Politik
Michael Konken, Vorsitzender Deutscher Journalisten-Verband

Michael Konken: "Journalist zu sein, heißt auch im DJV zu sein"

Michael Konken: "Journalist zu sein, heißt auch im DJV zu sein" Michael Konken bei seiner Abschiedsrede am Sonntag in Fulda. Foto: Volker Warkentin

Klar Stellung bezieht Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands, zum Abschied. Nach zwölf Jahren wird Konken am Montag nicht mehr für das Amt des Bundesvorsitzenden antreten. Nachfolger von Konken wollen Hans Werner Conen, Alexander Fritsch und Frank Überall werden. Montag wird gewählt. Newsroom.de dokumentiert Michael Konkens Abschiedsrede im vollen Wortlaut.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Ehrenmitglieder, liebe Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen, die mich zwölf Jahr im DJV freundschaftlich begleitet und unterstützt haben!

 

Zwölf Jahre Bundesvorsitzender im DJV. Eine interessante, eine bewegte Zeit geht heute für mich zu Ende.

 

Zeit, hier zum letzten Mal in die Zukunft des Journalismus zu schauen.


Zeit, Perspektiven zu sehen, Resümee zu ziehen.

 

Wir sind die Interessenvertretung der Journalistinnen und Journalisten in Deutschland, kämpfen für die Interessen unserer Kolleginnen und Kollegen, haben die Pflicht, auf Missstände öffentlich hinzuweisen und unsere Stimme zu erheben, die Probleme beim Namen zu nennen und Perspektiven aufzuzeigen.

Nur so entwickelt sich eine konstruktive Diskussion.


Wir sind kein Schönwetterverband. Wir sind einer, der täglich für den Journalismus sein Wort erheben muss.

 

In den zurückliegenden Jahren haben wir immer wieder erfolgreich gegen Angriffe auf die Unabhängigkeit gekämpft.


Beispiel: der Einfluss der Politik in den öffentlich-rechtlichen Sendern.

 

Wir waren maßgeblich an der Verfassungsbeschwerde in Sachen ZDF beteiligt, haben gutachterlich Stellung genommen und in vielen Punkten zu wichtigen Korrekturen beigetragen.

 

Der neue ZDF-Staatsvertrag war für mich mit der Hoffnung auf mehr Staatsferne verbunden, der Hoffnung, dass sich der Einfluss der Politik minimiert.

 

Auch wenn es auf dem Papier anders aussieht, befürchte ich, dass die Staatsnähe nicht ausreichend abgebaut wird, da die Politik nur zahlenmäßig geschwächt wird, nicht im qualitativen Einfluss.
Der Grund: Eine maximale Amtszeit von acht Jahren, also von zwei Legislaturperioden, wird diejenigen stärken, die sich bereits in der Medienpolitik auskennen, während die medienpolitischen Neulinge sich erst langsam einarbeiten müssen. Das dauert immer eine Wahlperiode. Ist man dann im Thema, muss man wieder gehen.

 

Was wir allerdings erreicht haben, sind mehr Transparenz und öffentliche Darstellung der Arbeit der ZDF-Gremien und zumindest eine zahlenmäßige Reduktion der Politik auf ein Drittel.

Und besonders wichtig – dass der DJV auch weiterhin einen Sitz im Fernsehrat hat, während andere abspecken mussten.

 

Was mir in diesem Zusammenhang Sorgen bereitet, ist die zunehmend nicht mehr ausreichende Finanzierung der Redaktionen und der freien Mitarbeiter in den öffentlich-rechtlichen Sendern.

Die KEF, also die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, maßt sich mittlerweile an, den Sendern vorzuschreiben, wo sie zu sparen haben.

Und dabei steht der Redaktionsbereich leider im Fokus.

 

Darunter leidet nicht nur die Qualität des Programms, es leiden auch die Perspektiven der freien Journalistinnen und Journalisten und hier besonders der jungen Kollegen.

