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Sexy City-Frauen, coole Kids und Tratsch - viel Neues im deutschen Zeitschriftenmarkt

Neue Zeitschriften haben es traditionell nicht leicht in Deutschland. Doch das hält Verlage nicht davon ab, weitere Print-Projekte auszuprobieren. Die wichtigsten Neuigkeiten 2010.

   Berlin (dpa) - Neue Zeitschriften haben es schon oft schwer gehabt in Deutschland: Einige Titel, die mit viel Trara starteten oder vorbereitet wurden, schlossen wieder, wie 2009 nach zwei Jahren die deutsche "Vanity Fair", oder wurden zunächst wieder auf Eis gelegt, wie vor ein paar Wochen das Projekt "Woche" von Ex-"Spiegel"-Chef Stefan Aust. In den 90er Jahren scheiterte Hans-Hermann Tiedje mit "Tango". Andererseits gibt es immer wieder Erfolge wie das Magazin "Landlust" aus dem Landwirtschaftsverlag in Münster, das am Mittwoch erstmals mehr als 700.000 verkaufte Exemplare meldete, oder die Twen- Zeitschrift "Neon". Obwohl viel von Online-Journalismus geredet wird, kommen nach wie vor gedruckte Medien auf den Markt. Was sagen die Neugründungen 2010 über den Zustand der Nation? Und: Was kommt 2011?

   "Selbstverständlich spielt die Digitalisierung in der Medienwelt eine wachsende Rolle", sagt Holger Busch in Berlin. Beim Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) ist er Geschäftsführer für Marketing und Anzeigen. "Wir sehen das nicht zuletzt auch an der steigenden Anzahl von Online-Angeboten und iPad-Apps von Zeitschriftentiteln. Das ändert jedoch nichts daran, dass auch das klassische Print-Geschäft mit zahlreichen neuen Titeln aufwartet." Im Jahr 2009 seien 117 neue Magazine gestartet und hätten das deutsche Zeitschriftensortiment, das aus mehr als 3.000 Titeln besteht, erweitert.

   "Kein anderes Medium ist ein so präziser Seismograph für gesellschaftliche Entwicklungen wie Zeitschriften", findet Busch. "Die zunehmende Fragmentierung in der Gesellschaft spiegelt sich auch in einem wachsenden Titelangebot im Pressemarkt wider." Die Neugründungen der vergangenen Monate hätten alle jeweils eine journalistische Leitidee und seien weniger auf dem Marketing- Reißbrett entstanden, als das vielleicht in vergangenen Jahren der Fall gewesen sei. "Optische Opulenz" und "nicht zuletzt ein Stück Entschleunigung im hektischen Alltag" stehen laut Busch hoch im Kurs.

   Welche neuen Zielgruppen und Unterhaltungsbedürfnisse der VDZ-Mann meint, zeigt ein Überblick über die wichtigsten Neugründungen:

CHATTER: Startete am 7. Juli. Wochentitel aus dem Hause Burda ("Focus", "Bunte") zum Preis von 50 Cent. Erscheint auf Zeitungspapier. Das Blatt möchte auf dem heiß umkämpften Markt der Zeitschriften rund um Stars, Mode und Beauty mitmischen. Zielgruppe sind Stadtfrauen zwischen 20 und 50, die konsumfreudig sind. Passt in den Trend junger People-Magazine wie "InTouch" vom Bauer-Verlag, die Stars nicht überhöhen, sondern ein bisschen vom Sockel holen.

ALLEY CAT: Ebenfalls von Burda. Erste Ausgabe erschien im Mai. Untertitel: "Für Frauen, die mehr wollen", was Frauen meint, die mit TV-Serien wie "Sex and the City" großgeworden sind, also 20- bis 30- Jährige, die kein Problem mit Pornografie oder offenem Reden über Erotik haben. Titelthema: "Was die Generation 3.0 wirklich anmacht - und was Gefummel von gestern ist".

GRAZIA: Nennt sich "Fashion-Weekly" und kommt aus dem Hause Klambt ("OK!", "Heim und Welt"). Erschien erstmals im Februar. Der Titel "Grazia" stammt aus Italien, erscheint mittlerweile aber in 16 Ländern.

