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Journalistik-Professor Mark Deuze: „In die Redaktionen ist Individualität eingezogen“ - Medien müssen Gefühle der Journalisten ernst nehmen

Wer seine Redaktion erreichen und für einen Umbruch sensibilisieren möchte, darf die Gefühle der Journalisten nicht ignorieren. Von Bülend Ürük.

 

Amsterdam - Beim Auftakt der 13. Internationalen Newsroom-Tagung des Weltverbandes der Tageszeitungen in Amsterdam betonte der niederländische Journalistik-Professor Mark Deuze, dass nur mit der Frage, wie sie ihr Arbeitsumfeld einschätzen, was sie denken, was sie fühlen, Journalisten die Umbrüche in der Redaktion mitmachen. Wer die Journalisten nicht einbindet, wird sie nur schlecht für neue Wege überzeugen.

Gerade weil es in den Redaktionen keine Sicherheiten mehr gebe, unbefristete Stellen verschwinden würden und ersetzt mit Zeitverträgen ersetzt werden, sinke das Interesse im Team, sich auch am Umbau der Redaktion zu beteiligen, warnte Mark Deuze.

 

Lustiges Spielzeug leistet sich @Torino_LaStampa: den @webcar_lastampa. Sehen Sie selbst: http://t.co/aPjSjNBAFh #Newsroom14 #WPE14

— Peter Jost (@Peter_Jost) 13. Oktober 2014

Für Deuze gibt es längst nicht mehr den einen Redakteur bei der Zeitung, der sich komplett seinem Blatt verschrieben hat: „Individualität ist in die Redaktionen eingezogen, jeder kämpft gegen den anderen, um seine eigene Marke.“ Deshalb sei es wichtig, nicht über die Firma nachzudenken, sondern über die Menschen, die die Firma ausmachen. „Journalismus wird auf jeden Fall überleben, ob es die Unternehmen noch in zehn Jahren geben wird, da bin ich mir nicht sicher“, so Deuze.

Wie ein Newsroom erfolgreich umgebaut werden kann, um den Bedürfnissen der digitalen Zeit gerecht zu werden, hat in Deutschland wohl keine Redaktion wie die der „Welt“ vorgemacht. Der neue Newsroom mit der als „Auge“ titulierten Zentrale im Mittelpunkt, ruhige Orte, wo Autoren ihren Gedanken freien Lauf lassen können und das klare Wissen, nicht mehr einzig für die Zeitung am nächsten Tag, sondern für die verschiedenen Kanäle zu produzieren, machen die „Welt“ Vorbild auch auf internationaler Ebene.

Da ist zum Beispiel die italienische „La Stampa“. Die Traditionszeitung aus Turin, die sich im Besitz des Automobilherstellers Fiat befindet, hat nicht nur ein neues Gebäude errichtet für die digitalen Bedürfnisse, sie holt sich auch immer wieder Experten, Designer, Entwickler für teilweise nur wenige Monate in die Redaktion.

Digital-Chef Marco Bardazzi erklärte diese Entscheidung in Amsterdam damit, dass so die verschiedenen Welten - die eher traditionelle Zeitungswelt und die digitale - sich besser finden können. Bardazzi sagte, dass vor dem Neubau der Zeitungs- und Digital-Verantwortliche 300 Meter weit entfernt voneinander gesessen hätten. Dass gehöre endlich der Vergangenheit an, räumliche Nähe sei wichtig. Im Onlineangebot stellt die italienische Zeitung ganz massiv eigene Beiträge in den Mittelpunkt. „La Stampa“ verzichtet darauf, alles zu verwenden, was die Nachrichtenagenturen anbieten.Das italienische Medienhaus - und das sorgte in Amsterdam nicht nur unter den deutschen Journalisten für Erstaunen - ist sogar mit Google eine Partnerschaft eingegangen: „Google kann der Feind sein, oder ein Unternehmen, mit dem man zusammenarbeitet“, so Marco Bardazzi lapidar.

Für Begeisterung sorgte auch das "Webcar" von "La Stampa", vom dem aus direkt live von Veranstaltungen gesendet werden kann.

Bülend Ürük