 

Ich stelle es hier noch einmal fest: Die KEF überschreitet eklatant ihren Zuständigkeitsbereich.
Es wird Zeit, die KEF in die Grenzen zu weisen. Leider lassen die Medienpolitiker in Bund und Ländern die KEF nur zu gerne gewähren und die Intendanten der Sender haben sich schon vor Jahren in den Kotau begeben. So wird politischer Einfluss durch die Hintertür praktiziert.

 

Die Pressefreiheit wird in diesen Wochen und Monaten aber an anderer und in der öffentlichen Wahrnehmung sehr viel prominenterer Stelle attackiert: „Lügenpresse“ skandieren montags wieder Tausende, die auch behaupten, sie seien das Volk. Das muss uns allen Sorge machen!

 

Unsere Grundrechte sind in erster Linie Abwehr- und Schutzrechte des Bürgers gegen den Staat.

Die Pressefreiheit ist auch ein solches Recht – das Recht, öffentlich seine Meinung sagen zu dürfen, freie und unabhängige Medien nutzen zu können und durch die Medien Missstände öffentlich gemacht zu sehen, so ein umfassendes Bild der Ereignisse zu erhalten und als Bürger verantwortungsbewusst damit umgehen zu können. Wir Journalisten sind es, die dieses Recht täglich für die Bürger umsetzen. Nur mit diesem Schmierstoff funktioniert die Demokratie.

 

Mir ist wichtig, all denen ausdrücklich zu danken und ihnen Mut und Stehvermögen zu wünschen, die in Leipzig, in Dresden und in Dortmund persönlich angegriffen wurden, weil sie ihren Beruf vorbildlich ausüben! Die Beschimpfung als „Lügenpresse“ empfinden wir als Verunglimpfung unserer Arbeit, als Beleidigung ersten Grades. Weil es nicht stimmt. Dieser Begriff wird aber mittlerweile zu einer Metapher, die jeder gern benutzt, wenn er mit den Berichten in allen Medien nicht einverstanden ist. Dieses Wort hat schon viel zu viel Schaden angerichtet.

 

Aus dem Landesverband Sachsen liegt euch zu diesem Thema eine Resolution vor, die unser aller Unterstützung verdient.

 

Finanzierung Journalismus

 

Eine der wichtigsten künftigen Aufgaben für den DJV wird es sein, die Fragen zu beantworten, die sich zur Finanzierung des Journalismus ergeben haben. Sie muss auf neue Beine gestellt werden, wir brauchen auch neue Modelle. Staatsferne ist dabei ein eisernes Gebot, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Damit wir uns nicht falsch verstehen!

 

Ohne ein grundlegendes neues Finanzierungsmodell werden die Vielfalt und die Qualität des Journalismus nicht erhalten bleiben und damit werden auch die wichtigen Tagesinformationen, egal ob Print oder Online verbreitet, weiter an Durchschlagskraft verlieren.


Ich mag mir nicht ausmalen, was passiert, wenn es immer weniger lokale, regionale und überregionale Zeitungen gibt.

Deutschland hätte ohne eine ausreichende mediale Vielfalt, die wir heute noch haben, auch wenn sie kontinuierlich abnimmt, keine Basis für demokratische Diskussionen und Entscheidungen.

 

Das Meinungsspektrum aus vielen Stimmen und Stimmlagen, einige der gewichtigsten von Zeitungen, würde verloren gehen.

 

Unsere Demokratie funktioniert aber nur, wenn es eine vielfältige Meinungslandschaft gibt.

Wir haben im DJV dazu ein Papier erarbeitet, das Lösungsansätze aufzeigt.

 

Ich sage hier und heute: Wollen wir Qualitätsjournalismus und Vielfalt erhalten, wollen wir, dass morgen auch noch junge Menschen den Journalismus als wertvolle Berufung sehen, dann benötigen wir einen Paradigmenwechsel der Finanzierung.


Das hat eine existenzielle Bedeutung.

 

Bei allen wohlgemeinten Versuchen, Journalismus privatwirtschaftlich anders zu finanzieren, werden wir an einer umfassenden Neuregelung nicht vorbei kommen.

