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Was wir schon immer über Leo Kirch und Co. wissen wollten

Verbittert hatte Leo Kirch nach der Insolvenz seines Medienimperiums den Axel-Springer-Verlag als "Kriegsgewinnler" bezeichnet. Verlegerin Friede Springer erinnert sich dagegen an Kirchs Charme. Als Zeugin im Kirch-Prozess punktet sie mit Humor.

München (dpa) - Schon weit vor der Zeit erschien Verlegerin Friede Springer und wartete im Zeugenstuhl auf die Richter. Sie sei 69 Jahre alt, "geboren auf der Insel Föhr, Beruf Kauffrau", gab die schmale Frau vor dem Oberlandesgericht München im Kirch-Prozess zu Protokoll. Dann ging's zur Sache.

Die Verlegerin sorgte am Freitag mit Anekdoten über Konkurrenten, Banker und den verstorbenen Medienmogul Leo Kirch für Heiterkeit. Der knallharte Kampf aller Beteiligten rund um die Insolvenz des Münchner Film- und Fernsehkonzerns erschien plötzlich wie ein Freundschaftsspiel.

Die Kirch-Erben und Insolvenzverwalter ehemaliger Kirch-Firmen werfen der Deutschen Bank vor, den Konzern vor zehn Jahren in die Pleite getrieben zu haben. Sie fordern Schadenersatz in Milliardenhöhe.

Gegen den Willen von Friede Springer hatte sich Kirch nach Axel Springers Tod 40 Prozent am Verlag gesichert. Es gab Prozesse gegen den machtbewussten Großaktionär. Aber in der Rückschau zeichnete Friede Springer ein versöhnliches Bild: "Ich hatte ein gutes, freundschaftliches Verhältnis mit Herrn Kirch. Mal wollte er von mir Aktien kaufen, mal ich von ihm", sagte sie.

Schon 1998 hatte Kirch auf der Suche nach frischem Geld das Springer-Aktienpaket an die Deutsche Bank verpfänden müssen. Dem damaligen Deutsche-Bank-Chef habe sie gesagt, wenn Kirch mal in Not komme, wäre sie an einem Teil dieses Pakets interessiert. "Ich hänge am Verlag", erklärte sie und lachte.

Im September 2001 - Kirch steckte in der Klemme - hörte sie, dass das Aktienpaket "an einen Sohn Gaddafis verkauft werden sollte. Da bekam ich einen Schreck", sagte Friede Springer. Sie sei nach München geflogen und Kirch "ließ uns sogar abholen. Herr Kirch sagte, er wollte am liebsten an mich verkaufen."

Persönlich habe er mit HypoVereinsbank-Chef Dieter Rampl telefoniert und angekündigt, er schicke ihr gleich Frau Springer vorbei wegen der Finanzierung. Immerhin ging es um rund 700 Millionen Euro. Rampl habe sie gefragt: "Was haben Sie an Vermögen? Wir haben dann festgestellt, nein, das geht nicht", sagte Springer. Aber "das war wirklich ein netter, schöner Tag".

Ende Januar setzte Springer Kirch dann die Daumenschrauben an: Der Verlag gab seine ProSiebenSat.1-Anteile zurück und forderte 770 Millionen Euro dafür zurück. Dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) drei Tage zuvor mit dem damaligen Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer, dem WAZ-Verleger Erich Schumann und Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff in Hannover über Kirchs Springer-Anteile gesprochen habe, habe sie erst aus der Zeitung erfahren, sagte Friede Springer.

Dann habe Schumann sie besucht. "Schumann war bei mir irrsinnig freundlich. Dann kam er raus mit der Sprache: Die WAZ-Gruppe und ich müssten zusammen den Anteil von Springer übernehmen, als Team." Also ein Einstieg der WAZ bei Springer? "Wir passen nicht zusammen. Ich habe das glatt abgelehnt", sagte Friede Springer.

Ihre Stunde kam im Oktober, ein halbes Jahr nach Kirchs Pleite. Bei einer Versteigerung wollte kein anderer Kirchs Springer-Paket kaufen - die Stimmrechte waren nur mit Zustimmung des Verlages gültig, und außerdem waren die Börsen auf Talfahrt. Friede Springer bekam 10 Prozent und war mit insgesamt 55 Prozent fortan alleine Chefin des Verlags. An die Einzelheiten des Coups erinnerte sie sich aber nicht, mit ihr persönlich habe es keine Absprachen gegeben. "Was die da im Hintergrund gemacht haben, ich weiß es nicht."

Leo Kirch hatte sich als Opfer einer Verschwörung gesehen mit Breuer als Vollstrecker: "Der Rolf hat mich erschossen", und Springer-Vorstandschef Matthias Döpfner sei der "Kriegsgewinnler", hatte er in einem "Spiegel"-Interview 2005 gesagt.

Kirch-Anwalt Wolf-Rüdiger Bub sagte am Freitag: "Frau Springer gehörte nicht zu den Konstrukteuren der Zerschlagungsstrategie. Sie hat allerdings davon profitiert." Deutsche-Bank-Anwalt Markus Maier sah die Klage zerbröseln: "Eine weitere These pulverisiert."

Am 12. Oktober will das Gericht die Plädoyers hören und dann zu einem Urteil kommen.

 

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