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SPD-Medienpolitiker: „Finanzierung des Lokaljournalismus großes Problem"

Wenn es im Herbst mit dem Politikwechsel in Berlin klappen sollte, gehören Gesche Joost und Oliver Scheytt auf einem Schlag zu den wichtigsten Medienpolitikern im Land.

Essen - Erstmals beziehen Joost und Scheytt, beide im Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zuständig für Medienpolitik, im Doppel-Interview mit Newsroom.de Stellung zu ihren Zielen.

Als großes Problem betrachtet Gesche Joost im Newsroom.de-Gespräch die zukünftige Finanzierung des Lokaljournalismus: "Da müssen wir als Politiker mithelfen, neue Formen der Finanzierung zu finden. Im Lokalen könnten Zukunftsmärkte entstehen, aber man muss da vieles neu überlegen".

Newsroom.de: Frau Joost, Herr Scheytt, Sie beide sind im Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auch für die unterschiedlichen Felder der Medienpolitik zuständig. Egal ob Print oder online, Buchmarkt oder TV – es sind Umbruchzeiten. Auch für Medienpolitiker.

 

Gesche Joost, Mitglied des Kompetenzteams von Peer Steinbrück im Bereich Netzpolitik und vernetzte Gesellschaft.

 

Gesche Joost: Im Spannungsfeld von Medien und Netzpolitik ist es eine der größten Herausforderungen, die positiven Chancen des Netzes zu nutzen. Urheber haben heute sehr gute Verbreitungsmöglichkeiten, bekommen aber immer weniger Geld für ihre Arbeit. Man muss das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anpassen und gleichzeitig illegale Downloads eindämmen. Wenn wir als SPD die Medienkompetenz von Kindern bis hin zu Senioren stärken wollen, gehört für mich auch dazu, dass sie ein Bewusstsein dafür entwickeln, was ein Werk ist und welchen Wert es hat. Konkret muss beim Urheberrecht ein Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer, der Urheber und der Verwerter  erfolgen, wobei für mich der Schwerpunkt bei den Urhebern liegt. Wir müssen sicherstellen, dass sie auch von neuen Geschäftsmodellen profitieren können, wie zum Beispiel bei Streamingdiensten wie Spotify.  Hier wird eine monatliche Pauschale für Musik gezahlt. Dabei muss zukünftig stärker gewährleistet werden, dass bei den Künstlern selbst ein angemessener Lohn ankommt.

"Medienkompetenz betrifft alle Generationen"

Oliver Scheytt: Medienkompetenz ist eine umfassende Problematik, die alle Generationen betrifft. Im Netz steht allen ein unglaublich umfassendes Wissen zur Verfügung. Wir müssen die Angebote zum Erwerb von Medienkompetenz verstärken und so dafür sorgen, dass die Menschen selbstbestimmt und nicht fremdbestimmt die Medien nutzen. Der aktuelle Abhörskandal zeigt, dass wir uns noch viel mehr Gedanken machen sollten, wann wir welche Medien einsetzen. Wir wollen mit 20 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen in Bildung qualifizierte Räume schaffen, wo Menschen auch solche kulturellen Qualifikationen erlangen können.

"Prekäre Lebensverhältnisse für Kreativwirtschaft nicht akzeptabel"

Newsroom.de: Sehen Sie angesichts der momentanen Entwicklung im Bereich der so genannten Kreativwirtschaft, zu dem ja auch Journalisten gezählt werden, noch eine wirtschaftliche Perspektive?

Oliver Scheytt: In der Kreativwirtschaft arbeiten 2,1 Millionen Menschen und sie stellen Wissen und Kultur her, Rohstoffe, die wir dringend brauchen und schützen  müssen. Es ist ein großes Problem, das viele von ihnen in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Für uns ist das nicht akzeptabel. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können.

Gesche Joost: Ich kenne als Designerin die Arbeitsverhältnisse in der Kreativbranche gut: viele schaffen Innovationen, leben jedoch in prekären Verhältnissen. Eine Ausweitung der Künstler-Sozialkasse wäre hier eine konkrete Unterstützung.

Oliver Scheytt: Die SPD will den Mindestlohn sicherstellen - das würde sich auch auf diesen Bereich auswirken. Es kommt insgesamt darauf an, die Einnahmen von Kreativen zu stabilisieren, dazu gehören auch Journalisten und Autoren. Im Verlagsbereich muss die Buchpreisbindung auch für die E-Books Bestand haben. Man kann Bücher in England billiger bestellen als in Deutschland, weil die Briten keine Buchpreisbindung kennen. Hier brauchen wir internationale Regelungen.

