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Herzenssache Sport: Wie sehr dürfen sich Journalisten in Vereinsangelegenheiten einmischen?

Der Sportchef der „Siegener Zeitung“ wird nicht mehr über die vereinspolitische Entwicklung beim wichtigsten Sportverein im Heimatmarkt der Traditionszeitung berichten. Von Stefan Laurin.

Siegen - Das bestätigte Dieter Sobotka, Chefredakteur der „Siegener Zeitung“, auf Anfrage von Newsroom.de. Grund sind Vorwürfe des früheren Fußball-Zweitligisten Sportfreunde Siegen, die dem erfahrenen Sportjournalisten und stellvertretenden Chefredakteur der „Siegener Zeitung“ Jost-Rainer Georg „tendenziöse Berichterstattung“ vorwerfen.

Die ganze Geschichte

 


Auflagenstärkste Tageszeitung im Heimatmarkt - die erste Ausgabe der "Siegener Zeitung" erschien bereits am 10. Januar 1823. 

 

 

Beim ehemaligen Zweitligisten Sportfreunde Siegen hängt der Haussegen schief. Über den richtigen Weg in die Zukunft wird gestritten.

Für die „Siegener Zeitung“ sind die Diskussionen ein wichtiges Thema.

Nun wirft der Verein dem Sportchef der Zeitung vor, mehr als ein journalistischer Berichterstatter zu sein, sondern aktiv in die Belange des Vereins eingegriffen zu haben.

Für Fußballvereine wie Sportfreunde Siegen ist dass Leben im Schatten von Bundesliga und Champions League nicht leicht.

Der ehemalige Zweitligist, der heute in der Regionalliga West spielt, sucht nach Geldgebern und Sponsoren und auch die Erteilung einer Lizenz durch den DFB ist immer wieder ein kritisches Thema, das die Fans aufregt. Spannende Zeiten, auch für die „Siegener Zeitung“, die bedeutendste Zeitung im Siegerland.

Für sie sind die Sportfreunde ein wichtiges Thema, egal ob es um den sportlichen Erfolg oder wirtschaftliche und vereinspolitische Debatten geht.

Nah dran an den Sportfreunden ist seit Jahren Jost-Rainer Georg, der Sportchef und stellvertretende Chefredakteur der "Siegener Zeitung".

Erst am vergangenen Mittwoch berichtete er unter der Überschrift „Kritik an Sportfreunde-Vorstand“ ausführlich über die Vorwürfe einen vereinsinternen Oppositionsgruppe und deren Plan, auf der Hauptversammlung den Vorstand vorzeitig wegen des „besorgniserregenden Zustandes der Vereinsführung“ abzuwählen, was im Vorfeld der Versammlung an einem Beschluss des Ältestenrats der Sportfreunde scheiterte.

Georg zitierte in seinem Artikel interne Papiere des Vereins und erweckt Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ältestenrats-Beschlusses:

„Dieses Gremium, dem laut Satzung eine schier übergroße Verantwortung obliegt, hatte den Antrag jedoch abgelehnt und einen eigenen Antrag anderen Inhalts gestellt (SZ berichtete). Besonders pikant: Aus dem Ablehnungsschreiben des Ältestenrates, das der SZ vorliegt, geht hervor, dass der Vorstand sich bei seinem eigenen Anwalt Uli Kipping schlau machte und dieser die Begründung des Antrags für rechtlich korrekt hielt, dessen Ablehnung hingegen problematisch sah. Genau dieser kritische Passus aber wurde aus dem Brief des Ältestenrates „herausgeschnitten“ und sowohl den Antragstellern als auch den Medien vorenthalten.“

Nur einen Tag nach Erscheinen des Artikels reagierte der Verein mit einer Pressemitteilung auf Georgs vermeintliche Enthüllungsgeschichte.

Georg, schrieben die Sportfreunde Siegen, sei nicht nur kritischer Journalist, sondern Teil der Vereins-Opposition: „Diesen Schluss lassen heute Morgen in der Geschäftsstelle sicher gestellte E-Mails zu, aus denen hervorgeht, dass Jost-Rainer Georg den Antrag an den Ältestenrat mit formuliert hat und durch Änderungen des Wortlauts bewusst Spuren zu seiner eigenen Person verwischt hat. Außerdem deuten die Formulierungen innerhalb dieser E-Mails darauf hin, dass sich Georg mit der Gruppe der Opposition mindestens identifiziert.“ Das Verhalten von George sei nicht tolerierbar und eine „beispiellose Verletzung der journalistischen Unabhängigkeit.“ Die „tendenziöse Berichterstattung von Jost-Rainer Georg innerhalb der Siegener Zeitung in den vergangenen Wochen“ erscheine nun in einem neuen Licht.

