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Wirbel um "Emma"-Spitze schadet Alice Schwarzer

Die "Süddeutsche Zeitung" spricht von einer rätselhaften Selbstdemontage der 65-jährigen Frauenrechtlerin.

Köln (dpa) - Der Rauswurf der frisch angetretenen "Emma"- Chefredakteurin Lisa Ortgies sorgte für Empörung. Seit der Trennung vor zwei Monaten hagelt es Kritik an der Gründerin der feministischen Zeitschrift, Alice Schwarzer. Die Frontfrau der Frauenbewegung - anerkannt für ihre Verdienste um die Gleichberechtigung und geschätzt von vielen für Hartnäckigkeit, Kampfgeist und Scharfsinn - hat einen Zacken aus der Krone verloren. "Der Fall hat einmal mehr gezeigt, dass Alice Schwarzer nicht in der Lage ist, andere Meinungen zu akzeptieren, wenn es um Frauenfragen geht", kritisiert "taz"- Chefredakteurin Bascha Mika. Sie habe anfangs vieles bewegt, sei aber "einspurig und eingleisig" geworden, meint Mika, die eine kritische Biografie über Schwarzer geschrieben hat.

Die "Süddeutsche Zeitung" spricht von einer rätselhaften Selbstdemontage der 65-jährigen Frauenrechtlerin und sieht "keine Brücke in die Neuzeit" für Schwarzer. Der "Spiegel" meint, Schwarzer dulde niemanden neben sich. Nach Ansicht der "taz" ist der Versuch gescheitert, aus "Emma" ein "diskutierendes statt diktierendes Organ des deutschen Feminismus zu machen". Die frühere WDR-Moderatorin Ortgies beklagte, sie habe "keinen konzeptionellen Vorschlag und keines der Themen, für die ich angetreten bin, verwirklichen können".

Laut Schwarzer hatte sich Ortgies überraschend als "für die Erfordernisse einer Chefredakteurin ungeeignet" erwiesen, der Wunsch nach einer Kündigung sei zuerst von den "Emma"-Mitarbeiterinnen an sie herangetragen worden. Statt den Fall "ideologisch zu überhöhen" solle man bei den "handwerklichen Fakten" bleiben, an denen es gescheitert sei, heißt es von Kölner "Emma"-Seite. Die unabhängige und werbefreie Zeitschrift erscheint seit einiger Zeit nur noch alle zwei Monate und ist auf eine Auflage von gut 48 000 Exemplaren gesunken.

Der Feminismus sei über die "merkwürdig gestrige Schwarzer hinweggegangen", urteilt eine Leserbrief-Schreiberin über die bekannteste deutsche Frauenrechtlerin. Auch das Bild einer "selbst verliebten Barrikadenfrau" wird gezeichnet. Seit Jahrzehnten kämpft die Journalistin gegen Pornografie, Gewalt und Erniedrigung von Frauen, hat Kampagnen angezettelt und sich auch früh mit großen Gegnern wie dem "Stern" und dem Akt-Fotografen Helmut Newton angelegt. Viele Bestseller stammen aus ihrer Feder und zahlreiche Auszeichnungen zeugen von der ihr entgegengebrachten Anerkennung.

Dennoch bröckelt ihr Image als Galionsfigur der deutschen Frauenbewegung. Mit Titeln wie "Wir Alphamädchen" oder "Neue deutsche Mädchen" erklären junge Autorinnen den Feminismus à la Schwarzer für überholt, er liefere heute keine Lösungen mehr. Mika meint, Schwarzer habe die Frauenbefreiung immer ohne Männer und Kinder gesehen. "Für junge Frauen heißt selbstbestimmtes Leben heute aber nicht Verzicht auf Kinder."

Schon ihr großformatiges Werben für die "Bild"-Zeitung - trotz deren Nacktfotos - hatte Schwarzer 2007 viele Sympathien gekostet. Der Kölner Autor Günter Wallraff wirft ihr vor, dies aus "reiner Karriere-Geilheit" getan zu haben. Schwarzer-Biografin Mika sagt: "Es geht ihr um Machterhalt und Anspruch auf alleinige Deutungshoheit in der Öffentlichkeit in Frauenfragen."

Die nach wie vor bekannteste deutsche Feministin möchte zu dem Wirbel derzeit keine Stellung nehmen. Die Herausgeberin, Verlegerin, Autorin und - bis auf weiteres auch - Chefredakteurin Schwarzer betont in der aktuellen "Emma"- Ausgabe, das Heft werde weiter von "unangepassten, unerschrockenen Frauen" gemacht. Sie habe bereits viele Hetzkampagnen erlebt. Schwarzer: "Ich bin diese Versuche der persönlichen Demontage, die weitgehend auf begründete sachliche Kritik verzichtet, schon sehr lange gewohnt - und ich habe längst gelernt, sie als Herausforderung zu verstehen."