"Print muss sich mehr um Vertiefung und Hintergrund kümmern"

Newsroom.de: Wir erleben einen Umbruch der traditionellen Geschäftsmodelle. Kann der Staat diese Entwicklung beeinflussen und begleiten oder ist er in diesen Bereichen, vielleicht auch aus guten Gründen, außen vor?

Gesche Joost: Er kann es begleiten. Zum Beispiel können die Kreativ-Branchen voneinander lernen und mit der Politik die Rahmenbedingungen für die Zukunft entwickeln.  Buchverlage haben sich zum Teil spät auf den Weg in die Digitalisierung gemacht. Nachrichtenmedien waren da schneller. Mit Vertretern des Journalismus haben wir kürzlich auf einem Kongress darüber diskutiert, in welche Richtung  sich der Journalismus entwickeln wird. Hans-Ulrich Jörges vom Stern vertrat dort die Ansicht, dass in fünf Jahren Papier keine Rolle mehr spielen wird – das ist eine extreme Vision, die ich in der Form nicht teile. Trotzdem glaube ich, dass sich der Journalismus ausdifferenzieren wird, sich im Print-Bereich mehr um Vertiefung und  Hintergrund kümmern kann, während der Online-Journalismus die schnelle Nachricht generiert. Der Erfolg der "Zeit" zeigt ja in diese Richtung.

 

Oliver Scheytt, Mitglied des Kompetenzteams von Peer Steinbrück im Bereich Kunst und Kultur.

 

Finanzierung des Lokaljournalismus "großes Problem"

Ein großes Problem wird die Finanzierung des Lokaljournalismus werden. Da müssen wir als Politiker mithelfen, neue Formen der Finanzierung zu finden. Im Lokalen könnten Zukunftsmärkte entstehen, aber man muss da vieles neu überlegen. Lokale Berichterstattung ist extrem wichtig. Hier könnten sich Konglomerate von Journalisten mit Dienstleistern zusammen tun, die lokale Nachrichten online veröffentlichen und sich um Belange der lokalen Politik und Gemeinschaft kümmern. Dazu müssen wir gemeinsam die Rahmenbedingungen schaffen.

Oliver Scheytt: Der Staat hat im Bereich des Verlagswesens ja weniger Gestaltungsmöglichkeiten als beim Rundfunk. Wir unterhalten ja mit der Deutschen Welle auf Bundesebene einen eigenen Sender und sind seitens der Politik in den Ländern auch an den Entscheidungen beim Öffentlich- Rechtlichen Rundfunk beteiligt. Da können wir Rahmenbedingungen schaffen. Im Zeitungs- und Verlagswesen wollen wir das, bei aller Freiheit, in einigen Bereiche auch: Zum Beispiel wenn es um Autorenrechte geht. Wenn ich dann sehe , dass die Bundesregierung sich bei den Verhandlungen um das Freihandelsabkommen nicht dafür eingesetzt hat, dass Verlage, Kunst und Kultur vom Freihandel ausgenommen werden und nur die Franzosen dafür gesorgt haben, dass es im Kulturbereich Ausnahmen geben wird, ist das ein gewaltiges Armutszeugnis für die gegenwärtige Bundesregierung. Sie setzt damit unsere Medien- und Kulturstrukturen aufs Spiel, ja überlässt diese den amerikanischen Medienmogulen.

"WDR muss online bleiben"

Newsroom.de: Wie stehen Sie zu der Ausweitung der Öffentlich-Rechtlichen im Internet, wo sie den Verlagen ja gebührenfinanziert Konkurrenz machen?

Oliver Scheytt: Das ist ein schwieriges Feld. Es wäre nicht angemessen, wenn zum Beispiel der WDR nicht mehr online wäre. Es gibt Überlappungen. Über Abgrenzungen und Vereinbarungen sollten die verantwortlichen Akteure mehr miteinander reden, aber das ist keine Angelegenheit des Bundes. Die Sender müssen da in einen Dialog mit den Verlagen treten – und das tun sie ja auch.

Gesche Joost: Man kann die heutige Medienwirklichkeit nicht mehr mit den Maßstäben des alten Medien-Ökosystems messen. Nachrichten in TV, Print oder Online – das wächst heute zusammen. Die alten Grenzen werden nicht mehr funktionieren.

Mit Gesche Joost und Oliver Scheytt, beide im Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zuständig für Medienpolitik, sprach Newsroom.de-Autor Stefan Laurin.