TRIP: Ein aus Brasilien importiertes Magazin, das Copacabana- Lebensstil an den mitteleuropäischen Mann bringen möchte. Ist erstmals Mitte April erschienen. Das brasilianische Original wurde in den 1980ern gegründet. Chefredakteur ist Thomas Garms, der mal Leiter von "Hörzu" oder "Men's Health" war. Die erste Ausgabe bot unter anderem eine Reportage aus Kambodscha, aber auch über Gangbang.

FREUNDIN DONNA: Die ältere Schwester der Burda-Frauenzeitschrift "Freundin", die erstmals im Mai erschien und Ladys der Generation "45plus" ansprechen möchte. Es geht um Themen wie Gesundheit und Mode. Die zweite Ausgabe soll im September folgen.

BEEF, BUSINESS PUNK, GALA MEN: Drei neue Hefte aus Europas größtem Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr ("Stern", "Geo", "Neon"), die testweise im Oktober 2009 starteten. Alle drei Titel dürfen weitermachen. Sie richten sich alle an recht spitze Zielgruppen - "Beef" (viermal jährlich) an kochfreudige Kerle, "Business Punk" (zweimal jährlich) an geschäftige Männer und "Gala Men" (auch zweimal pro Jahr) an mode- und klatschinteressierte Typen.

NIDO: Im Mai in Serie gegangenes Monatsmagazin für junge Eltern, das sich an älter gewordene "Neon"-Leser wendet. Die Zeitschrift für coole Eltern hat letztes Jahr zweimal versuchsweise am Kiosk gelegen und den Test aus Verlagssicht offensichtlich bestanden.

YUNO: Mitte Juni kam dieses Wissensmagazin für Kinder zunächst einmalig an die Kioske. Gruner + Jahr will damit Mädchen und Jungen ab 10 Jahren für sich gewinnen. Die Beiträge drehen sich um Stars, Wissenschaft und Sport. Konkurrenz für die Zeitschrift "Dein Spiegel", die "Der Spiegel" seit Dezember monatlich herausbringt. Es ist offensichtlich "in", coolen Kindern Aktuelles zu erklären.

UND SONST? Condé Nast ("Vogue", "GQ") will im kommenden Jahr einen neuen Titel starten, wie Deutschland-Chef Moritz von Laffert in einem Interview mit "Werben & Verkaufen" im März ankündigte. "Wir werden 2011 ein neues Magazin im High-End-Bereich starten." Der Titel wende sich an "Zielgruppen im oberen Ende des Spektrums". Ob es sich um einen Neustart der 2009 eingestellten "Vanity Fair" handelt - diesmal als Monatstitel wie in den USA, und nicht als Wochenmagazin wie in Italien - bestätigte von Laffert nicht. Branchenkenner vermuten, dass es sich bei dem geplanten Titel um das Luxus-Reisemagazin "Condé Nast Traveller" handeln könnte.

AUßERDEM: Am 1. Juli trat der ehemalige "Cicero"-Chef Wolfram Weimer seinen neuen Posten als "Focus"-Boss an. Er will das Münchner Magazin stärker gegen das Hamburger Konkurrenzblatt "Spiegel" positionieren. In Interviews sagte er, er wolle einer eher liberal-konservativen, urbanen Führungselite Resonanzboden bieten. Weimer wird gemeinsam mit dem bisherigen Chefredakteur Uli Baur die neue Spitze bilden. "Focus"-Gründungschef Helmut Markwort ("Fakten, Fakten, Fakten") bleibt Herausgeber des Magazins. Bei Weimers Ex- Blatt "Cicero", dem Monatsorgan konservativer Intellektueller aus dem Schweizer Medienhaus Ringier, hat bereits im Februar der ehemalige "Zeit"-Herausgeber Michael Naumann das Ruder übernommen, der einst Kulturstaatsminister unter Ex-Kanzler Gerhard Schröder war und 2008 SPD-Spitzenkandidat zur Hamburger Bürgerschaftswahl.