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ZDF-Fernsehrat tagt - Chefredakteur Brender offiziell kein Thema

Der Streit um Brender hat eine lebhafte Diskussion über die Zusammensetzung der ZDF-Gremien ausgelöst.

Hamburg (dpa) - Offiziell ist die umstrittene Vertragsverlängerung des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender kein Thema für den Fernsehrat des Senders, der an diesem Freitag zusammentritt. Und Intendant Markus Schächter, der Brender für weitere fünf Jahre behalten will, lehnt öffentliche Äußerungen dazu ab. Trotzdem dürften die Widerstände gegen den Chefredakteur, die schon zu Spekulationen über einen möglichen Rücktritt des Intendanten geführt haben, auch in dem 77-köpfigen Gremium eine Rolle spielen. Wenn der Vorsitzende des Fernsehrats, der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, nach der Sitzung vor die Journalisten tritt, erwarten einige von ihm ein Signal an den Verwaltungsrat, der am 27. März über Brenders Vertragsverlängerung zu entscheiden hat.

Von dort sind bisher kontroverse Signale gekommen, die ein starkes öffentliches Echo ausgelöst haben. Zuerst protestierten prominente ZDF-Journalisten in einem Offenen Brief gegen eine "gefährliche Einmischung der politischen Parteien in die Souveränität unseres Hauses". Erst danach bekannte sich Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats, zu seiner Ablehnung Brenders und plädierte für einen "Neuanfang". Sein Gegenüber von der SPD, der Verwaltungsratsvorsitzende Kurt Beck, warf der CDU parteipolitisches Taktieren vor. Koch dagegen berief sich auf sinkende Zuschauerzahlen der von Brender verantworteten ZDF- Informationssendungen.

Im 14-köpfigen Verwaltungsrat, mit dem Schächter laut Staatsvertrag "Einvernehmen" über die Personalie herstellen muss, sitzen neben Beck, Regierungschef in Rheinland-Pfalz, und Koch zwei weitere amtierende Ministerpräsidenten: Peter Müller (CDU) aus dem Saarland und Matthias Platzeck (SPD) aus Brandenburg. Der ehemalige bayerische Regierungschef Edmund Stoiber (CSU) ist ebenso dabei wie der Kulturstaatsminister der Bundesregierung, Bernd Neumann (CDU). Nach der politischen Farbenlehre werden neun Mitglieder dem CDU-Lager zugerechnet, fünf der SPD. Für ein "Einvernehmen" aber braucht der Intendant neun der 14 Stimmen im Verwaltungsrat.

Der Streit um Brender hat eine lebhafte Diskussion über die Zusammensetzung der ZDF-Gremien ausgelöst. Der Direktor des Grimme- Instituts, Uwe Kammann, und sein Vorgänger Bernd Gäbler äußerten schwere verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Übergewicht der Parteien dort. Gäbler sieht das ZDF "im Würgegriff der Politik". "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher widmete dem Thema einen Leitartikel mit der Überschrift "Angriff auf das ZDF", RBB- Intendantin Dagmar Reim hielt Koch in der "Frankfurter Rundschau" ein "Verhaftetsein in der alten Welt" vor, in der "alles einfacher" war.

Der langjährige NDR-Intendant Jobst Plog fühlt sich an den "Fall Merseburger" aus dem Jahr 1974 erinnert, wie er in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch) schreibt. Damals blockierten die CDU- Vertreter im NDR-Verwaltungsrat die Vertragsverlängerung des Chefredakteurs Peter Merseburger, der den Konservativen als "Panorama"-Moderator ein Dorn im Auge war. Nachdem sie das Gremium durch Auszug und Nichterscheinen mehrfach beschlussunfähig gemacht hatten, unterschrieb der damalige Intendant Martin Neuffer den Vertrag Merseburgers ohne das geforderte "Einvernehmen".

Die Klage der CDU-Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Niedersachsen wies das Bundesverwaltungsgericht 1977 mit der Begründung ab, die CDU-Seite habe sich objektiv pflichtwidrig verwalten. Angesichts der parteipolitischen Ausrichtung der Gremienmitglieder meldeten die Richter außerdem erhebliche Zweifel an der verfassungsgemäßen Besetzung des Verwaltungsrats an. Die Rechtslage wurde 1980 für den NDR geändert. Seitdem haben Regierungsvertreter dort in keinem Gremium ein Stimmrecht.