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Wie der Nachrichtensender n-tv im Internet Geld verdienen will

Der n-tv-Geschäftsführer Hans Demmel im Interview über Erlösmodelle, Zukunftsmärkte und Luxus. Der Nachrichtensender, der zur RTL-Gruppe gehört, erreicht vor allem über Dokumentationen die jüngere Zielgruppe. "Ich glaube vor allem an Fernsehen, an lineares Nachrichtenfernsehen", sagt der 56-jährige Fernsehprofi, der einst beim "Oberbayerischen Volksblatt" sein journalistisches Handwerk erlernte.

Köln - Wenn es noch keinen Fernseher gäbe, würde ihn jeder erfinden wollen. Das ist die feste Überzeugung von Hans Demmel, dem Geschäftsführer des Nachrichtensender n-tv. Und deswegen ist Demmel sicher: Fernsehen ist unschlagbar. Der 56-Jährige erklärt im Interview, wie sich n-tv zu den Olympischen Spielen und der US-Präsidentenwahl aufstellt und welchen "Aufschlag" n-tv in diesem Jahr noch plant.

Wie zufrieden waren Sie mit der Fußball-Europameisterschaft?

Hans Demmel: Als Fußball-Fan nicht wirklich, weil es schneller zu Ende war, als wir alle gehofft hatten. Aus Quotensicht dagegen sind wir zufrieden. Wir haben wie schon bei EM und WM davor wieder gute Erfahrungen gemacht mit dem Format "Fußball-Frühstück" - mit den wichtigsten Bildern des Vortags, Analysen, Vorschauen, Interviews und Experten wie Olaf Thon oder Rainer Holzschuh. Damit konnten wir die Quotenverluste, die wir am Abend in Konkurrenz zu den Live-Spielen hatten, ganz ordentlich ausgleichen. Wir hatten in der Spitze Marktanteile von bis zu 6,4 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen, was für uns am Vormittag relativ viel ist.

 

Zur Person: Hans Demmel

Seit bald fünf Jahren ist der gelernte Journalist Hans Demmel Geschäftsführer des Kölner Nachrichtensender n-tv. Seine Karriere begann in Rosenheim als Volontär und Lokalredakteur beim "Oberbayerischen Volksblatt". Seit 1979 ist der Bayer beim Fernsehen tätig. Zunächst war er beim "Bayerischen Fernsehen" in München, danach beim Privatfernsehen als Chef vom Dienst und USA-Korrespondent bei den "Sat.1 News". 1994 ging der heute 56-Jährige zur RTL Gruppe, Anfang 2002 wechselte er vom RTL-Magazin "Extra" als Chefredakteur zu VOX. Drei Jahre später kehrte er als Bereichsleiter Magazine zu RTL zurück, im September 2007 übernahm er n-tv.

 

Jetzt stehen die Olympischen Spiele vor der Tür, da sind zwölf Stunden Live-Programm der Gegner. Wie kann man da bestehen?

Hans Demmel: Das Wort Gegner fällt mir in dem Zusammenhang schwer, da ich Olympia als Sport-Fan ja auch gerne verfolge. Allerdings laufen in den zwölf Stunden nicht immer Top-Entscheidungen mit Riesen-Quoten - anders als beim Fußball mit 90 Minuten Vollgas. Wir machen ein ähnliches Konzept wie bei der EURO, nur heißt das Frühstück jetzt "Olympia-Frühstück". Sie bekommen bei uns in einer sehr kompakten und geballten Form alle Informationen. Nachrichtlich haben wir alles abgedeckt. Wenn man alles über Olympia wissen und mitreden will, müsste man in der Theorie eigentlich nicht mehr gucken als n-tv.

Aus Nachrichten-Sicht sehr interessant dürfte für n-tv die Präsidentenwahl in den USA werden. Freuen Sie sich schon drauf?

