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Ohne Rückgrat: Kai Diekmann und Marion Horn gehen vor Anfeindungen im Netz in die Knie

Wer am Sonntag die Nachrichten von Marion Horn und Kai Diekmann auf Twitter verfolgt hat, konnte den Glauben an Springers Top-Personal verlieren. Eine Einordnung von Bülend Ürük.

Berlin - Es ist ein Kommentar, wie ihn Konservative lieben, den Nicolaus Fest, stellvertretender Chefredakteur der „Bild am Sonntag“, verfasst hat.

Ausgerechnet zwei Tage, nachdem die „Bild“-Zeitung in Print und Online die Aktion „Stimme erheben - Nie wieder Judenhass!“ ins Blatt gehoben und sich als Ort des Miteinanders präsentiert hat, erklärt Fest, ein Wertkonservativer, der sich als „Atheist“ bezeichnet: „Ich brauche keinen importierten Rassismus, und wofür der Islam sonst noch steht, brauche ich auch nicht.“

Islam als Integrationshindernis“ betitelt Fest seinen Kommentar, er zieht dort einige krude Vergleiche, die nicht nur Linke aufheulen lassen. Weil er alles in einen Topf schmeißt; in den wenigen Zeilen, die ihm zur Verfügung stehen, hat er überhaupt nicht genügend Platz, um richtig zu liegen.

 

#Antisemitismus #Homophobie Herrlicher Shitstorm! Offensichtlich finden viele Homophobie, Antisemitismus & Ehrenmorde völlig ok.

— Nicolaus Fest (@NicolausFest) 27. Juli 2014

Nur so viel, werter Kollege Fest: Der Islam gehört seit mindestens 1683 zu Deutschland, Alt-Bundespräsident Christian Wulffs hat mit dem Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ das erste Mal von offizieller Seite festgestellt, was seit Jahren jeder Statistiker weiß. Der Islam ist in seinen Strömungen von Aleviten, Sunniten oder Schiiten nach dem Christentum in Deutschland die Religion mit den meisten Anhängern.

 

Ich finde, @BILD sollte sich für den Kommentar bei allen Muslima und Muslims entschuldigen!

— Volker Beck (@Volker_Beck) 27. Juli 2014

Dass kann man gut finden oder auch nicht, aber man sollte, wenn man schon an „keinen Gott“ glaubt, „aber Christentum, Judentum oder Buddhismus“ einen nicht stören, mit Halbwahrheiten nicht die Gefühle vieler gläubiger Menschen verletzen.

Der Kommentar von Nicolaus Fest hat am Sonntag viele Menschen aufgewühlt. Hunderte Kommentatoren auf Facebook, und auch die Twitter-Elite fühlte sich bemüßigt, den Autoren in die Mangel zu nehmen.

Sie haben ihre Wut und Verzweiflung notiert, Fest mit Vorwürfen bombardiert und auch Marion Horn, Chefredakteurin von „Bild am Sonntag“, und Herausgeber Kai Diekmann aufgefordert, sich gegen ihren eigenen Mann zu stellen.

Der digitale Mob hat gewonnen.

 

. @OezcanMutlu @dsteinvor Der @NicolausFest ist kein Hassprediger! Seinen Kommentar heute halte ich für falsch!

— Kai Diekmann (@KaiDiekmann) 27. Juli 2014

Kai Diekmann, der Über-„Bild“-Journalist, ist inzwischen so sehr mit den sozialen Netzwerken verwoben, dass er vor Aufregung vergisst, einfach mal kurz zu überlegen, bevor er seinem „lieben Freund“, dem Grünen-Politiker Özcan Mutlu, auf Twitter antwortet, dass er den Kommentar von Nicolaus Fest „für falsch“ hält.

Wie verzweifelt muss Kai Diekmann sein, um dieses Schuldeingeständnis zu machen? Und was soll das genau bringen? Glaubt er wirklich, damit auch nur einen wütenden Leser zu beruhigen?

 

@BILDamSonntag hat Gefühle verletzt. Ganz deutlich: Wir sind nicht islamfeindlich! Ich entschuldige mich für den entstandenen Eindruck

— Marion Horn (@marionhorn) 27. Juli 2014

Hilflos wirkte auch die Einlassung von Marion Horn, deren Nachricht „Bild am Sonntag hat Gefühle verletzt. Ganz deutlich: Wir sind nicht islamfeindlich! Ich entschuldige mich für den entstandenen Eindruck“ einem Kniefall vor den Fest-Jägern auf Twitter und Facebook und in den E-Mail-Nachrichten an die Redaktion gleichkommt.

Fest steht:

1. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Gläubigen und Fundamentalisten. Egal, ob im Islam, im Judentum oder Christentum.

2. Diekmann/Horn haben ihrem schärfsten Kommentator in aller Öffentlichkeit und ohne Not im Regen stehen lassen. Sie haben etwas getan, was bei Axel Springer noch für viel Gesprächsstoff sorgen wird: Darf ich keine deutliche Meinung mehr in der „Bild“-Gruppe vertreten? Darf ich nicht mehr sagen, was ich für richtig halte? Muss ich um meinen Job fürchten, weil ich eine andere Meinung vertrete?

3. Der Kommentar von Kai Diekmann auf Bild.de und heute in der „Bild“, der mit dem Döpfner-Zitat einer offiziellen Stellungnahme des Verlages gleichkommt, ist richtig und wichtig.

Dieser Kommentar hätte völlig ausgereicht, als Statement von Diekmann, als Nachricht vom Verlag, als Einordnung von Döpfner. Dieser Beitrag hätte keinen Kollegen diffamiert, sondern klar gemacht, dass unterschiedliche Stimmen im Hause Axel Springer möglich sind, dass man auf Kritiker schnell reagiert.

Merke: Diskussionen auch über absolut unterschiedliche Standpunkte gehören in die Redaktion. Nicht in die sozialen Medien. Das gilt auch 2014.

Diekmanns kumpelige Art in den sozialen Medien ist auch seine größte Schwäche.

So verwundbar wie heute war Axel Springer noch nie.

Bülend Ürük

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