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Düsseldorfer Galerist Hubert Ostendorf verlegt Obdachlosenzeitung "fifty fifty"

Das Magazin gehört mit einer monatlichen Auflage von rund 60.000 Exemplaren zu den meistgelesenen Straßenzeitungen Deutschlands.

Düsseldorf (ddp) - Arm und Reich liegen in der Düsseldorfer Galerie von Hubert Ostendorf nahe beieinander. Seit vielen Jahren verkauft der 48-Jährige in den modernen Ausstellungsräumen Kunstwerke an zahlungskräftige Kundschaft und erstellt gleichzeitig mit Obdachlosen die Straßenzeitung "fifty fifty". Das Magazin, das nach Angaben von Ostendorf eine monatliche Auflage von rund 60 000 Exemplaren hat, gehört zu den meistgelesenen Straßenzeitungen Deutschlands. Obdachlose verkaufen das Magazin an Passanten unter anderem in Düsseldorf, Duisburg, Mönchengladbach, Essen, Bonn und Frankfurt am Main.

""fifty fifty" berichtet über das alltägliche Leben von Obdachlosen", erklärt Ostendorf. Ein Thema seines monatlichen Magazins sei zum Beispiel "Liebe und Sex auf der Straße" gewesen. Auch über Hunde als treue Gefährten vieler Wohnungsloser und die Wichtigkeit von Handys in der Obdachlosen-Szene hat das fünfköpfige "fifty fifty"-Redaktionsteam schon eine Titelgeschichte verfasst. Die Obdachlosen sind aufgerufen, selbst für die Zeitung zu schreiben. Bei Stil und Aufbau der Artikel sei alles erlaubt, solange es niemanden beleidige, erzählt Ostendorf.

So manch ein Obdachloser sei durch "fifty fifty" zum eifrigen Szene-Journalisten geworden. "Viele Drogensüchtige haben aber leider keine Zeit, Berichte zu schreiben, weil sie den ganzen Tag über damit beschäftigt sind, das Geld für ihre Sucht zu beschaffen", sagt der 48-Jährige. Auch sie sollen in der Zeitung zu Wort kommen, daher würden die Mitarbeiter viele Statements mit einem Aufnahmegerät einfach aufnehmen und dann abtippen.

Die Verkäufer der Straßenzeitung dürfen von den Kosten von 1,80 Euro pro Heft die Hälfte behalten. "Mit dem verdienten Geld finanzieren sich die Obdachlosen Kinobesuche oder andere Freizeitaktivitäten, aber man muss auch ehrlich sagen, dass einige ihre Drogen- und Alkoholsucht damit bezahlen", sagt Ostendorf. Immerhin halte dies die Betroffenen von der Beschaffungskriminalität ab, betont er. Zudem gebe der Verkauf des Magazins den Wohnungslosen einen festen Tagesablauf und Kontakt zu den "normalen Bürgern".

Das Elend auf der Straße hat Ostendorf nach eigenen Angaben schon immer berührt. Im April 1995 kam er auf die Idee, eine Galerie zu eröffnen und sich gleichzeitig für Obdachlose einzusetzen. Durch seine wohlhabenden Kunden habe er in den vergangenen Jahren ein großes Netzwerk an Spendern für die Obdachlosenhilfe gewonnen. Die Zeitung "fifty fifty" finanziere sich aus Spendengeldern des eigens für das Projekt gegründeten Vereins "Asphalt".

In Berichten für das Magazin ergreift Ostendorf auch oft selbst Partei für die Obdachlosen. So kritisierte er kürzlich die seiner Ansicht nach willkürlichen Kontrollen von rumänischen Straßenzeitungsverkäuferinnen durch die Polizei. "Die rumänischen Obdachlosen stehen in der Hierarchie der Straße ganz unten, weil niemand sie hier haben will, weder die Polizei noch die deutschen Wohnungslosen", erzählt Ostendorf mit Sorge.

Das "professionelle Outfit" seiner Obdachlosenzeitschrift ist Ostendorf, der früher einmal als freier Journalist tätig war, besonders wichtig. Das Layout wird daher in die Hände einer externen Firma gegeben. Die allererste Zeitung habe er bereits in einer Auflage von 40 000 drucken lassen, erzählt Ostendorf: "Die Leute haben mich für verrückt erklärt". Auch habe ihm niemand geglaubt, dass sich eine Obdachlosenzeitung im schicken Düsseldorf verkaufen werde.

Doch das Straßenmagazin hat sich bewährt. Auch die Konkurrenz der obdachlosen Verkäufer untereinander auf der Straße sei so groß geworden, dass er in Düsseldorf derzeit keine Verkäuferausweise mehr ausstellen könne, erzählt Ostendorf.

Einer der "fifty fifty"- Verkäufer ist der 23-jährige Christof. Nach drei Jahren ohne festen Wohnsitz hat der Arbeitslose zwar wieder ein Dach über dem Kopf, aber kaum Perspektiven im Leben. Das Geld, das er sich mit den Verkäufen an sechs Tagen in der Woche verdient, gibt er nach eigenen Angaben für sein Fahrrad und Kino aus. Die Käufer der Zeitung kämen "quer aus allen Bevölkerungsschichten", einer mache sogar wöchentlich im Jaguar bei ihm Halt. Zwar schäme er sich manchmal immer noch, die Zeitung zu verkaufen, sagt Christof: "Aber von nix kommt nix."