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dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

„Nuntii Latini“: Nachrichten auf Latein bei Radio Bremen

«Radio Cicero“ nannte die „FAZ“ das Latein-Redaktionsteam von Radio Bremen. Ein Ehrenname. Ende 2017 wurden die Lateinnachrichten ad acta gelegt. Aber: Totgesagte leben länger. Sie sind wieder da.

Bremen (dpa) − „Es ist 00.00 Uhr. Bremen Zwei. Die Nachrichten auf Latein.“ Seit November funkt der Kultursender von Radio Bremen wieder Nachrichten aus Bremen, Deutschland und der Welt in lateinischer Sprache. Etwa viereinhalb Minuten, immer am letzten Tag des Monats um Mitternacht. Erst im Dezember 2017 hatte das ehrenamtliche Team die „Nuntii Latini“ aus Zeitmangel und Altersgründen nach 16 Jahren eingestellt. Die Enttäuschung der in aller Welt verstreuten Hörerschaft war groß. „Latein gehört zur DNA der abendländischen Kultur und ist eine unserer Wurzeln“, begründet Bremen-Zwei- Programmchef Karsten Binder die Entscheidung, dass es bei Radio Bremen («Radiophonia Bremensis») wieder Lateinnachrichten gibt.

 

Im Gegensatz zu den Ausgaben bis Ende 2017 gehen die neuen seit November tatsächlich „on-air“, wenn auch zur späten Stunde. „Das ist das wirklich Neue“, so Binder. Auch in der ARD-Audiothek sind sie nachzuhören. Die Stimme der Lateinnachrichten ist Nicole Ritterbusch. „Ich spreche sehr langsam, damit ich da unfallfrei durchkomme“, sagt die Bremen-Zwei-Redakteurin, die das große Latinum hat. Die Sendung wird vor der Ausstrahlung im Studio aufgezeichnet. Viereinhalb Minuten live auf Latein − das wäre auch für Ritterbusch eine Herausforderung.

 

Ganz allein ist Radio Bremen mit seinem Angebot nicht. Vatikan News − ehemals Radio Vatikan − gehört dazu. Immerhin ist die Amtssprache im Vatikan Latein. Allerdings fällt bei Vatican News derzeit der Audio- Service aus personellen Gründen aus. Der öffentlich-rechtliche finnische Sender YLE Radio 1 bringt seit 1989 Nachrichten auf Latein und das einmal die Woche. Es ist damit weltweit das am längsten bestehende Nachrichtenprogramm in lateinischer Sprache, das regelmäßig gesendet wird. Die Latein-Hörerschaft ist dank Internet und Live-Streams international. „Es gibt wohl so etwas wie eine Sehnsucht nach Latein als Universalsprache“, bemerkt Stephan Cartier, der Leiter der Kulturabteilung bei Bremen Zwei.

 

In den Kirchen lebt Latein ohnedies weltweit im Alltag und den Gottesdiensten weiter. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. gilt als großer Lateiner. Seine Rücktrittserklärung verlas er im Februar 2013 auf Latein. Sechs Jahre zuvor hatte Benedikt zudem in einem apostolischen Schreiben («Motu proprio») den Gebrauch der außerordentlichen Form des römischen Ritus in der Messe gestärkt. Die sogenannte „Alte Messe“ ist bis auf die Predigt auf Latein. Ebenso die gregorianischen Gesänge.

 

Als elitäre Sprache will Eltje Böttcher Latein aber nicht verstanden wissen und und schon gar nicht als geheimnisvolle Zaubersprache. „Ich finde es schade, wenn das so gesehen wird, weil es verklärend wirkt. Latein ist einfach nur eine Sprache“, sagte die Lehrbeauftragte für Latein an der Leibniz Universität Hannover. Befremdlich ist für sie auch, wenn Menschen sich Schriftzüge auf Latein auf den Körper tätowieren lassen. „Warum nicht auf Englisch oder Deutsch, wenn es einem so wichtig ist?“

 

Wer die Latein-Nachrichten auf Radio Bremen nicht versteht, findet auf der Web-Seite die deutsche Übersetzung. „Praefectus Urbis Bremensis“ ist relativ leicht als Bremens Bürgermeister zu identifizieren und auch „facebook“ könnte sich aus „faciei libro scripsit“ erschließen. Anglizismen − englische Ausdrücke wie Computer oder Smartphone − können durchaus übernommen werden, erklärt Gymnasiallehrerin Berit Wenderhold, die zum Bremer Übersetzer- und Redaktionsteam gehört. „App“ hat sie kürzlich als „apparatus digitalis“ übersetzt, obwohl „App“ eher eine Anwendung meine. „Wir müssen sehen, ob es dabei bleibt“, sagt Wenderhold, die Latein, Musik und Religion unterrichtet.

 

Bei der Aussprache orientieren sich die Bremer Lateiner an einem Ideal. „An dem Latein, wie es im ersten Jahrhundert vor Christus ausgesprochen wurde, das sogenannte klassische Latein zur Zeit Ciceros und auch Caesars“, so Wenderhold.

 

Auch wenn Radio Bremen mit seinem Latein nicht am Ende ist, dürfte der Mitternachts-Sendeplatz wohl nicht in eine „Primetime“ verschoben werden. „Würden wir die Nuntii Latini um 10.00 Uhr vormittags senden, wären vermutlich 97 Prozent unserer Hörer ausgeschlossen. Das geht natürlich nicht“, so Bremen-Zwei-Programmchef Binder. Die nächste Ausgabe müsste eigentlich am letzten Dezembertag laufen, also am Silvesterabend um 0.00 Uhr. „Das haben wir uns dann doch nicht getraut“, räumt Binder ein. Deswegen sind die Nuntii Latini bei Bremen Zwei erst am 1. Januar 2019 um Mitternacht wieder zu hören.

 

Von Helmut Reuter, dpa