Hans Demmel: Ja, weil es im Vorfeld schon unglaublich spannend wird. Die Lager-Bildung in den USA, dieser Hass zwischen den beiden Lagern, wird diesen Wahlkampf in eine Spannungsdimension schicken, in der noch keiner war. Man muss kein Prophet sein, um eine Schlammschlacht vorauszusagen. Wir haben für die Wahl eine große Kooperation mit CNN und der Tageszeitung "Die Welt". Los geht´s mit der intensiven Vorberichterstattung Anfang August. Unter dem Motto "Der Kampf ums Weiße Haus" ist ein Expertenteam zusammengestellt worden: Isabelle Körner, n-tv Moderatorin und Expertin für Wirtschaftspolitik, Fred Pleitgen, Deutschland-Korrespondent von CNN, und Clemens Wergin, USA-Experte der "Welt". Die drei werden das Rennen zwischen Barack Obama und Mitt Romney im TV, online und mobil für den Zuschauer und Nutzer einordnen. In der Wahlnacht vom 6. November sendet n-tv dann im Rahmen einer großen Wahlparty gemeinsam mit RTL aus der Bertelsmanns-Repräsentanz in Berlin und ist die ganze Nacht live dabei.

Wichtig im Programm sind neben News für Sie aber auch Magazine wie ein Wein- und ein neues Auto-Magazin. Welche Rolle spielen die für einen Nachrichtensender?

Hans Demmel: Im Herbst geht "FINE Das Weinmagazin" in die zweite Staffel. Wein ist für ein wirtschaftsorientiertes, höherklassiges Entscheider-Publikum, wie wir es haben, ein spannendes Thema. Das gilt auch für Top-Cars, Start am 13. September: Große Autos, viele PS - ein klassisches Männerthema. In der ersten Folge erklären wir zum Beispiel, warum ein Bentley so teuer ist. Da sitzen drei Spezialisten stundenlang zusammen, um die Furniere zu finden, die perfekt für die Bar zusammenpassen. Davon kann man halten was man will, aber das löst einen Reiz aus. Das sogenannte Luxus-Segment wächst in Deutschland sehr stark, gerade in unserer Zielgruppe.

Stichwort Wachstum: Was können Sie mit einem Sender wie n-tv tun, um in Konkurrenz zu Nachrichtenangeboten via Google, YouTube & Facebook zu wachsen oder wenigstens nicht zu schrumpfen?

Hans Demmel: Eine Vorbemerkung dazu: Stellen wir uns eine Welt vor, in der es Twitter, Google, Facebook, Internet gibt - aber kein Fernsehen. Was würden alle Ingenieure erfinden wollen? Eine große viereckige Kiste, die einfach zu bedienen ist und auf Knopfdruck unterhält und informiert. Deswegen wird das klassische lineare Fernsehen noch sehr lange seine Berechtigung behalten. Und es gibt eigentlich kein besseres lineares Fernsehen als einen Nachrichtensender. Durch das Internet ist das Nachrichtenfernsehen, das die täglichen Nachrichten für den Zuschauer einordnet, nicht bedroht. Daneben haben wir ein paar sehr erfolgreiche Beiboote wie unser Nachrichtenportal n-tv.de oder die Finanz- und Anlegerseite telebörse.de sowie die mobilen Angebote. Da sind wir sehr gut aufgestellt. n-tv.de behauptet sich mit durchschnittlich 32 Millionen Visits pro Monat als eines der erfolgreichsten Nachrichtenportale neben den Qualitätsangeboten im Netz und unsere App ist das beliebteste Nachrichten- und Wirtschaftsangebot für Smartphones. Und wir haben einen Vorteil gegenüber den Angeboten der Verlage: Wir haben und können Video bereits.

Gibt es für Sie Erlösmodelle abseits des linearen Fernsehens?