 

Prof. Dr. Stephan Ruß-Mohl lieferte während des IQ-Herbstforums in Berlin Mitte Oktober dazu interessante Fakten.

 

Ruß-Mohl: „Selbst wenn es den „tazlern“ gelingen würde, ihr Spendenaufkommen zu verdreifachen, ließe sich damit vielleicht eine zusätzlicher Journalist einstellen, aber keine Redaktion finanzieren.“ Und weiter: „Insgesamt werden in Deutschland fünf Milliarden Euro pro Jahr gespendet: Das ist, am Bruttosozialprodukt gemessen, ein Anteil von 0,1 Prozent. In Amerika sind es 1,9 Prozent. Aber auch dort ist mir nicht bekannt, was auf eine dauerhafte, vernünftige Finanzierung von professionellem, hochwertigem Journalismus und seiner Infrastrukturen hinauslaufen würde.“ (Zitat Ende)

 

„Von Spenden“, so Ruß-Mohl weiter, „gehen 74,2 Prozent in humanitäre Hilfe, 7,5 Prozent in Kultur- und Denkmalpflege, 5,2 Prozent in den Tierschutz, 3,6 Prozent in den Umweltschutz.“ Er kam zum Ergebnis: „… die Vorstellung, dass man etwas so Abstraktes wie Journalismus über Spenden finanzieren könnte, das erscheint, nach allem, was wir wissen, ziemlich abwegig. Von 21.000 Stiftungen in Deutschland befassen sich nur 120 mit Journalismusförderung.“ Aussagen und Zahlen, die nachdenklich machen.

Privatwirtschaftlich realisierte Modelle erregen zwar temporäres Aufsehen (Charlie Hebdo oder Krautreporter), sind allerdings von einzelnen engagierten Personen/Personengruppen abhängig. Sie sind interessante Farbtupfer in der Finanzierungsdebatte.

 

Die Überlebensparolen gerade größerer Verleger, deren Ziel wohl eher eine Ausdünnung des Marktes im eigenen Interesse ist, helfen auch nicht weiter.

 

Es bedarf einer großen Lösung, von der Politik inszeniert, aber nicht von der Politik abhängig.

Fakt ist, dass die Printmedien Jahr für Jahr mindestens zwei bis fünf Prozent an Auflage verlieren, dass sich dies natürlich auch auf die Finanzierung des vielerorts noch im Aufbau befindlichen Onlinebereichs auswirkt.

 

Wir benötigen dringend eine staatsferne Lösung zur Finanzierung von Journalismus im Interesse unserer Demokratie.


Ich will keine Einheitspresse. Ich will auch weiterhin eine vielfältige Zeitungslandschaft als Print- und Onlineprodukte. Und ich glaube, ihr auch.

 

Und gerade deswegen müssen wir unsere journalistische Qualität täglich praktizieren. Zu schnelle, oft nicht ausreichend recherchierte Veröffentlichungen, nicht ausreichend geprüfte und abgesicherte Quellen bringen sie in Gefahr, sind oft der Grund, warum die Öffentlichkeit uns immer kritischer sieht.

Als DJV fordern wir – und da nenne ich ganz bewusst Ulrike Kaiser als stete „Qualitätspredigerin“, stellvertretend für alle – immer wieder Qualität und machen Vorschläge für die Arbeitsbedingungen in der Tagespraxis.

 

Aber was sollen Medienkonsumenten denken, wenn zwei große Nachrichtenmagazine sich gegenseitig beschuldigen, falsch recherchiert zu haben?


Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat mit der erforderlichen selbstkritischen Haltung nichts zu tun, es wird die Skepsis gegenüber dem Journalismus ausweiten.

 

Diejenigen, die die Rahmenbedingungen dafür ändern könnten, sind gefordert.

 

Die tägliche Praxis, die Umsetzung in den Redaktionen und das vorbildliche Verständnis, die Unterstützung dafür können nur Verleger, Geschäftsführer und Intendanten liefern.

 

Strukturreform

 

Komme ich zu uns. Mit unserer Strukturreform haben wir erste zaghafte Schritte eingeleitet, um den DJV zu verändern. Ich hoffe inständig, sie werden von euch unterstützt.

