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Rechercheverbund NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung": Medienforscher uneins über Rechtmäßigkeit

Stephan Russ-Mohl, angesehener Journalistik-Professor in Lugano, sieht Klärungsbedarf bei der Frage, ob die enge Zusammenarbeit von „Süddeutsche Zeitung“, WDR und NDR beim Rechercheverbund tatsächlich dem deutschen Recht entspricht.

Berlin - Den Rechercheverbund, das Projekt findet Stephan Russ-Mohl „spannend“.

„Wenn private Anbieter neben der gebühren-finanzierten öffentlich-rechtlichen Konkurrenz online eine Überlebenschance haben sollen, werden sie derartige Kooperationen entwickeln müssen", betont der Medienforscher.

 

Stephan Russ-Mohl, angesehener Journalistik-Professor in Lugano, sieht Klärungsbedarf bei der Frage, ob die enge Zusammenarbeit von „Süddeutsche Zeitung“, WDR und NDR beim Rechercheverbund tatsächlich dem deutschen Recht entspricht. 

 

Stephan Russ-Mohl fügt hinzu: „Unter den Bedingungen der Konvergenz werden Videos und Podcasts bei Online-Angeboten wichtiger, Zeitungsverlage haben aber kaum noch die Ressourcen, professionelle Videoredaktionen aufzubauen – mit der Ausnahme von Springer vielleicht, ein Verlagshaus, das sich seinen eigenen Nachrichtensender kürzlich dazugekauft hat", so Russ-Mohl.

„Die ungeklärte Frage ist allerdings, ob aus öffentlichen Mitteln finanzierte Inhalte nicht allen Gebührenzahlern - und damit vielleicht auch allen privaten Medienunternehmen? - gleichermaßen verfügbar sein sollten. Da gibt es sicherlich Klärungsbedarf“, so der angesehene Medien-Professor.

Für ihn sind aber nicht Kooperationsprojekte zwischen Privaten und Öffentlich-Rechtlichen die größte Wettbewerbsverzerrung - „sondern schlicht die Tatsache, dass die Öffentlich-Rechtlichen mit ihren Gebührengeldern online einen uneinholbaren Startvorteil haben, der sich im Bereich des hochwertigen Journalismus durch Werbeerlöse privater Anbieter nie und nimmer kompensieren lässt.“

Für den Medienrechtler Thomas Hoeren scheint die Kooperation von NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ noch nicht gegen geltendes Recht zu verstoßen. „Dennoch ist die Kooperation ein weiteres Element in Richtung Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und hin zu einer verbotenen Quersubventionierung von Wettbewerb“, warnt Thomas Hoeren, Professor am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

 

Thomas Hoeren, Professor am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

 

Gregor Daschmann, Professor für Kommunikationswissenschaft am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, hält die Zusammenarbeit von „Süddeutsche Zeitung“, WDR und NDR „selbstverständlich“  für rechtens: „Ich wundere mich auch ein wenig, warum diejenigen, die sonst bei allem das Hohe Lied der Pressefreiheit singen, dann permanent die Öffentlich-Rechtlichen gängeln wollen. Die Freiheiten des Artikel Fünf gelten schließlich auch für diese. Auch sie dürfen ihre Partner zunächst einmal frei wählen“, erklärte Daschmann gegenüber Newsroom.de.

Petra Werner, Geschäftsführende Direktorin am Institut für Informationswissenschaft der Fachhochschule Köln, begrüßt den Rechercheverbund von NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“: „Ich betrachte Kooperationen dann positiv, wenn sie helfen, publizistische Vielfalt zu erhalten oder zu erweitern – und das sehe ich nicht per se als Widerspruch. Genau deswegen ist es aber auch wichtig, solche Kooperationen weiterhin kritisch im Blick zu behalten“, betont die Wissenschaftlerin gegenüber Newsroom.de.

Seit dem 1. Februar gibt es einen Rechercheverbund von NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“. Geleitet wird der Rechercheverbund vom früheren „Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo.

Innerhalb der ARD gibt es massive Kritik an der engen Zusammenarbeit. So machen sich beispielsweise investigativ arbeitende freie Mitarbeiter Sorgen, dass der Rechercheverbund sie bei Folge-Recherchen schlichtweg „ablösen“ könnte.

Bülend Ürük

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