Hans Demmel: Unser Erlösmodell im Internet ist die ganz klassische Finanzierung über Werbung, da stimmen die Zahlen seit Jahren, was auch damit zusammenhängt, dass wir kaum Kosten für Bewegtbild haben. Mobile wird sich entwickeln, da sind wir sehr optimistisch. Und daneben bauen wir den Bereich video-on-demand aus, da wird in diesem Jahr ein ordentlicher Aufschlag kommen, so dass dieser Bereich in einem vertretbaren Maße profitabel wird.

Wie wird dieser Aufschlag aussehen?

Hans Demmel: Es kommt "n-tv now" im Rahmen der gesamten Now-Strategie der Mediengruppe RTL Deutschland. Das Angebot ist im Aufbau, da gibt es für den Doku-Bereich einen Markt, auch wenn der natürlich nicht so groß ist wie für Spielfilme oder Soaps. Gerade über die Dokumentationen erreichen wir aber sehr viele junge Menschen.

Wie ist Ihre Position zur aktuellen Debatte rund um Urheberrecht und Leistungsschutzrechte?

Hans Demmel: Als Sender sind wir in einer Doppelrolle, sind sowohl Urheber von Eigenproduktionen als auch Verwerter von Fremdproduktionen. Gerade werbefinanzierte Inhalte brauchen deshalb ein starkes Urheber- und Leistungsschutzrecht. Als Reaktion auf die Debatte haben die Redaktionen von RTL und n-tv das Thema aufgegriffen, um über die Rolle der Sendeunternehmen aufzuklären, auf deren Notwendigkeit hinzuweisen und um die Debatte auch zu versachlichen. Es ist doch so: Jeder kann heute seine Kunst ins Internet stellen, aber wer kann sie dort finden? Es bedarf Marketing-Kampagnen, um Künstler bekannt zu machen. Als Sender machen wir kreative Inhalte überhaupt erst auffindbar, Fernsehprogramm überhaupt erst möglich. Wir investieren in Kreativität und Vielfalt, finanzieren Erfolge, aber auch Misserfolge. Es hilft der sehr emotional geführten Debatte sicherlich, sie mit ein paar Fakten zu untermauern.

2009 haben Sie gesagt: Das Internet ist unser Zukunftsmarkt. Erwartungen erfüllt?

Hans Demmel: Ja, ohne jeden Zweifel. Wir haben Marktanteile gewonnen, wir haben bei der Vermarktung zugelegt. Dabei hilft uns, dass n-tv als Marke unglaublich stark ist. Auch wenn der Markt der Internet-Nachrichtenseiten nicht mehr in dem Maße wächst wie zuletzt. Was explodiert ist, sind die mobilen Zugriffszahlen. 2009 sind wir mit der iPhone-App an den Start gegangen und kamen auf knapp 12 Millionen Page-Impressions, heute erreichen unsere Apps über alle Plattformen hinweg bis zu 213 Millionen Page-Impressions pro Monat. Zusammengerechnet zählen wir im Internet und Mobile mehr als 400 Millionen PIs monatlich.

Was ist aus heutiger Sicht der Zukunftsmarkt, über den Sie in zwei Jahren gerne sagen möchten: Erwartungen erfüllt?

Hans Demmel: Ich gehe fest davon aus, dass Fernsehen insgesamt weiter auf hohem Niveau stabil bleibt. Für unseren Sender gehen wir bei den Marktanteilen von einem Wachstum aus. Mit dem Risiko, dass es in nachrichtenärmeren Zeiten etwas schwerer wird. Im Diversifikationsgeschäft gibt es noch ein paar Optionen vor allem zur Finanzwirtschaft, mobiles TV wird sich weiterentwickeln, allerdings nicht in dem rasanten Tempo, das der ein oder andere Guru voraussagt. Aber ich glaube vor allem an Fernsehen, an lineares Nachrichtenfernsehen. Denn das ist bei großen Nachrichtenthemen nach wie vor unschlagbar.

Mit Hans Demmel, Geschäftsführer des Nachrichtensenders n-tv, sprach Timon Saatmann.