Nach Angaben eines Sprechers der Sportfreunde, hielt sich die von Georg beschriebene Opposition auf der Jahreshauptversammlung zurück: „Es gab am Donnerstag keine Komplikationen, die Opposition hat sich nicht zu Wort gemeldet und der durch den Ältestenrat abgelehnte Antrag wurde nicht erneut gestellt. Die Vorstandswahlen werden wie geplant erst Mai 2015 stattfinden.“

Der Vorwurf, Georg hätte seine Stellung genutzt, um seine eigene Vereinspolitik zu fördern, wiegt besonders schwer, weil die „Siegener Zeitung“ Marktführer in der Stadt ist. Die „Westfälische Rundschau“ (WR) hat seit fast zwei Jahren keine eigene Redaktion mehr, die „Westfalenpost“, die wie die WR zur Funke Mediengruppe gehört, ist deutlich kleiner. An Georg und der „Siegener Zeitung“ führt kein Weg vorbei.

 

Entschuldigung angenommen: Wie die Sportfreunde Siegen noch am Montag mitteilten, hat sich Jost-Rainer Georg, Sportchef und stellvertretender Chefredakteur der "Siegener Zeitung" , bei einem Gespräch mit dem Vorstand des Fußballvereins entschuldigt. Der Sportfreunde-Vorstand habe die Entschuldigung "vollumfänglich" akzeptiert. Laut Verein sagte Jost-Rainer Georg im Beisein von „SZ“-Chefredakteur Dieter Sobotka: "So wie ich es in der Berichterstattung gemacht habe, war es nicht richtig. Es steht mir nicht zu, mich in Dinge beratend einzuschalten, über die ich berichte. Das war ein Fehler, für den ich mich entschuldige." B.Ü.

 

Auf Anfrage von Newsroom bestätigt Dieter Sobotka, Chefredakteur der „Siegener Zeitung“, die Vorwürfe gegen Georg teilweise: „Als verantwortlicher Leiter des Sport-Ressorts liegt Herrn Georg das Wohl des Vereins seit vielen Jahren besonders am Herzen, und er hat sich nach dem Ausscheiden eines Hauptsponsors immer wieder auch publizistisch bemüht, den Stellenwert der „Sportfreunde“ in der Region herauszustellen und sich für den Verein zu engagieren. In diesem Bemühen ist Herr Georg über das Ziel hinausgeschossen, indem er Personen Rat gegeben hat, die in einer vereinsinternen Auseinandersetzung  „Partei“ sind. Ob er selbst „Partei“ war, wird unterschiedlich beurteilt. Fest steht, dass er sich als „Partei“ für den Verein „Sportfreunde Siegen“ verstanden hat.“

Für Dr. Mark Ludwig vom Institut für Kommunikations- und Medienforschung der Sporthochschule Köln ist der Vorwurf mangelnder Distanz zum Objekt ihrer Berichterstattung bei Sportjournalisten nichts Neues: „Es gibt in einigen Fällen eine besondere Nähe zwischen Spieler, Verein und Journalist. Viele Sportjournalisten sind Spezialisten, die zum Teil seit Jahren über den selben Verein berichten.“

Vorwürfe, wie sie die Sportfreunde Siegen Jost-Rainer Georg machen, sind Ludwig von anderen Vereinen jedoch nicht bekannt.

Ohnehin habe die Sensibilität im Sportjournalismus gegenüber einer zu großen Nähe zum Verein zugenommen: “In vielen Redaktionen ist es heute nicht mehr üblich, das Sportler und Journalisten sich vor der Kamera duzen. Die Zeiten, in denen Waldemar Hartmann und Rudi Völler im Studio bei einem Weizenbier gemeinsam ein Spiel besprochen haben, sind vorbei. Das Bild vom Sportreporter, der nicht mehr ist als ein Fan, der über den Zaun gesprungen ist, trifft schon lange nicht mehr zu."

Künftig wird dies auch für die "Siegener Zeitung" zutreffen: Nach einem Gespräch mit Georg, sagt Chefredakteur Sobotka zu Newsroom.de, habe man sich darauf verständigt, dass „er die Berichterstattung über die vereinspolitische Entwicklung bei den „Sportfreunden“ in andere Hände legt.“ 

Stefan Laurin