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dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

Nachrichten per WhatsApp − Verlage entdecken die Instant-Messenger

Auf der Suche nach Möglichkeiten, redaktionelle Inhalte zum Leser zu bringen, schlagen Verlage neue Wege ein. Im Blick haben Zeitungen und Magazine vor allem Nutzer von Smartphones. Ihr Ziel: Die Leser überall und mobil zu erreichen. Ihr Werkzeug: Instant-Messenger. Von Valentin Gensch.

Berlin (dpa) - «Hier gibt es günstige Kinderkleidung!“ So beginnt eine Mitteilung, die an einem Samstagmorgen auf Hunderten Smartphones am Bodensee aufpoppt. Verschickt hat sie die „Schwäbische Zeitung“ per WhatsApp, einem Dienst für Kurzmitteilungen. „Heute haben wir einen ganz besonderen Service für Dich: Wir haben eine Übersicht über Basare rund ums Kind erstellt!“. Hinter dem mitgeschickten Link verbergen sich Listen mit Flohmärkten im Verbreitungsgebiet der Tageszeitung. Es ist der Versuch, die Generation Smartphone auf das Internetportal des Blattes zu holen.

 

 

So wie die „Schwäbische Zeitung“ nutzen nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hierzulande bereits gut 30 Zeitungs-Verlage WhatsApp. „Messaging-Dienste sind für Zeitungen eine neue Hoffnung, auf ihre Inhalte aufmerksam zu machen und die Nutzer irgendwann für ein Abo zu gewinnen“, sagt Holger Kansky, Multimedia-Referent beim BDZV.

 

 

Kein Wunder: Denn nach Angaben von Facebook, dem Mutterkonzern von WhatsApp, nutzen jeden Tag gut 32 Millionen Menschen in Deutschland den Dienst. „Die Verlage experimentieren damit“, sagt Kansky. So verzieren manche Redaktionen ihre Mitteilungen zum Beispiel mit Emojis, den kleinen bunten Symbolen, die bei vielen jungen Menschen beliebt sind.

 

Seit dem vergangenen Sommer nutzt die „Schwäbische Zeitung“ den Instant-Messenger zur Verbreitung von Nachrichten. Und das sehr erfolgreich, wie der Leiter der Digitalredaktion, Yannick Dillinger, versichert. Rund 8000 Nutzer hätten den Service abonniert. „Die Leute klicken in großer Zahl auf die Links in unseren WhatsApp-Nachrichten“, sagt er. Besonders gut liefen service-orientierte Inhalte − so wie die Liste mit Flohmärkten.

 

„Die Verlage versuchen, über Messaging-Dienste ein jüngeres Publikum anzusprechen und mit ihren Inhalten zu erreichen“, sagt Kansky vom BDZV. „Natürlich geht es auch darum, Reichweite zu generieren.“ Die Altersspanne der Zielgruppe schätzt er auf 14 bis 35 Jahre.

 

Inzwischen haben auch findige Unternehmer erkannt, was für ein Potenzial Instant-Messenger für die Medienbranche haben könnten. Im vergangenen Jahr boten mehrere Start-ups Anwendungen an, mit denen Redaktionen Nachrichten an registrierte Nutzer versenden konnten.

 

Doch WhatsApp sperrte immer wieder Rufnummern der Absender. Offenbar, weil das automatisierte Versenden von Nachrichten an zahlreiche Nutzer als Spam interpretiert wurde. Mehreren jungen Firmen brach deshalb von einem auf den anderen Tag die Geschäftsgrundlage weg.

 

Ein Grund, warum sich die nach eigenen Angaben drei größten Anbieter für WhatsApp-Services im November 2015 zusammenschlossen und inzwischen unter dem Firmennamen WhatsBroadcast in Augsburg ihre Dienste anbieten. Nach Auskunft ihres Sprechers Franz Buchenberger zählt die Firma inzwischen rund 60 Medienkunden, darunter neben klassischen Zeitungsverlagen auch Internetportale, Radiosender oder TV-Stationen.

 

Nach übereinstimmender Einschätzung mehrerer Brancheninsider ist das Geschäft von WhatsBroadcast derzeit nicht von den Nutzungsbedingungen von WhatsApp abgedeckt. Die Firma nutze eine Grauzone aus, sagen sie. Buchenberger entgegnet, der Instant-Messenger werde sich künftig für Unternehmen öffnen.

 

Er spielt auf eine Ankündigung von WhatsApp-Chef Jan Koum Anfang des Jahres an, wonach die Facebook-Tochter künftig mit der Kommunikation zwischen Unternehmen und Verbrauchern Geld verdienen soll. Details dazu waren von WhatsApp noch nicht zu erfahren. Ob die massenhafte Verbreitung von Nachrichten durch Redaktionen zugelassen wird, ist also unklar.

 

WhatsApp ist nicht der einzige Messenger, den deutsche Verlage nutzen. News verschickt werden inzwischen auch über Apps wie Telegram, SIMSme, einen Dienst der Deutschen Post, oder den Facebook-Messenger. Auf die Kurzmitteilungs-App des weltgrößten Online-Netzwerks hat sich das Berliner Startup Spectrm spezialisiert. Es verbreitet News für Portale wie Bild.de, Golem.de oder Bento von Spiegel Online.

 

Vom Nachrichtenversand per Instant-Messenger wieder abgerückt ist die „Badische Zeitung“ in Freiburg. Etwa fünf Monate lang hatte die Redaktion im vergangenen Jahr WhatsApp ausprobiert − bis die Nummer zum Versenden gesperrt wurde. Der Verlag wolle den Markt zunächst beobachten, sagt Online-Chef Markus Hofmann. „Für uns ist einfach nicht klar, welchen seiner Messenger Facebook für den Business-Bereich forciert“. Hofmann setzt auf die hauseigene App: „Wir erreichen mit unserer App deutlich mehr Menschen, als wir mit Push-Nachrichten per WhatsApp jemals erreicht hätten."

 

Valentin Gensch