Recht
Newsroom

Wann Filmaufnahmen von Polizeieinsätzen strafbar sind

Wann Filmaufnahmen von Polizeieinsätzen strafbar sind Gero Himmelsbach

Medienrechtler Gero Himmelsbach beantwortet Fragen nach einer aktuellen Entscheidung des OLG Zweibrücken. Und er meint, dass die Entscheidung überbewertet wird – vor allem dann, wenn man sie kritisch analysiert.

Berlin – Wann Filmaufnahmen von Polizeieinsätzen strafbar sind, erklärt Rechtsanwalt Gero Himmelsbach in seiner aktuellen Kolumne im „medium magazin“.

 

Im Mai 2020 dokumentiert eine betroffene Person eine nächtliche Polizeikontrolle in Kaiserslautern mit ihrem Smartphone. Es geht um einen Verstoß gegen die Corona-Kontaktregelungen. Die Gesichter der Polizisten sind auf der Aufnahme nicht zu sehen. Dennoch fordern sie die Herausgabe des Smartphones wegen eines möglichen Verstoßes gegen § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Da nach ist es verboten, „unbefugt (…) das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger“ aufzunehmen.

 

Die filmende Person weigert sich, ihr Smartphone herauszugeben. Daraufhin nehmen es die Polizisten gewaltsam an sich. Die Aktion führt zu einer Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung. Zu Recht, entschied das OLG Zweibrücken. Denn: Die Polizisten durften annehmen, dass die filmende Person eine Straftat nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen hat.

 

Heißt das nun, dass Filmaufnahmen von Polizeieinsätzen immer kritisch sind, weil auch ein Ton aufgenommen wird? Sind Äußerungen von Beamten während eines Einsatzes „nichtöffentlich gesprochene Worte“? Wichtig zunächst: Es geht bei diesem Fall nicht um das Recht am eigenen Bild. In Kaiserslautern wurden die Polizisten nicht einmal direkt gefilmt.

 

Welche Folgen ergeben sich nun aus dem Beschluss des OLG Zweibrücken für die Medienarbeit? Im Ergebnis: So gut wie keine. Das Gericht hat nicht einmal geprüft, ob überhaupt eine Straftat nach § 201 StGB vorliegt – das musste es auch nicht. Zu klären war nur: Konnten die Polizisten, als sie das Smartphone herausverlangten, davon ausgehen, dass ein Verstoß gegen § 201 StGB möglich ist? Ein Verstoß sei durchaus denkbar gewesen, meint das OLG. Dazu prüft es zwei Schlüsselbegriffe des § 201 StGB, nämlich „unbefugt“ und „nichtöffentlich“.

 

„Unbefugt“ sei die Aufnahme gewesen, weil die filmende Person für die Aufnahmen kein berechtigtes Interesse gehabt habe. Die Dokumentation des Einsatzes sei kein „berechtigtes Interesse“. Für eine Medienberichterstattung gilt das aber eben nicht: Medien fertigen Filmaufnahmen an, um über Vorgänge zu berichten. Ein Polizeieinsatz, der Corona-Regelungen durchsetzen soll, ist für die Öffentlichkeit interessant. Medienvertreter, die  ganz offen Polizeieinsätze filmen, handeln also „befugt“. Aber Vorsicht: Das hat sich noch nicht zu allen Gerichten herumgesprochen! Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) oder Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gibt es dazu noch nicht.

 

Wann Äußerungen öffentlich oder nichtöffentlich sind, auch darin sind sich die Gerichte völlig uneins. Kritisch war offenbar, dass in Kaiserslautern auch Gespräche zwischen den Polizisten abseits der Personenkontrollen aufgezeichnet wurden.

 

Das geschah aber nicht heimlich, sondern auch ganz offen. Wer sich in die Historie des § 201 StGB vertieft, sieht: Der Straftatbestand wurde 1967 in das StGB eingeführt, um geheime Abhörmaßnahmen unter Strafe zu stellen. Es ging dabei etwa um „Miniabhörgeräte“ in „Aktentaschenschlössern“ oder „Füllhalterkappen“. Es ist also ausgesprochen fraglich, dass das Gesetz das ganz offene Aufnehmen von Äußerungen unter Strafe stellt – selbst dann, wenn die Aufnahme keinen journalistischen Hintergrund hat.

 

Zum gesamten Rechtstipp.

 

Gero Himmelsbach ist Rechtsanwalt in München. Er berät seit vielen Jahren Verlage und Medienhäuser und lehrt an der Universität Bamberg Medienrecht.