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Beitrag über Werkverträge: Daimler unterliegt im Streit mit dem SWR

Der Streit zwischen dem SWR und Daimler währt inzwischen gut ein Jahr. Es geht um eine verdeckt recherchierte Reportage, die der Sender auf dem Werksgelände des Autobauers drehte. Auch nach einem Urteil des Oberlandesgerichts ist der Streit noch nicht zu Ende.

Stuttgart (dpa) - Pressefreiheit siegt über Hausrecht: "Hungerlohn am Fließband" heißt der Titel der Reportage, über die SWR und Daimler ein Jahr vor Gericht stritten. Der Konzern wollte mit Hilfe einer Unterlassungsklage verhindern, dass die heimlich entstandenen Aufnahmen erneut ausgestrahlt werden. Das Oberlandesgericht Stuttgart gab am Mittwoch allerdings erneut dem Sender Recht.

Worum geht es in dem Fall?

Ausgangspunkt ist eine Reportage von 2013 über Niedriglöhne. Dafür hatte ein Reporter des Südwestrundfunks (SWR) getarnt als Mitarbeiter einer Logistikfirma bei Daimler in einem Werk des Autobauers gedreht - mit versteckter Kamera. Ein Vorwurf in dem Bericht: Daimler soll über Werkverträge an seinen Fließbändern Menschen beschäftigen, die nicht nur deutlich weniger Gehalt bekommen als Festangestellte, sondern ihren Lebensunterhalt sogar mit Hartz IV aufstocken müssen. Daimler nannte den Beitrag "manipulativ" und will die Ausstrahlung verhindern. Der SWR hält die Verwendung der Aufnahmen dagegen für rechtmäßig und sieht sich nun bestätigt.

Wie lautet die Entscheidung des Gerichts? 

Der Richter am Oberlandesgericht, Matthias Haag, stellte klar, dass bei dem Dreh der Reportage das Hausrecht und auch die Persönlichkeitsrechte des Unternehmens verletzt worden seien. Auch der Vorwurf der rechtswidrigen Arbeitnehmerüberlassung sei in dem Beitrag nicht belegt worden. Daimler habe sich völlig legal verhalten. 

Warum ist Daimler dennoch unterlegen?

Der aufgedeckte Missstand rechtfertige den Rechtsbruch, argumentierte der Richter. Denn dieser habe ein so erhebliches Gewicht, dass an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse bestehe. Daimler habe gezielt Arbeitsabläufe zerteilt, um sie per Werkvertrag an Dritte zu vergeben, so der Richter. Damit habe der Konzern für die Tätigkeiten keine Stammarbeitnehmer oder Leiharbeitnehmer einsetzen müssen, für die höhere Löhne fällig geworden wären. Die Löhne der Werkvertrags-Arbeiter seien hingegen so niedrig, dass sie, um eine Familie zu ernähren, Anspruch auf Hartz IV gehabt hätten. Damit habe der Konzern zumindest teilweise Kosten zulasten der Allgemeinheit eingespart. 

Wie könnte es weitergehen? 

Daimler hatte schon angekündigt, notfalls durch alle gerichtlichen Instanzen zu gehen. Das Oberlandesgericht hat allerdings keine Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Der Konzern will einer Sprecherin zufolge deshalb eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH abgeben.

Warum wurde keine Revision zugelassen? 

Das Oberlandesgericht hat nach eigenen Angaben nach den Grundsätzen des Walraff-Urteils des Bundesverfassungsgerichts entschieden. Darin war es auch um die Abwägung der Presse- und Meinungsfreiheit gegen Rechte Dritter gegangen. Er habe mit dem Urteil juristisch kein Neuland beschritten, begründete Richter Haag die Entscheidung.

Was ist überhaupt das Problem mit Werkverträgen? 

Mit Hilfe eines Werkvertrags kann ein Unternehmen Arbeitsaufträge an eine andere Firma vergeben. Den Lohn zahlt aber der Auftragnehmer nach seinem jeweiligen Tarifgefüge. Die Beschäftigten werden also unter Umständen schlechter bezahlt als die fest angestellten Mitarbeiter des Auftraggebers. Der darf die Beschäftigten des Werkvertrag-Nehmers dafür nicht wie eigene Mitarbeiter behandeln. Er darf ihnen zum Beispiel keine direkten Weisungen geben. Viele Firmen sehen in Werkverträgen ein wichtiges Instrument, um Aufträge wie Malerarbeiten oder Logistikdienstleistungen zu vergeben, aber auch um flexibel auf anfallende Aufträge zu reagieren. Daimler hat inzwischen extra Standards für die Vergabe festgelegt.

Von Annika Graf, dpa