Recht
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BGH: Keine Geldentschädigung wegen Billers Roman "Esra"

Ex-Freundin verlangt 50.000 Euro wegen Persönlichkeitsrechts-Verstoß.

Karlsruhe/Köln (ddp-nrw). Die Ex-Freundin des Autors Maxim Biller kann über das Verbot des Romans "Esra" hinaus keine zusätzliche Geldentschädigung wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts verlangen. Das hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe am Dienstag entschieden. Der BGH betonte die besondere Bedeutung der Kunstfreiheit. Der "hohe Rang" dieses Grundrechts gebiete bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Kunstwerke eine "besondere Zurückhaltung".

Der Roman "Esra" handelt von der schwierigen Liebesbeziehung zwischen Esra und dem Ich-Erzähler Adam, wobei auch Einzelheiten des Sexuallebens geschildert werden. Die Klägerin hatte Biller vorgeworfen, die Romanfigur Esra nach ihrem Vorbild gestaltet und im Text nur unzureichend verfremdet zu haben. Die Veröffentlichung der ursprünglichen Fassung des Romans im Februar 2003 und auch der geschwärzten Fassung im August 2003 verletze ihr Persönlichkeitsrecht so schwer, dass eine Geldentschädigung von 50 000 Euro gerechtfertigt sei, hatte sie argumentiert.

Das Buch "Esra" war 2003 in den Handel gekommen, aber kurz nach seinem Erscheinen verboten worden. Das Verbot wurde im Oktober 2007 vom Bundesverfassungsgericht endgültig bestätigt, weil das Werk die Intimsphäre der in der Romanfigur Esra eindeutig erkennbaren Ex-Freundin Billers verletze.

Biller und sein Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch waren im Februar 2008 vom Landgericht München zur Zahlung von 50 000 Euro Geldentschädigung an die Ex-Freundin des Autors verurteilt worden. In der Berufungsinstanz wies dann aber das Oberlandesgericht (OLG) München im Juli 2008 die Klage ab. Der BGH verwarf nun die Revision der Ex-Freundin Billers.

Aus Sicht des BGH wurde die Klägerin zwar durch die Veröffentlichung des Romans in ihren Persönlichkeitsrechten "schwerwiegend" betroffen. Dennoch habe sie keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung. Dies ergebe die Gesamtabwägung. Dabei sei zu berücksichtigen gewesen, dass es "äußerst schwierig" sei, die Grenzen der Kunstfreiheit zu bestimmen. Zudem greife das von der Ex-Freundin Billers erwirkte Verbot des Romans "bereits erheblich in die Kunstfreiheit ein".

Die Anwältin der Klägerin hatte argumentiert, die Folgen des Eingriffs in deren Persönlichkeitsrecht seien mit dem Romanverbot nicht ausreichend kompensiert. Der Rechtsstreit habe "über Jahre die Republik bewegt". Die Klägerin habe sich "drei Jahre nicht unter die Menschen getraut". Die Urfassung mit einer Auflage von 4000 und die geschwärzte Fassung mit einer Auflage von 2000 Exemplaren hätten durch die erhebliche Medienaufmerksamkeit wohl mehr als 6000 Leser erreicht.

Der Anwalt des Verlages und des Autors hielt dem entgegen, Biller könne keine Absicht nachgewiesen werden, seine Ex-Freundin bloßzustellen. Hier fehle ein "schweres Verschulden".

Der BGH entschied nun erstmals darüber, ob bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch einen Roman eine Geldentschädigung fällig ist. Bislang hatte es der BGH mit Schadenersatzklagen nach umstrittenen Presse- oder Fotoveröffentlichungen zu tun.

Mit "Esra" wurde zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ein Roman verboten - nach Klaus Manns Werk "Mephisto" im Jahr 1971. Damals ging es um angebliche Ähnlichkeiten der Hauptfigur mit dem berühmten Schauspieler Gustaf Gründgens und dessen Rolle in der NS-Zeit.

(AZ: VI ZR 219/08 - Urteil vom 24. November 2009)