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BR-Chef im Wandel: Strebt Intendant Wilhelm eine dritte Amtszeit an?

Zeit der Entscheidung beim Bayerischen Rundfunk: Was will Wilhelm? Kandidiert der Intendant und frühere Merkel-Sprecher für eine dritte Runde ab 2021? Beschäftigte, Medienbranche und Politiker rätseln.

München (dpa) − Mitten in der Corona-Krise steht der Bayerische Rundfunk vor einer entscheidenden Weichenstellung. Tritt Intendant Ulrich Wilhelm zur Wahl für eine dritte Amtszeit an? Seit Monaten wird über die Pläne des 59-Jährigen spekuliert. Vor der Sommersitzung des zuständigen Rundfunkrats am nächsten Donnerstag (16. Juli) steigt die Spannung.

 

Wilhelm steht seit 2011 an der Spitze des öffentlich-rechtlichen Senders. Der Jurist und Journalist war zuvor Regierungssprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Ende Januar nächsten Jahres läuft Wilhelms zweite Amtsperiode aus. Bisher fand die Wahl des Intendanten im Rundfunkrat in der Regel mit weit mehr Vorlauf statt.

 

Eigentlich hatte Wilhelm den Entschluss sogar erst bis in den Herbst angekündigt. Nun aber kommt der 50-köpfige Rundfunkrat erstmals seit Beginn der Pandemie wieder persönlich in München zusammen und nicht nur digital. Die Tage der Entscheidung haben begonnen. Denn auch wenn die große Frage nicht offiziell auf der Tagesordnung steht, erwarten alle, dass − spätestens − im Saal klar wird: Was will Wilhelm? Auch sein Sprecher ist überzeugt, „dass die persönliche Entscheidung des Intendanten noch vor der Sommerpause bekanntgegeben wird“.

 

Dass sich Wilhelm bisher so lange bedeckt hält, werten manche im Sender wie auch außerhalb als Zeichen für einen möglichen Abschied. Andererseits sagen langjährige Wegbegleiter: Wilhelm sei nicht der Typ, der mitten in Herausforderungen wie Sparkurs, Corona-Pandemie und Medienwandel von Bord geht. Vielleicht also eine Wiederwahl − aber nicht unbedingt für die üblichen vollen fünf Jahre?

 

Schier unermüdlich hat der gebürtige Münchner an der Spitze des Bayerischen Rundfunks (BR) den digitalen Wandel zum trimedialen Haus vorangetrieben: Fernsehen, Radio und Online aus einer Hand statt in getrennten Sparten − mit geänderten Strukturen, einem riesigen neuen Redaktionszentrum im Münchner Norden und mit der weiteren Regionalisierung des Senders quer durch den ganzen Freistaat.

 

Als ARD-Vorsitzender kämpfte der BR-Intendant in den vergangenen zwei Jahren besonders für eine Beitragserhöhung, die aber noch von den Landesparlamenten genehmigt werden muss. Gerade zuletzt lag Wilhelm mit dem ARD-Verbund nicht immer auf einer Linie. Zahlenmäßig ist der BR die viertgrößte Landesanstalt nach WDR, SWR und NDR − mit rund 3500 fest Beschäftigten und knapp 1700 arbeitnehmerähnlichen Freien.

 

Vehement wirbt Wilhelm auch nach der Zeit an der ARD-Spitze weiter für seinen Vorstoß einer europäischen Antwort auf Amazon, Facebook & Co: eine von den US-Riesen unabhängige Inhalteplattform. Bei Spekulationen über mögliche Zukunftspläne jenseits des BR schauen manche daher nach Brüssel: Will er seine Überzeugungsarbeit auf EU-Ebene in neuer Funktion fortsetzen? Andere Variante: Auch für die Geschäfte rund um Film und klassische Musik brächte er große Expertise, ein gutes Netzwerk und viel Leidenschaft mit.

 

Rundfunkratsmitglieder gehen auf Nachfrage davon aus: Wenn Wilhelm will, bleibt er auch nach der Wahl Intendant. Sein grundsätzlicher Kurs für die Zukunft des Senders ist selbst bei einzelnen Kritikern letztlich unumstritten, die Anerkennung allgemein hoch. Ehe er sich erklärt, wird daher nicht erwartet, dass ein anderer die Hand hebt. Bei Wilhelms erster Wiederwahl gab es keinen Gegenkandidaten.

 

In jedem Fall ist die Position auch eine gesellschaftspolitische Angelegenheit. Der per Wahl entscheidende Rundfunkrat zählt 50 Mitglieder politischer, weltanschaulicher und gesellschaftlicher Gruppen. Ein Dutzend von ihnen sind Landtagsabgeordnete, allein fünf aus der CSU. Auch Bayerns Staatskanzleichef und CSU-Medienminister Florian Herrmann sitzt in dem Aufsichtsgremium. Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder arbeitete einst selbst als Journalist beim BR.

 

Wilhelm ist ebenfalls Parteimitglied und war vor seiner Berliner Zeit auch Sprecher des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU). Als Intendant scheute er die eine oder andere inhaltliche Kontroverse auch mit der Staatsregierung bisher dennoch nicht.

 

Die Intendantenwahl wird frühestens für 22. Oktober erwartet − zur Herbstsitzung des Rundfunkrats. Vor einer Abstimmung muss der Vorsitzende Lorenz Wolf den Mitgliedern schriftlich mindestens sechs Wochen Zeit für Kandidatenvorschläge geben, völlig unabhängig von Wilhelms Entschluss. Das Schreiben ist noch nicht verschickt, sagt Wolf. „Ich plane dies − nach Abstimmung mit dem Ältestenrat − demnächst zu tun.»