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Peter Stefan Herbst: Politik muss im Fall Google handeln

Gegen nichts wehren sich Zeitungsverleger mehr als das Einmischen der Politik in ihr Tagesgeschäft. Bestes aktuelles Beispiel ist der Mindestlohn für Zeitungszusteller, gegen den sie sich von Flensburg bis Freiburg, von Aachen bis Leipzig, mit Händen und Füßen, mit Petitionen und Gutachten und teils sogar persönlichem Vorsprechen beim örtlichen Bundestagsabgeordneten gewehrt haben. Von Bülend Ürük.

Saarbrücken - Beim aus ihrer Sicht schier übermächtigen Gegner Google sehen sie aber keinen anderen Ausweg, als aktiv auf Politiker auf Bundes- und Europaebene zuzugehen und für ihren Standpunkt zu werben - der Gesetzgeber soll, nein muss in diesem Fall aktiv werden.

„Die Politik steht im Wort und muss handeln“, sagt Peter Stefan Herbst. Der Chefredakteur der „Saarbrücker Zeitung“ wirft dem Suchmaschinen-Giganten Google vor, seine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen, eigene Dienste bevorzugt zu behandeln. 

 

Peter Stefan Herbst: „Internet ohne Regeln wäre gefährlich.“ Foto: Iris Maurer / Saarbrücker Zeitung

 

„Das Netz kann und darf auch künftig kein rechtsfreier Raum sein. Oder soll es hier keinen fairen Wettbewerb und keinen Konsumentenschutz geben? Im Interesse aller Nutzer und Verbraucher muss es im Netz bessere Regeln geben. Nur so lässt sich Missbrauch kurzfristig begrenzen und langfristig verhindern“, so Peter Stefan Herbst gegenüber Newsroom.de.

Bei einer Podiumsdiskussion von Zeitungsverlegern, Zeitschriftenverlegern, dem Verband Privater Rundfunk und Telemedien, der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft und Open Internet Project am Dienstag in Berlin haben die Staatssekretäre aus dem Innen- und dem Verbraucherschutzministerium, Günter Krings (CDU) und Gerd Billen (Grüne), versichert, dass die Politik sich einmischen wird.

Für Peter Stefan Herbst steht fest: „Das Wettbewerbsverfahren gegen Google muss konsequent fortgesetzt werden.“

Und Herbst fügt hinzu: „Der Quasi-Monopolist Google baut über seine Suchmaschine auch seine Positionen bei mobilen Betriebssystemen, Browsern, Online-Videos, E-Mail-Diensten und anderen kommerziellen Angeboten aus. Dies würde man so in keiner anderen Branche zulassen. Bei den Strom- und Gasnetzen wurde deshalb eine Entflechtung durchgesetzt.“

International ernten die deutschen Zeitungsverleger für ihr Vorgehen allerdings Kritik. Schärfere Regeln für Google seien falsch, schreibt das britische Wirtschaftsblatt "Economist" in seiner aktuellen Ausgabe, vielmehr sollten sich die deutschen Verleger und Politiker darum bemühen, einen EU-Wirtschaftsraum ohne Landesgrenzen zu schaffen - Regulierungen abbauen, statt neue aufzubauen sei notwendig.

Zur Person: Peter Stefan Herbst (48) ist Chefredakteur der "Saarbrücker Zeitung", Prokurist der Saarbrücker Zeitung Verlag und Druckerei GmbH und Geschäftsführer der Berliner Medien Service GmbH, die 18 Regionalzeitungen mit bundespolitischer Berichterstattung beliefert. Er gehört dem Aufsichtsrat der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) und der Jury des Theodor-Wolff-Preises an. Beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) leitet er die Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit. B.Ü.

Herr Herbst, was haben Sie gegen Suchmaschinen?

Peter Stefan Herbst: Nichts. Ich schätze Suchmaschinen sehr und nutze sie täglich. Wie viele andere Nutzer erwarte ich allerdings, dass Suchergebnisse nachvollziehbar fair und neutral generiert werden.

Google hat sich durchgesetzt, wer sich im Netz bewegt, benutzt den Suchgiganten aus den USA. Was haben Sie gegen Schnelligkeit, was haben Sie dagegen, dass das Wissen der Welt komfortabel zu den Nutzern gelangt?

Peter Stefan Herbst: Auch gegen Schnelligkeit und Komfort habe ich nichts. Google handelt aber nicht fair und neutral. Der Quasi-Monopolist mit einem Marktanteil von über 90 Prozent in Deutschland und Europa missbraucht aus meiner Sicht seine marktbeherrschende Stellung, um eigene Dienste bevorzugt zu behandeln. Produkte des Konzerns stehen bei der Suche immer ganz oben. Angebote von Wettbewerbern werden so diskriminiert.

