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FAZ-Digitalchef Knop: Wir können erspüren, für was sich der Leser begeistert

"FAZ"-Herausgeber Berthold Kohler und Digitalchef Carsten Knop im Interview.

Frankfurt (dpa) − Wie lange wird es die gedruckte Zeitung in Zeiten des digitalen Wandels geben? Der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ), Berthold Kohler, plädiert im dpa-Interview dafür, den Abgesang nicht zu schnell anzustimmen. Der Chefredakteur Digitale Produkte bei der FAZ, Carsten Knop, kündigt zugleich neue Produkte jenseits des Gedruckten an.

 

Frage: Im November wird die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ 70 Jahre alt. Für was steht die Zeitung heute?

 

Antwort Kohler: Die Zeitung folgt seit ihrer Gründung vor 70 Jahren denselben Idealen: Freiheit des Denkens, publizistische Unabhängigkeit und journalistische Qualität.

 

Frage: Wie lange wird es dauern, bis es vielleicht keine gedruckte Zeitung mehr geben wird?

 

Antwort Knop: Das kann man seriös nicht vorhersagen. Das dauert noch sehr lange.

 

Antwort Kohler: Den Abgesang sollte man nicht zu schnell anstimmen. Wir glauben, dass die gedruckte Zeitung noch recht lange Leser finden wird. Ob Rundfunk oder Fernsehen − kein neues Medium hat die schon zuvor existierenden Medien komplett ersetzt oder verdrängt. Wie sich die Marktanteile entwickeln, ob auch dem Internet in der Zukunft ein neuer Konkurrent erwächst, das alles weiß heute niemand zu sagen.

 

Frage: „Recht lange“ − damit meinen Sie Jahrzehnte?

 

Antwort Kohler: Jedenfalls nicht nur Jahre. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass auch die gedruckten Zeitungen weiter gut gemacht werden und nicht nur als Steinbrüche für das digitale Geschäft herhalten müssen. Dann würde ich sie zu den guten alten Dingen rechnen, die trotz oder vielleicht sogar wegen des rasenden Wandels weiter nachgefragt werden. Es soll Unternehmen geben, die mit Klassikern ganz gute Geschäfte machen. Die Entscheidung, wie lange es noch gedruckte Zeitungen geben wird, treffen aber nicht wir, sondern unsere Leser und Käufer. Wir wollen es ihnen so schwer wie möglich machen, auf die Papierausgabe zu verzichten − und so leicht wie möglich, unsere digitalen Angebote zu nutzen.

 

Frage: Wie laufen die digitalen Produkte F+ und E-Paper?

 

Antwort Knop: Zunächst zu F+, das ist die Flatrate für „FAZ.NET“, die dort die Paywall freischaltet, aber noch nicht den Zugriff zur vollständigen Zeitung: F+ haben wir am 9. Oktober des vergangenen Jahres eingeführt. Das Angebot ist ein großer Erfolg, schon mehr als 30 000 Leser begeistern sich dafür.

 

Und der Verkauf des E-Papers wiederum steigt in derselben Zeit in exakt demselben Tempo weiter, mit dem das E-Paper auch schon vor der Einführung von F+ gewachsen ist. Das ist rundum erfreulich. [...] Dieses Abo beinhaltet gleich zwei Darstellungsformen: das klassische E-Paper, das die Zeitung eins zu eins abbildet, und das Produkt, das wir Edition nennen. Das ist eine multimediale Ausgabe, die sich responsiv auf allen Endgeräten so anpasst, dass sie auf großen und kleinen Bildschirmen überzeugend aussieht. Dort werden von unserer Redaktion zum Beispiel auch Videos eingebettet, Hintergrundgeschichten verlinkt, ein tieferes Leseerlebnis ermöglicht. Diese multimediale Ausgabe werden wir auf der „FAZ.NET“-Website − und das ist ein Blick in die Zukunft − künftig auch noch deutlich sichtbarer machen. Dann wird man sie leichter finden, und diese moderne Darstellungsform der klassischen Zeitung wird eine noch sehr viel jüngere Zielgruppe erreichen. Wir sind ganz gespannt, was daraus wird. Das ist unser nächstes Projekt.

 

Frage: Wann startet das Projekt?

 

Antwort Knop: Begonnen hat es schon, die Layouts stehen, die Programmierung läuft. Den Zeitpunkt der Markteinführung würde ich jetzt − da ist man immer auf so hoher See − noch nicht prognostizieren. Aber es ist absehbar.

 

Frage: Was lesen die Leute auf Ihrer Webseite, was zieht am besten?

 

Antwort Knop: Die Stücke, die handwerklich am besten gemacht sind. Der Leser hat dafür ein Gespür. Auch eine starke Meinung läuft gut, das ist ja ohnehin eine besondere journalistische Stärke unseres Hauses. Die Leser erspüren die Qualität schon nach dem Lesen der ersten beiden Absätze, bevor sie an die Paywall stoßen: Hat da jemand wirklich richtig lange recherchiert, hat er sich Mühe gegeben? Hat die Kollegin, die es gemacht hat, oder der Kollege, eine Idee, wo er hin will mit seinem Text? Die Zeitung profitiert davon ebenfalls. Wir haben damit jetzt eine Art Wünschelrute in der Hand, womit wir erspüren können, für was sich der Leser begeistert.

 

Frage: Wollen Sie den Videobereich auch ausbauen?

 

Antwort Knop: Jein. Wir bauen aus − allerdings im Audiogeschäft, und das ist dasselbe Team bei uns. Uns fehlt ja noch ein täglicher Podcast. Der wird in absehbarer Zeit kommen von der FAZ: ein täglicher Nachrichtenmagazin-Podcast. Ein richtiges Geheimnis ist das nicht mehr: Wer in den vergangenen Wochen aufmerksam unsere Stellengesuche gelassen hat, konnte dort zwei Audio-Redakteursstellen finden. Und im gewünschten Profil sind eben auch Video-Kompetenzen eingeschlossen.

 

Frage: Soll der tägliche Nachrichten-Podcast morgens oder abends zur Verfügung stehen?

 

Antwort Knop: Darüber haben wir noch nicht abschließend entschieden.

 

Frage: Nach einem Wechsel im Frühjahr im Team der vier Herausgeber besteht das Gremium erneut komplett aus Männern. Warum ist keine Frau an der Spitze?

 

Antwort Kohler: Die Erwartungshaltung war uns durchaus bekannt. Bei der Entscheidung, wer in das Herausgebergremium aufgenommen wird, spielen mehrere Kriterien eine Rolle. Das Geschlecht ist auch bei der jüngsten Kooptation nicht das ausschlaggebende Merkmal gewesen.

 

ZUR PERSON:

 

Berthold Kohler (57) ist seit 1999 einer der vier Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und ist für den Bereich Politik zuständig. Kohler ist seit 1988 bei der FAZ.

 

Carsten Knop (50) ist seit 2018 Chefredakteur Digitale Produkte bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Zuvor war er dort unter anderem Redakteur für die Wirtschafts- und Unternehmensberichterstattung.