie

der „sichere Hafen“ die EU-Datenschutzlüge im Interesse von

Konzernlobbyisten war, ist das geplante EU-US-Datenabkommen ein

Trojanisches Pferd der Überwachungsbehörden“, sagte der

Bundesvorsitzende Stefan Körner.

VERBRAUCHERZENTRALE BUNDESVERBAND e.V.: Der Verband sieht in der

Entscheidung des EugH eine Bestätigung dafür, dass Safe Harbor gegen

europäisches Recht verstoße. Die Europäische Kommission dürfe nun bei

den laufenden Neuverhandlungen von „Safe Harbor“ nicht nur Löcher in

der brüchigen Hafenmauer stopfen. Das Abkommen sei an vielen Stellen

mangelhaft und müsse komplett neu aufgelegt werden. „Die Richter in

Brüssel setzen mit dem Urteil auch Maßstäbe für die weiteren

TTIP-Verhandlungen“, sagate vzbv-Vorstand Klaus Müller.

REPORTER OHNE GRENZEN: Für die Organisation ist das EugH-Urteil eine

„längst überfällige Entscheidung“. Sie eröffne die Chance, „endlich

die Konsequenzen aus dem Skandal um die NSA-Überwachung zu ziehen,

denen die Bundesregierung bislang ausgewichen ist“, sagte

ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. Die flächendeckende digitale

Überwachung durch die NSA und anderen Geheimdiensten hätten selbst

journalistische Recherchen und Quellenschutz infrage gestellt.

BITKOM: Die Digitalwirtschaft braucht nach Einschätzung des

Branchenverbands nun „international einheitliche Regelungen zum

Datenschutz auf hohem Niveau“. „Tausende von Unternehmen haben ihre

Datenübermittlungen zwischen Deutschland und den USA bisher auf Safe

Harbor gestützt“, sagte die Geschäftsleiterin des Bitkom, Susanne

Dehmel. Sie bräuchten jetzt schnellstmöglich Rechtssicherheit.

BDI: Der Bundesverband der Deutschen Industrie sieht jetzt akuten

Handlungsbedarf. „Die Politik auf beiden Seiten des Atlantiks muss

jetzt unverzüglich handeln“, forderte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus

Kerber. Unternehmen und Bürger brauchten Rechtssicherheit.

ECO: Nach Einschätzung des Internet-Verbands hat das Urteil für die

gesamte Internetwirtschaft weitreichende Folgen. Der Fall des

Safe-Harbor-Abkommens bedeute für viele Unternehmen jetzt eine

erhebliche Rechtsunsicherheit, warnte eco-Vorstand Oliver Süme. Dabei

würden datenbasierte Geschäftsmodelle und der transnationale

Austausch von immer wichtiger.

PETER SCHAAR: Der Ex-Bundesdatenschutzbeauftragte sieht einen Sieg

für den Datenschutz. „In der Wirkung ist das Urteil vergleichbar mit

dem historischen Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts

von 1983, mit dem das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

festgelegt wurde“, sagte Schaar dem Redaktions-Netzwerk Deutschland,

einem Verbund von mehr als 30 Tageszeitungen.