Multimedia
Newsroom – Henning Kornfeld

Online: Redaktionen sollten sich auf nur 5 Prozent der Nutzer konzentrieren

Online: Redaktionen sollten sich auf nur 5 Prozent der Nutzer konzentrieren Christoph Mayer (Foto: Schickler)

13 regionale Zeitungsverlage analysieren, was den Verkauf von Digitalabos voranbringt. Wie der neue Ansatz, Digitalleser auf Dauer zu gewinnen, funktioniert, erklärt unter anderem Christoph Mayer.

Berlin – 13 regionale Zeitungsverlage analysieren in einem einzigartigen Daten-Projekt gemeinsam mit dpa und Schickler, was den Verkauf von Digitalabos voranbringt. Die wichtigsten Erkenntnisse zeigt die aktuelle Titelgeschichte aus „kress pro“

 

1. Was ist der wichtigste Hebel, um Digitalabos zu gewinnen und zu halten?

Das Drive-Mantra lautet so: Wer im Geschäft mit Digitalabos erfolgreich sein will, muss sich auf die „Media Time“ der Nutzer als entscheidende Zielgröße konzentrieren und bestrebt sein, sie zu erhöhen. Unter diesem Begriff wird bei Drive die kumulierte Zeit verstanden, die eine Person in einer Woche auf einer Website oder in einer App verbracht hat, wobei auch die Zahl ihrer Besuche berücksichtigt ist. Die Kennzahl drückt aus, welche Relevanz ein Nutzer einer News-Site oder -App beimisst.

 

„Mehr Media-Time bedeutet eine höhere Conversion-Wahrscheinlichkeit und eine geringere Churn-Wahrscheinlichkeit“, sagt Christoph Mayer, Schickler-Partner sowie Leiter des Geschäftsbereichs Data Science und Künstliche Intelligenz. Empirisch lässt sich das mit den Drive-Daten gut belegen: Eine um zehn Minuten höhere Nutzungszeit pro Woche kann zum Beispiel eine 130-fach höhere Wahrscheinlichkeit für einen Abo-Abschluss bedeuten und die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung um die Hälfte reduzieren, so ein Befund.

 

Loyale Nutzer, die ein Digitalangebot häufig und lange besuchen, schließen eher ein Abo ab und bleiben dann länger bei der Stange. Dieser Zusammenhang mag zunächst banal klingen, doch in der redaktionellen Praxis orientieren sich Newsrooms oft an anderen Kernmetriken, etwa an den Conversions, also der bloßen Zahl neu akquirierter Abos. Mayer und Co. raten von einem Fokus darauf dringend ab: „Abos sind nur haltbar, wenn Kunden schon eine gewisse Loyalität haben“, sagt er.

 

„Wenn Nutzer ins Abo gedrängt werden, die keine Loyalität haben, dann kündigen sie schnell wieder.“ Das sei der Hauptgrund für die hohen Churn-Raten der meisten Verlage.

 

Innerhalb des Drive-Projekts sind alle Daten transparent, die Verlage können ihre Werte mit denen anderer Häuser vergleichen. Bei der Media-Time hat die Analyse denn auch erhebliche Unterschiede ergeben, sei es bei der Zeit pro Artikel, Session oder je 100.000 Einwohner.

 

2. Wie intensiv werden die Digitalangebote regionaler Zeitungsverlage genutzt?

Wie viel Media-Time verwenden die Leser heute auf die Digitalangebote regionaler Zeitungsverlage, welche Gruppen von Nutzern lassen sich unterscheiden, wie interessant sind sie jeweils für die Verlage und wie sind sie am besten erreichbar? Um solche Fragen beantworten zu können, haben die Drive-Macher sechs Nutzer segmente definiert und vermessen, die sich im Hinblick auf die Häufigkeit und die Dauer der Nutzung unterscheiden.

 

Die Pole bilden die „Champions“ und die „Non-engaged“-User. Unter „Champions“ werden diejenigen verstanden, die pro Woche mindestens dreimal auf einer Website aktiv sind und sie mindestens 20 Minuten lang nutzen. „Non-engaged“-Nutzer haben hingegen nur eine Media-Time unter einer halben Minute.

 

Was die Größe der sechs Gruppen angeht, gibt es einen für regionale Verlage unerfreulichen Befund: Etwa 95 Prozent ihrer Nutzer sind„ non-engaged“ und „Flybys“ (Media-Time unter zwei Minuten pro Woche). Mayer rät den Verlagen, sich auf die übrigen 5 Prozent mit den „Champions“ als attraktivster Teilgruppe zu konzentrieren, weil sie mit viel größerer Wahrscheinlichkeit Abonnenten werden und bleiben.

 

Verlage, die in ihren Steuerungsinstrumenten diesen Sachverhalt nicht berücksichtigen, können in die Irre gehen: Artikel, die vor allem bei den 95 Prozent Zufallsnutzern Anklang finden, erscheinen gemäß ihrem Artikel-Score dann womöglich wertvoller, als sie es tatsächlich sind.

 

Das Verhalten von Nutzern aus unterschiedlichen Segmenten wird bei Drive in vielerlei Hinsicht vergleichend analysiert. Es zeigt sich zum Beispiel, dass die loyalste Gruppe, die „Champions“, im Tagesverlauf eher früh auf die Site kommt und die nichtloyalen eher spät. Für Redaktionen könnte das ein Anlass sein, über spezifische Angebote für einzelne Segmente zu den passenden Uhrzeiten nachzudenken.

 

Acht weitere Erkenntnisse aus den Datenanalysen finden Sie in der aktuellen „kress pro“-Ausgabe.