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dpa

Neu bei der „Zeit“: ein eigenes Ressort für den Streit

Der Name ist Programm: Das neue Ressort „Streit“ bei der „Zeit“ soll ein ressortübergreifendes Forum für Themen sein, bei denen die Meinungen auseinandergehen. Das passende Motto stammt von Helmut Schmidt.

Hamburg/Berlin (dpa) − Es wird nicht alles anders, aber einiges neu bei der Wochenzeitung „Die Zeit“. Zum einen bekommt sie ein weiteres Ressort namens „Streit“. Erstmals erscheinen die bis zu vier neuen Seiten für Debatten und Kontroversen am Donnerstag (5. September). Außerdem sind das Hauptstadtbüro und die Politikredaktion in Hamburg unter einer gemeinsamen Leitung zusammengelegt worden, genau wie die Ressorts „Chancen“ und „Wissen“, wie die Zeit Verlagsgruppe in Hamburg am Mittwoch mitteilte. 

 

„Das neue Ressort ist eine von mehreren wichtigen Änderungen, aber sicherlich die spektakulärste“, sagte Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der mit einer verkauften Auflage von rund 500 900 Exemplaren (IVW, 2/2019) größten Wochenzeitung Deutschlands. „Der Name kann provozierend wirken, weil man zu Recht einwenden kann, wenn es etwas gibt, das im Moment schon schlimm genug ist, dann ist es der permanente Streit.“ 

Aber gerade deshalb sei das neue Ressort gegründet worden: „Weil dieser Streit degeneriert ist. Er wird von den Rändern her dominiert und von dem unbedingten Willen, die jeweils andere Seite falsch zu verstehen“, sagte di Lorenzo der Deutschen Presse-Agentur. „Zwischen diesen Polen aber ist eine vielfältige Mitte, die seltsam stumm und verschreckt wirkt. Sie braucht neue Identifikationsfiguren und auch neue Bühnen.»

Grundsätzlich glaube die Redaktion, dass Streit etwas Heilsames haben könne, sagte di Lorenzo. „Wir werben dafür mit einem Zitat von Helmut Schmidt: „Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine.“ Wir wollen einen kleinen Beitrag zur Rezivilisierung des Streits leisten.“ 

In der ersten Ausgabe ist etwa ein nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland geführtes Streitgespräch zwischen dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und drei enttäuschten Wählern eingeplant. In einer der nächsten Ausgaben gebe es ein Streitgespräch zwischen Ursula von der Leyen und drei Brexit-Befürwortern, kündigte der „Zeit“-Chefredakteur an. Gestritten werde im neuen Ressort aber nicht nur über Politik, sondern beispielsweise auch über die Bahn, über Gesundheit und über richtige Ernährung. 

Auf der letzten Ressortseite ist die Kolumne „60 Zeilen Liebe“ geplant. „Da wird entweder jemand in Schutz genommen, der gerade viel Gegenwind erfährt“, erklärte der „Zeit“-Chefredakteur. „Oder jemand bescheinigt einem anderen, dass er etwas wider Erwarten wirklich gut hingekriegt hat.“ 

Zur Premiere schreibt der Autor Maxim Biller, der nicht zuletzt mit seinen Kolumnen „100 Zeilen Hass“ im Magazin „Tempo“ bekannt wurde, die später auch als Buch erschienen. Eine weitere Kolumne heißt „Mein Twitter-Tiefpunkt der Woche“, für die abwechselnd die beiden Journalisten Anja Reschke und Ulf Poschardt schreiben.

„Wir haben vor drei Jahren eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die hatte folgende Aufgabe: Wie würde die „Zeit“ aussehen, wenn du sie nochmal neu gründen könntest?“, sagte di Lorenzo. „Die Mitglieder hatten alle Freiheiten, auch Dinge zu entwickeln, die für die Tonne gewesen wären.“ So sei es aber nicht gewesen. „Und alles, was wir jetzt anpacken, war in diesem Projekt angelegt.»