Recht
B.Ü.

Was Medienrechtsanwältin Tanja Irion sagt: Die Interviewautorisierung aus juristischer Sicht

Was Medienrechtsanwältin Tanja Irion sagt: Die Interviewautorisierung aus juristischer Sicht Er hat das Interview geführt: Mario Müller-Dofel.

Die in Deutschland übliche Autorisierungspraxis bei Interviews sorgt immer wieder für Streit zwischen Journalisten und ihren Gesprächspartnern. Über die Schuldfrage herrscht häufig Meinungskrieg. Mario Müller-Dofel hat das Thema nun juristisch betrachtet – im Gespräch mit der Medienrechtsanwältin Tanja Irion für das ABZV-Portal „Gesprächsführung“. Ihr spektakulärster Fall war der Prozess von Ex-Formel-1-Chef Max Mosley gegen "Bild". Von Bülend Ürük.

Berlin - Der spektakulärste Interview-Streit dieses Jahres war bislang das Interview von AfD-Chefin Frauke Petry mit dem Mannheimer Morgen (MM), das wegen ihrer Äußerungen zu einem möglichen Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze für Schlagzeilen sorgte. Petry meinte, Medien hätten ihre Aussage aus dem Zusammenhang gerissen. MM-Chefredakteur Dirk Lübke konterte im Gespräch mit kress.de: „Wieso sie sich zum kleinen, ahnungslosen Mädchen stilisiert, das nicht wusste, was es sagt, ist für mich unerklärlich.“ 

 

Häufig fordern Journalisten, die Autorisierung gehöre abgeschafft, weil Interviewpartnern damit die Möglichkeit genommen würde, im Nachhinein ihre Antworten schönzufärben – oder gar ganze Passagen zu streichen. 

 

Streng gesehen wenig Spielraum

 

Doch wäre eine Abschaffung überhaupt möglich? Offensichtlich nur theoretisch. Denn ohne Autorisierungsvereinbarung dürften Journalisten laut Anwältin Tanja Irion nur den originalen Wortlaut von Interviews veröffentlichen. Irion original gegenüber Müller-Dofel: „Das heißt, Sie könnten unser Gespräch veröffentlichen, ohne es mir nochmal vorzulegen, müssten es dann aber genauso wie mündlich geführt abdrucken.“ Ihm hat sie das Interview übrigens erst gewährt, als er ihrem Autorisierungswunsch vor dem Gespräch entsprochen hat.  

 

Müller-Dofel wendet ein, dass „wie mündlich geführt abdrucken“ unmöglich sei, weil Journalisten zum Beispiel Platz- und Layoutzwänge hätten und zudem niemand druckreif rede. Irion bekräftigt: „Das ist zunächst mal Ihr Problem. Es gilt die Regel, dass der Interviewpartner auch dann geschützt sein muss, wenn keine Autorisierung vereinbart wurde. Streng juristisch gesehen, müssen Sie also zu 100 Prozent zitattreu bleiben.“ 

 

Da die Autorisierung des Interviews zwischen ihr und dem ABZV-Mann aber nun mal vor dem Gespräch beschlossen wurde, gilt: „Im Prinzip haben wir beide einen Interviewvertrag geschlossen, der Sie verpflichtet, mir Ihre Version vor der Veröffentlichung vorzulegen und mir das letzte Wort zum Text überlassen.“ Soll heißen: Dann kann der Interviewte seine Antworten im Nachhinein ändern, wie er will. Das Medium könne im den Abdruck aber verweigern. 

 

„Aus egoistischen Gründen ganz schlecht aussehen lassen“

 

Müller-Dofel nennt seine Gesprächspartnerin „misstrauisch“, sie selbst sich „vorsichtig“. Denn es sei ein sehr verbreitetes Problem, dass Menschen häufig in Gesprächen nur das hören, was sie hören wollen. „Um mich davor zu schützen, muss ich Ihre journalistische Leistung vor der Veröffentlichung prüfen und eventuell Dinge richtig stellen“, meint Irion. „Auch wenn Ihnen das missfällt, weil dadurch Ihre Story möglicherweise weniger dramatisch wird.“

 

Inwieweit Irion im Nachhinein in Müller-Dofels Textversion eingegriffen hat, ist zwar nicht überliefert. Auf jeden Fall ist das Interview informativ und unterhaltsam. So erklärt Irion auch, wie sie mit einem erfundenen Interview in einem Boulevardblatt umgegangen ist, wie Journalisten Interviewantworten verfälschen, wie sie manche Gesprächspartner „aus egoistischen Gründen ganz schlecht aussehen lassen“ und aus welchen weiteren Gründen sie allen Gesprächspartnern von Medien die Autorisierung empfiehlt. 

 

Dass die Strafzahlungen für Medien im Falle grober Verletzungen der Privatsphäre oder des Urheberrechts „kaum lohnend“ für geschädigte Mandanten sind, bedauert Irion. „Die Strafzahlungen schrecken kaum ab und werden von den Verlagen eingepreist.“

 

Alles in allem beobachtet Irion „ein wachsendes Misstrauen gegenüber Journalisten“. Mit dem Interview im ABZV-Portal, quasi eine kostenfreie Rechtsberatung für Interviewbeteiligte, wolle sie dazu beitragen, „dass es weniger Ärger zwischen Journalisten und ihren Gesprächspartnern gibt“.