 

Es kann nicht mehr um Einzelinteressen im DJV gehen. Nur gemeinsam, in anderen Formen der Zusammenarbeit und ohne Aufgabe der föderalen Struktur, wird es gelingen, den DJV zukunftsfähig zu machen.

 

Wir sind die Gewerkschaft und der Verband der Journalistinnen und Journalisten. Wir werden gehört, angefragt und gefordert. Unsere Kompetenz ist unbestritten.

 

Und wir sind damit präsent. Helft alle mit, dass es so bleibt und wir durch die Bündelung unserer Kräfte noch mehr Wirkung erzielen.

 

Journalistische Arbeitsplätze gehen verloren, bei jungen Menschen gibt es das Bewusstsein nicht mehr, sich unbedingt organisieren zu müssen. Darunter leidet nicht nur der DJV, sondern auch andere Gewerkschaften, Parteien und Vereine.

 

Für mich gilt immer noch der Grundsatz: „Journalist zu sein, heißt auch im DJV zu sein.“

 

Mich hat damals mein Lokalchef angesprochen und es war eine „Ehre“, in den DJV aufgenommen zu werden. Das müssen wir auch heute und morgen selbstbewusst vermitteln. Die direkte Ansprache ist immer noch die, die den größten Erfolg verspricht. Das muss viel intensiver praktiziert werden und dazu rufe ich euch alle auf!

 

Der DJV ist die Gewerkschaft (ich nenne diese Funktion bewusst zuerst) und der Verband der hauptberuflichen Journalistinnen und Journalisten.


Eine Aufweichung der Mitgliedsstrukturen wäre ein Abschied von unserer DNA.

 

Lieber klein und journalistisch glaubwürdig als groß und konturlos.

 

Ich habe versucht, in den zurückliegenden Jahren meine Arbeitskraft dienend dem Journalismus und unserem DJV zu widmen. Nicht alles ist gelungen, aber wir konnten trotz eines kontinuierlichen Abwehrkampfes gegen unterschiedliche Eingriffe in die journalistische Arbeit auch viele Erfolge verbuchen. Ich erinnere hier an den weitgehenden Erhalt tarifvertraglich gesicherter Arbeitsverhältnisse für Tausende Redakteurinnen und Redakteure. Ich erinnere an die vielen kleinen Schritte, die wir getan haben, um die Situation der Freien zu verbessern. Dass der Gesetzgeber kurz davor steht, im künftigen Urhebervertragsrecht ein Verbandsklagerecht vorzusehen, dürfen wir uns ganz unbescheiden auf die Fahnen schreiben.

 

Wir sind es, die gefragt werden, wenn die Pressefreiheit unter die Räder zu geraten droht. Wir sind es, deren Stimme sich im immer vielschichtigeren Chor der Medienkritik durchsetzt. Und wir sind es, die in den Social Media den Ton angeben, wenn es jeden Tag aufs Neue um den Journalismus geht.

Der Medienwandel ist in vollem Gange. Da wo wir können, gestalten wir ihn mit. Klar ist aber auch: Der Abwehrkampf wird bleiben, sich verstärken. Ich finde, wir haben den DJV sicher durch die Krisen geführt. Tragt dazu bei, dass nicht durch unnütze Kleinkriege und den fehlenden Blick auf das Ganze die Schlagkraft und das Ansehen leiden. Ihr habt es in der Hand.

 

Zwölf Jahre war meine ständige Botschaft, mein Credo, mich gegen alle Einschränkungen journalistischer Arbeit zu wehren. Einzusetzen gegen die Willkür in Verlagen, Sendern, Unternehmen, Sicherheitsbehörden und durch die Politik.

Der Kampf für den freiheitlichen Journalismus muss weitergehen. Ein freier Journalismus ist die Lebensader unserer Demokratie. Dafür tragen wir alle die Verantwortung, an jedem Tag, zu jeder Stunde.

 

Macht in diesem Sinne weiter. Viel Glück!

 

Michael Konken

Vorsitzender
Deutscher Journalisten-Verband