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Serie Deutschsprachige Medien im Ausland (Teil 1): "AZ" in Namibia

Die deutsche Autobahnmaut interessiert hier keinen. Schon eher in der Wüste gefundene Geparden-Babys. Die "AZ" in Namibia ist die einzige deutschsprachige Tageszeitung außerhalb Europas. Ihr Erfolgsrezept ist es, voll auf Lokales zu setzen - und auf Bundesligaergebnisse.

Windhuk (dpa) - Am Südwestzipfel Afrikas erscheint im Wüstenstaat Namibia die letzte deutsche Tageszeitung außerhalb Europas. Das Team der namibischen "Allgemeinen Zeitung" ist ein bisschen wie das letzte gallische Dorf, wie Chefredakteur Stefan Fischer scherzt. Obwohl die Zahl der Deutschsprachigen in Namibia beständig zurückgeht - und damit auch die Auflage - gibt die Redaktion nicht auf und produziert von Montag bis Freitag eine 12-seitige Lokalzeitung. 

Die "AZ" wurde kurz nach dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia gegründet - nächstes Jahr steht das 100. Jubiläum an. Heute ist die "AZ" stolz darauf, eine klassische Lokalzeitung zu sein. "Die AZ ist keine deutsche Zeitung in Namibia, die AZ ist eine namibische Zeitung auf Deutsch", sagt Fischer. Die Themen reichen von bedrohten Vogelarten oder Problemen bei der Stromversorgung bis hin zu in der Wüste gefundenen Geparden-Babys. 

Ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den übrigen vier Tageszeitungen des Landes, die auf Englisch und Afrikaans erscheinen, ist die ausführliche Berichterstattung über deutschen Sport. "Wir sind am Montag die einzige Zeitung in Namibia mit Bundesliga-Ergebnissen", sagt Fischer. "Das wollen unsere Leser."

Der Newsroom in einer früheren Druckereihalle in Windhuk ist hochmodern, fast futuristisch. Die Schreibtische der "AZ" und der anderen zwei Zeitungen aus dem gleichen Verlagshaus sind in konzentrischen Kreisen um eine Mittelinsel angeordnet, von der aus die Sekretärinnen alles im Blick behalten. Auf großen Monitoren flackern CNN und lokale Fernsehsender, das Grundrauschen ist ein munteres Sprachgewirr der Journalisten aus Afrikaans, Englisch und Deutsch. 

Die Auflage der "AZ" ist von einem Hoch von 7000 in den 70er Jahren auf inzwischen nur noch 4000 Stück pro Tag geschrumpft. Das ist wenig - selbst in Namibia, das zweieinhalb Mal so groß ist wie Deutschland aber nur 2,1 Millionen Einwohner hat. Fischer zufolge ist die Zeitung jedoch profitabel. Sein Stellvertreter Eberhard Hofmann erklärt, wie eine Zeitung mit neun Redakteuren trotz Mini-Auflage noch Geld abwerfen kann. "Wir haben eine für Werbekunden sehr attraktive Leserschaft."

Die "AZ" kann demnach höhere Anzeigenpreise verlangen, da sie fast jeden deutschsprachigen Haushalt in Namibia erreicht. Die schätzungsweise bis zu 14 000 Deutschen stehen in Namibia in der Einkommenspyramide ganz oben, wie Hofmann erklärt.

Drei Viertel der Einnahmen der Zeitung kommen aus dem Anzeigenverkauf. Der Rest kommt zumeist aus Abos und dem Einzelverkauf zu je 4 namibischen Dollar pro Ausgabe (0,30 Euro). Die Lohnkosten sind für den Verlag deutlich niedriger als in Europa. Ein Jungredakteur startet mit umgerechnet rund 500 Euro brutto im Monat. Zudem profitiert die Zeitung bei Vertrieb und Verwaltung von Synergie-Effekten mit den beiden anderen Verlagstiteln, der auf Afrikaans erscheinenden "Republikein" und der Englischen "Namibian Sun".

Der aus Cottbus stammende Fischer arbeitete nach der Wende zunächst zehn Jahre bei der Regionalzeitung "Der Märkische Bote" in Brandenburg. Bei ersten Reisen nach Afrika verlor er jedoch sein Herz an die Region. 2001 packte er seine Sachen, zunächst nur, um ein Jahr bei der "AZ" zu arbeiten. Inzwischen ist der 45-Jährige in Namibia verheiratet und hat zwei Kinder. Deutschland ist für ihn inzwischen fernes Ausland - und so geht es auch den meisten seiner Leser, deren Familien oft seit Generationen in Namibia leben.

Die "AZ"-Redakteure - drei Deutsche und sechs deutschsprachige Namibier - konzentrieren sich voll auf das lokale Geschehen. Für deutsche und internationale Nachrichten ist der jeweilige Praktikant aus Deutschland zuständig, der dafür Agenturmeldungen auf die Seiten baut. "Es gibt nur sehr wenig Interesse daran, was in Deutschland passiert. Das ist weit weg - geografisch und auch in den Köpfen", sagt Fischer. Die Ausnahme sei der Sport.

Bei Politik und Vermischtem hingegen sei Deutschland nur ein Land von vielen, aus dem nur Großereignisse von Interesse seien. "Die Einführung der Autobahnmaut interessiert hier keinen." Wer doch mehr über Deutschland erfahren wolle, könne dies im Internet auf allen deutschen Nachrichtenseiten finden. 

Eine der Herausforderungen der "AZ"-Macher ist es, eine Afrikanisierung ihres Deutschen zu verhindern. Im Text schleichen sich trotz der Korrektoren schon mal Wortschöpfungen wie "Nasenhörner" anstatt "Nashörner" ein. "Unsere Schwierigkeit bei Leuten, die hier zwei- oder dreisprachig aufgewachsen sind, ist es, dass sie Ausdrücke manchmal eins zu eins übersetzen", fügt Fischer hinzu. "Da lese ich dann in einem Text schon mal "ich nehme ein Foto"." 

Namibia war etwa von 1884 bis 1915 eine deutsche Kolonie. Die meisten Deutschsprachigen in Namibia sind Nachfahren der während der Kolonialzeit eingewanderten Deutschen. Die Gruppe der Deutschsprachigen schrumpft jedoch: Zum einen, weil die Menschen weniger Kinder bekommen und zum anderen, weil viele auswandern. Die Einwanderungspolitik wiederum ist sehr restriktiv. 

Das sorgt bei der "AZ" schon mal für Personalknappheit. "Die Deutschsprachigen in Namibia haben alle einen Job, da gibt's keine Arbeitslosigkeit. Aber wegen der fehlenden Arbeitsgenehmigung kriege ich auch keine Leute aus Deutschland her", sagt Fischer. "Unsere Grafik-Designer sind alle Schwarze. Von denen spricht keiner Deutsch", sagt Fischer. "Die wissen dann zum Beispiel nicht, wo sie kürzen sollen, wenn ein Text zu lang ist."