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Blogger mit Botschaft: Ruhrbarone feiern fünfjähriges Bestehen

Können Journalisten von Blogs leben? Angesichts der Entwicklungen nicht nur bei den Tageszeitungen überlegen sich viele Medienmacher, wie sie in Zukunft eigentlich ihr Geld verdienen. Zumindest journalistisch erfolgreich ist das von einigen Journalisten ins Leben gerufene Blog „Ruhrbarone“, das jetzt seinen fünften Geburtstag feiert.

Bochum – Mann der ersten Stunde ist Stefan Laurin. Gemeinsam mit David Schraven, Christoph Schurian und Ulrike Traub hat er vor fünf Jahren das Journalistenblog ins Leben gerufen. Im Interview mit NEWSROOM spricht der freie Journalist über die Zukunft von Blogs und welche Möglichkeiten sie Journalisten geben. Journalisten, die sich an eigenen Blogs probieren möchten, empfiehlt Stefan Laurin: „Blogs sind keine klassischen Zeitungen – sie leben vom Dialog mit den Lesern und anderen Bloggern.“

NEWSROOM: Deutschlands Tageszeitungen entlassen Redakteure, setzen langgediente und exzellente Journalisten vor die Tür, Jobs in Festanstellung sind rar. Warum würden Sie den Kollegen empfehlen, sich mit einem eigenen Blog selbstständig zu machen?


Stefan Laurin: Weil Journalismus und Schreiben mehr ist als ein Job, es ist eine Tätigkeit, die in Richtung Berufung geht. Man kann selbstbestimmt arbeiten und sich seine Themen selbst suchen. Für alle die ihren Job verloren haben und einen neuen suchen, bietet ein Blog die Möglichkeit, einfach weiterhin zu arbeiten – wenn auch ohne Geld. So kann man auf sich aufmerksam machen, bleibt aber auch an seinen Themen ran. Eines der besten politischen Blogs in Deutschland wird übrigens von einem Kollegen gemacht, der längst in Pension ist, aber noch immer Lust am Journalismus hat: Post von Horn von Ulrich Horn.


NEWSROOM: Welche Anfangsfehler sollten Journalisten, die Blogger werden wollen, vermeiden? Welche Tipps können Sie geben?


Stefan Laurin: Nicht so viele Hemmungen zu haben, viel zu verlinken und meinungsstark zu schreiben. Blogs sind keine klassischen Zeitungen – sie leben vom Dialog mit den Lesern und anderen Bloggern.


NEWSROOM: Sie verantworten seit fünf Jahren Ruhrbarone.de. Welche Themen werden besonders gerne gelesen?


Stefan Laurin: Alles was gerade ein aktuelles Thema ist: Das können regionalpolitische Ereignisse sein, aber auch Themen wie Rechtsradikalismus oder Religion. Gut laufen alle Themen, die zu Diskussionen führen. Blogs sind Diskurs-Medien.


NEWSROOM: Trägt sich das Angebot?


Stefan Laurin: Über Werbung finanzieren wir unsere laufenden Kosten, ein oder zwei Partys im Jahr und ab und an die Kosten für ein neues Design. Geld verdienen tun wir leider nicht, niemand von uns bekommt ein Honorar.


NEWSROOM: Sie geben zwei Mal im Jahr das Printding heraus, eine Zeitschrift mit den besten Geschichten der Ruhrbarone. Verlag ist der Ruhrgebietsverlag Klartext, eine Tochter der WAZ. Könnten Sie sich vorstellen, dass ein Verlag einmal als Herausgeber und Finanzier ganz bei den Ruhrbaronen einsteigt?


Stefan Laurin: Das Heft und das Blog haben wir im Frühjahr getrennt. Wir bleiben befreundete Projekte, aber die Arbeitswiesen und die Setzung der Prioritäten waren so unterschiedlich, dass es keinen Sinn mehr machte, beides aus einer Hand anzubieten. Und klar, wenn ein Verlag sich beteiligen möchte, hätten wir nicht prinzipiell etwas dagegen. Es wäre eine Frage wie so etwas aussehen könnte und wie die gegenseitigen Erwartungshaltungen sind. Aber bislang hat noch niemand angerufen.

 

Wer sich derzeit aktiv bei den Ruhrbaronen einbringt: Stefan Laurin, Andreas Lichte, Annina Luzie Schmid, Arnold Voss, Bastian Puetter, Bastian Schlange, Chantal Stauder, Claudia Bender, Daniel Drepper, Frederik Goerges, Georg Kontekakis, Gerd Herholz, Helena Kaschel, Ingeborch Schubiak, Jan Keitsch, Janina Kraack, Martin Boettger, Martin Kaysh, Martin Niewendick, Michael Blatt, Michael Kolb, Michael Voregger, Nadia Shehadeh, Nina Ryschawy, Patrick Joswig, Sabine Michalak, Tommy Finke, Uli Radespiel und Robin Patzwaldt. Wen die Ruhrbarone bereits als Gastautoren gewinnen konnten: Kai Schmalenbach (Piraten MdL NRW), Ulrike Märkel (Ratsfrau. Grüne Dortmund), Patrick Gensing und Andrej Reisng (Publikative), Marco Buschmann (MdB, FDP), Ramona Ambs, Jürgen Klute (Die Linke, MdeP), Michael Townsend (Kulturdezernent Bochum), Thomas Eiskirch (MdL, SPD), Hannelore Kraft (Damals MdL, SPD),  Christoph M. Schmidt, Präsident (RWI-Essen und Wirtschaftsweiser), Uwe Knüpfer (ehemaliger Chefredakteur "Westdeutsche Allgemeine Zeitung", "Vorwärts"), Ulrich Sahm, Oliver Wittke (MdL, CDU), Sven Lehmann (Landesvorsitzender Grüne NRW), Jürgen Großmann (damals noch RWE-Vorstandsvorsitzender), Manuel Frondel (Energieexperte, RWI-Essen), Petra Engelke, Ludger Claßen, Klaus Prange, Bärbel Höhn (Grüne), Franz-Josef Laumann (CDU) oder Walter Krämer (Statistikprofessor).