Immer lauter rufen gerade Deutschlands Zeitungsverleger nach dem Staat. Brauchen wir im Netz wirklich mehr Regeln?

Peter Stefan Herbst: Es gibt heute schon Regeln. Das Netz kann und darf auch künftig kein rechtsfreier Raum sein. Oder soll es hier keinen fairen Wettbewerb und keinen Konsumentenschutz geben? Im Interesse aller Nutzer und Verbraucher muss es im Netz bessere Regeln geben. Nur so lässt sich Missbrauch kurzfristig begrenzen und langfristig verhindern. Hierbei handelt es sich nicht um ein Einzelanliegen der Zeitungsverlegern, sondern der ganzen Medienwirtschaft. Vergleichbare Forderungen stellen aber auch Verbraucherschützer, viele Internet-Firmen und weite Teile der Politik.

Aber hätte zum Beispiel nicht auch Axel Springer auf die Idee kommen können, eine Suchmaschine zu starten?

Peter Stefan Herbst: Das ist doch eine sehr theoretische Frage, die für die aktuelle Diskussion keinerlei Relevanz hat. Der Quasi-Monopolist Google baut über seine Suchmaschine auch seine Positionen bei mobilen Betriebssystemen, Browsern, Online-Videos, E-Mail-Diensten und anderen kommerziellen Angeboten aus. Dies würde man so in keiner anderen Branche zulassen. Bei den Strom- und Gasnetzen wurde deshalb eine Entflechtung durchgesetzt.

Mir klingt das eher so, als ob Sie eifersüchtig auf den Google-Erfolg sind und deshalb gegen den Suchmaschinenkonzern vorgehen.

Peter Stefan Herbst: Macht und deren Missbrauch begründen für mich als Journalisten erst ein Mal die Verpflichtung, genau hinzuschauen und über die Zusammenhänge aufzuklären. Google wird von vielen Kolleginnen und Kollegen und weiten Teilen der Öffentlichkeit immer noch zu unkritisch gesehen. Werden doch nicht nur Wettbewerber, sondern auch alle Nutzer und Verbraucher meiner Meinung nach benachteiligt und getäuscht.

„Netz ohne Regeln wäre gefährlich“

Was passiert denn, wenn die Politik den Markt nicht reguliert?

Peter Stefan Herbst: Ein Netz ohne Regeln wäre ein Netz des Missbrauchs und sogar gefährlich. Dies lässt sich mit den weltweiten Finanzmärkten vergleichen, die auch kein vernünftiger Mensch mehr so wenig reguliert lassen würde, wie sie es vor der Banken- und Finanzkrise waren.

Gibt es denn aus Ihrer Sicht noch eine Möglichkeit, gegen die marktbeherrschende Position von Google vorzugehen?

Peter Stefan Herbst: Die EU-Kommission kann das geltende Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung so anwenden, dass sie dem Quasi-Monopolisten die Bevorzugung eigener und die Diskriminierung von Drittangeboten untersagt. Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia hat Anfang der Woche erfreulicherweise klargestellt, dass die bisher von Google gemachten Zugeständnisse nicht ausreichen. Auf dieser Basis kann es also keinen Deal mit der EU geben. Das Wettbewerbsverfahren gegen Google muss konsequent fortgesetzt werden. Unabhängig davon kann auch der Gesetzgeber in Deutschland tätig werden. Fordert doch der Koalitionsvertrag Neutralität von Suchmaschinen, "die sicherstellen müssen, dass alle Angebote diskriminierungsfrei aufzufinden sind". Die ist bei Google heute nicht der Fall. Die Politik steht damit im Wort und muss handeln.

Björn Böhning: „Google kein neutraler Player“

Und wenn die Politik sich nicht einmischen möchte?

Peter Stefan Herbst: Davon gehe ich nicht aus, die Politik würde sich ja andernfalls gegen den fairen Wettbewerb und gegen den Verbraucherschutz im Netz stellen, die marktwirtschaftliche Ordnung gefährden und wortbrüchig werden. Am Dienstag gab es auch klare Signale, dass die deutsche Politik handeln wird. Die Staatssekretäre aus dem Innen- und dem Verbraucherschutzministerium, Günter Krings und Gerd Billen, haben zugesichert, dass im Koalitionsvertrag festgelegte Maßnahmen zügig geprüft und umgesetzt werden. Der Chef der Berliner Senatskanzlei, Björn Böhning, stellte fest, dass Google "kein neutraler Player" sei und die Möglichkeiten der Technik nicht weiter über die Regeln der Demokratie gestellt werden dürfen.

Die Fragen an Peter Stefan Herbst, Chefredakteur der „Saarbrücker Zeitung“, stellte Newsroom.de-Chefredakteur Bülend Ürük.