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Zeitungsforscher Horst Röper: "Journalismus ist nicht mehr erstrebenswert"

Journalist werden? In diesen Tagen? Wenn einer Schülern oder Studenten diesen Rat geben würde, müsste es doch Horst Röper vom Dortmunder Formatt-Institut sein, der Zeitungskenner, der Zeitungsforscher, der Zahlenmann, der Experte für die Entwicklung der Medienhäuser in Deutschland. Von wegen: "Journalismus ist nicht mehr erstrebenswert. Ich rate allen, tut euch diesen Beruf nicht an. Die Attraktivität hat massiv nachgelassen", erklärte Horst Röper am Mittwochabend in Dortmund.

Dortmund - Röper sprach im Erich-Brost-Haus auf Einladung der Deutschen Journalisten-Union (dju in verdi) zum Thema "Zeitungslandschaft NRW im Wandel". Die Veranstaltung, schon vor Wochen anberaumt, bekam in diesem Tagen eine aktuelle Note. Die Entlassung der Redaktion der Tageszeitung "Westfälische Rundschau" sorgt für viel Aufregung und Wirbel. Eine Chance, die "Westfälische Rundschau" zu retten, sieht Horst Röper allerdings nicht mehr, die Entscheidung "sei gefallen".

In seinen Ausführungen zur Situation der Zeitungslandschaft erklärte Medienforscher Röper, der für das Land Nordrhein-Westfalen auch in der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) sitzt, dass der Lesermarkt seit den 1970er Jahren nicht mehr wachsen würde. Einzig durch Verdrängung und Abwerben von Abonnenten seien Auflagen gestiegen.

Die WAZ-Mediengruppe habe es bei ihrer Zeitung "Westfälische Rundschau" seit Jahren versäumt, sich von defizitären Ausgaben zu trennen. Röper gesteht: "Als ich von der ersten kurzfristig anberaumten Betriebsversammlung der WR erfahren habe, hatte ich fest angenommen, dass die WAZ das Ende für die WR-Ausgaben im Märkischen Kreis verkündet."

 

Ausgerechnet im nach WAZ-Gründer Erich Brost benannten Institut sprach Zeitungsforscher Horst Röper vom Formatt-Institut Dortmund vor Interessierten über den Zeitungswandel in Nordrhein-Westfalen. NEWSROOM-Foto: Bülend Ürük

 

Niemals habe er mit dem radikalen Kahlschlag in der WR-Redaktion, niemals mit der angekündigten Zusammenarbeit mit Lensing-Wolff, Rubens und Ippen gerechnet: "Ich gehe aber davon aus, dass sie den Lokalteil für die neue Westfälische Rundschau zu kleinem Geld anbieten. In Essen sitzen Taschenrechner", vermutet Röper.

Einzige Hoffnung für den Lokaljournalismus im Land sei die "Vielfaltsreserve Internet", so Horst Röper.

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63 lokaljournalistisch geprägte Portale außerhalb des etablierten Systems hat das Formatt-Institut in 2012 gefunden, "aber das ist noch viel zu wenig für die Vielfalt im lokalen Markt", sagt der Medienfachmann. Schließlich gibt es im Bindestrich-Bundesland 396 Kommunen.

Horst Röper: Bloß nicht in den Journalismus

Die Arbeitssituation für Journalisten sei im Moment besonders schlimm. "Die Arbeitslosenquote ist doch geschönt", erklärt der Zeitungsforscher. Die Arbeitslosigkeit unter Journalisten sei eigentlich wesentlich höher als von der Arbeitsagentur gemeldet. Grund: Freie Journalisten, die Unterstützung bekommen würden, meldeten sich nicht arbeitslos. Vielleicht aus Scham, vielleicht, weil es für sie einfach nicht in Frage kommen würde, vermuteten einige Besucher des Röper-Vortrags.

Guten Gewissens könne er heute niemanden mehr empfehlen, Journalist zu werden. "Journalismus ist nicht mehr erstrebenswert. Ich rate allen, tut euch diesen Beruf nicht an. Die Attraktivität hat massiv nachgelassen", so Horst Röper.

Bülend Ürük

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