 

Werden ernst genommen

NEWSROOM: Werden Sie als Blogger von potenziellen Gesprächspartnern ernst genommen oder profitieren Sie davon, dass Sie auch für eine große überregionale Sonntagszeitung regelmäßig schreiben?


Stefan Laurin: Alle von uns werden als Gesprächspartner ernst genommen, egal ob sie noch für andere Medien arbeiten oder nicht. Das haben wir uns alle zusammen erarbeitet – und davon profitieren wir jetzt auch alle bei der gemeinsamen Arbeit.


NEWSROOM: Mit welchen Schwierigkeiten müssen Sie als Ruhrbaron regelmäßig umgehen?


Stefan Laurin: Ich hatte durch das Blog noch nie ein Problem, im Gegenteil: Ich habe über das Blog sehr viele Menschen kennengelernt und es macht immer noch sehr viel Spaß, bei den Ruhrbaronen mitzumachen.


NEWSROOM: Wie hat sich das Angebot der Ruhrbarone in den vergangenen Jahren verändert?


Stefan Laurin: Es ist überraschender geworden. Gerade in diesem Jahr sind viele, auch jüngere Autoren und Autorinnen zu den Ruhrbaronen gestoßen, die neue Themen mitgebracht haben. Ich hoffe, wir wandeln uns auch in Zukunft weiterhin. Nichts wäre schlimmer als Stillstand.

Bis zu 20 Prozent der Kommentare müssen gelöscht werden

NEWSROOM: Sie lassen die Leser unter die Artikel kommentieren. Wie viele Beiträge müssen Sie löschen? Wie viele Kommentare bringen einen Mehrwert?


Stefan Laurin: Wir löschen zehn, 20 Prozent aller eingehenden Kommentare. Die anderen tragen zu einer Diskussionsatmosphäre bei, auf die wir sehr stolz sind. Das mit dem Mehrwert muss jeder für sich selbst entscheiden, aber ich habe schon von vielen Kommentatoren neue Ideen bekommen und viel gelernt.


NEWSROOM: Die Verlage kämpfen aktuell vor allem gegen Google, haben das Leistungsschutzrecht auf die Agenda der Berliner Politik gesetzt. Schadet das Gefunden-Werden über Google den Verlagen tatsächlich? Sollte Google den Verlagen Geld bezahlen?

Stefan Laurin: Die Verlage und auch die Blogs sollten stärker an den Einnahmen beteiligt werden, die im Internet erzielt werden. Wenn ich mir anschaue, dass wir bei knapp unter eine Million Pageviews im Monat 40 bis 50 Euro von Google bekommen, ist mir klar, dass ich mich nicht an der Google-Kampagne gegen das Leistungsschutzrecht beteiligen werde, zumal es keine Nachteile mehr für Blogs hat. Das gefunden werden schadet den Verlagen natürlich nicht, aber sie haben auch nicht allzu viel davon: Die meisten Online-Angebote sind defizitär und die die es nicht sind, sind es, weil sie mit aufwendig recherchierten Texten aus den normalen Redaktionen inhaltlich quersubventioniert werden.


NEWSROOM: Wie sieht es bei den Ruhrbaronen aus, wie viele Nutzer kommen über die Suchmaschinen?

Stefan Laurin: Ungefähr die Hälfte kommt über Google. Twitter und Facebook wird für uns allerdings immer wichtiger. Der Anteil der Leser die über Google kommen sinkt.

Ruhrbarone vor allem in Berlin beliebt

NEWSROOM: Und wo genau sind Ihre Leser zu Hause?


Stefan Laurin: Die Stadt mit den meisten Ruhrbarone-Lesern ist Berlin, dann kommen die großen Ruhrgebietsstädte wir Dortmund, Essen und Bochum, Düsseldorf, Köln und Hamburg. In Bayern und Baden-Württemberg sind wir eher schwach in Franken geht es schon wieder.

NEWSROOM: Was waren so die Sternstunden der Ruhrbarone in den vergangenen Jahren?

Stefan Laurin: Der Skandal um Silvana Koch-Mehrin, wir haben ein Hakenkreuzflugblatt auf dem Server die Linkspartei in Duisburg entdeckt, aufwendige Live-Ticker, die Aufklärung und Diskussionen die wir rund um Themen wie Freiheitsabbau, Waldorf und Esoterik betreiben  und anstoßen - da gab es vieles, auf das wir stolz sind,


NEWSROOM: Und bei welchen Beiträgen hätten sie besser anders kommentiert?


Stefan Laurin: Eigentlich nichts. Wir segeln immer hart am Wind, dass es da mal kracht gehört dazu und ist auch nicht schlimm. Wir teilen aus also müssen wir auch mal einstecken.


NEWSROOM: Die Ruhrbarone in fünf Jahren - wo werden Sie da stehen?


Stefan Laurin: Ich hoffe ich werde sitzen – vor einem Mac und mit einer guten Geschichte im Kopf. 

Mit Stefan Laurin von den Ruhrbaronen sprach NEWSROOM-Chefredakteur Bülend Ürük.

NEWSROOM-Tipp: Fünf Jahr Ruhrbarone – Zeit für eine große Party. An diesem Samstag, 8. Dezember 2012, wird ab 20 Uhr im Zacher, Brüderstraße 6, im Bermudadreieck Bochum gefeiert.