Medien
dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

Die Zeitungsretter: Belgier sanieren holländische Blätter

Die Niederlande sind ein Zeitungsland. Doch Internet und Rezession wüten wie ein Wirbelsturm. Flämische Verleger lotsen die holländischen Blätter ins digitale Zeitalter.

Amsterdam (dpa) − Die Belgier sind für ihre niederländischen Nachbarn so etwas wie die Ostfriesen für die Deutschen. Immer gut für einen (dummen) Witz. Doch wenn es um Medien geht, ist den Holländern das herablassende Lachen längst vergangen. Denn fast der gesamte niederländische Zeitungsmarkt ist inzwischen in Händen der belgischen Verlage Mediahuis und De Persgroep. 

Erst im Juni übernahm das Mediahuis die Telegraaf Media Groep (TMG). Die Flamen, denen bereits etwa das überregionale NRC Handelsblad und mehrere Regionalzeitungen gehören, hatten sich nach einem erbitterten Kampf gegen den niederländischen Medienmilliardär und „Big Brother“-Erfinder, John de Mol, durchgesetzt.

 

Die Übernahme von TMG mit der notleidenden Boulevardzeitung „De Telegraaf“ als Flaggenschiff ist die „bisher schwerste Aufgabe für Mediahuis“, sagte der Vorstandsvorsitzende Gert Ysebaert.

Mit rund 380 000 Exemplaren ist „De Telegraaf“ das auflagenstärkste Blatt der Niederlande. Doch während andere Zeitungen die Krise langsam hinter sich lassen, befindet sich das Boulevardblatt im freien Fall. Seit 2000 hat es mehr als die Hälfte der Auflage verloren. 2016 büßte es acht Prozent ein, fast doppelt soviel wie durchschnittlich andere Blätter.

 

Seit Ende der 1990er Jahre wütet die Internetrevolution wie ein Sturm im holländischen Zeitungsland. „De Telegraaf“ leidet darunter am stärksten. Informationen, Entertainment oder Sport können die Leser schließlich auch gratis im Internet bekommen. Darauf reagierte die Verlagsgruppe nur langsam. Symptomatisch dafür ist, dass „De Telegraaf“ als letzte überregionale Zeitung des Landes erst 2014 auf das handliche Tabloidformat umstieg. „Die Zeitung muss wieder im Mittelpunkt stehen und eine starke Marke werden“, sagt jetzt der neue Chef.

 

Die flämischen Verleger gelten als leidenschaftliche Zeitungsmacher, aber auch als knallharte Rechner. Sie sparen beim Management, aber investieren in Redaktionen. „Zeitungen, die sich unterscheiden, geht es nun deutlich besser,“ stellte unlängst der Chefredakteur von „NRC Handelsblad“, Peter Vandermeersch, fest. Auch seine liberale Zeitung gehört zum Mediahuis.

 

Erfolgreich ist auch die viel größere flämische Persgroep. Sie ist seit 2009 auf dem niederländischen Markt und übernahm etwa Regionalzeitungen, das „Algemeen Dagblad“ sowie die überregionalen Blätter „Trouw“ und „De Volkskrant“. Auch deren Auflage geht zwar noch immer zurück, doch konnte der starke Fall abgebremst werden.

 

Die große linksliberale Tageszeitung „De Volkskrant“ etwa verlor von 1998 bis 2008 mehr als ein Viertel ihrer Auflage. Allein 2016 wurden drei Prozent weniger Papier-Zeitungen verkauft. Doch das wurde von einem Plus von 23 Prozent bei den digitalen Abonnenten kompensiert.

 

„Volkskrant“-Chefredakteur Philippe Remarque schätzt die Zukunft optimistisch ein: „Gerade durch die Flut an Informationen steigt das Bedürfnis nach gutem Journalismus.“ Die Leser, so Remarque, wollten „Analyse und Deutung.“

 

Genau diesen Weg gehen bereits viele niederländischen Zeitungen. Sie bieten Hintergründe, Kommentare und viel Analyse auch schon auf den Titelseiten. Aktuelle Nachrichten aber finden die Leser vor allem auf der Homepage ihrer Zeitung oder dem Smartphone-App.

 

Die Niederlande sind noch immer ein Zeitungsland: Vier überregionale Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von rund 2,5 Millionen Papier-Exemplaren, das ist stattlich für ein relativ kleines Land mit 17 Millionen Einwohnern. Hinzu kommen noch Regional- und Lokalzeitungen und ein Gratisblatt.

 

95 Prozent der Bürger informieren sich auch noch regelmäßig über traditionelle Medien wie Radio, TV und Zeitungen. Das ergab eine neue Studie des sozialkulturellen Forschungsinstitutes SCP im Juli. Aber der Wechsel zu Online-Medien ist schon gemacht. Elf Prozent, vor allem Jugendliche, informieren sich nur über die kostenlosen Nachrichtenapps.

 

Doch es gibt auch Initiativen, die Leser dazu bringen, für Journalismus zu bezahlen. So macht der Internet-Kiosk Blendle auch international Furore. Nutzer können aus dem kompletten Angebot der niederländischen und auch vieler internationaler Titel auswählen und Artikel zum Stückpreis ab 15 Cent lesen.

 

„Die goldene Lösung im Online-Zeitalter haben wir noch nicht gefunden“, sagt „Volkskrant“-Chefredakteur Remarque. Doch das Interesse an gutem Journalismus nehme nicht ab. „Die Zeitung wird es immer geben.»