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25 Jahre ARD-"Presseclub": Rauchen ist erlaubt - aber keiner tut es

Das Erste feiert 60 Jahre politische Diskussionen im Fernsehen.

Berlin (dapd). Im ARD-Hauptstadtstudio kurz vor der Aufzeichnung zu 25 Jahre "Presseclub": "Schauen Sie noch mal genau, neben wem sie sitzen, denn sie kommen ins Fernsehen möglicherweise", warnt eine verantwortliche Redakteurin das Publikum scherzhaft. Falls man nicht mit seinem Sitznachbarn gesehen werden wolle, sei dies der Zeitpunkt, um das noch schnell zu ändern. Gelächter im Publikum, gefolgt von einer gewissen Unruhe.

Die Sitznachbarn sind vor allem Vertreter von Berlins politischer Elite. Miteinander diskutieren sollen Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), "Spiegel"-Chefredakteur Georg Mascolo, Historiker Paul Nolte und die Publizistin Wibke Bruhns unter der Leitung von Moderator Jörg Schönenborn.

Auch im Publikum sitzen bei der Aufzeichnung am Mittwochabend auf grauen Plastikstühlen Publizisten, Chefredakteure, Politiker, TV-Moderatoren und Professoren. Gemeinsam mit den Machern der Sendung blicken sie an diesem Abend in erster Linie auf sich selbst. Das Thema der Diskussion lautet: "Nah an der Politik, weg von der Wirklichkeit? Was politischer Journalismus leisten und woran er scheitern kann". Am Sonntag (16. Dezember, 12.03 Uhr) wird sie im Ersten gezeigt. Es soll eine Art selbstkritischer Blick auf das vergangene Vierteljahrhundert werden. Denn schon so lange diskutieren Journalisten im "Presseclub" pro Sendung ein politisches Thema. Selbst viele Kinder dürften die Titelsequenz der Show kennen - sie wird in der Regel sonntags nach der "Sendung mit der Maus" ausgestrahlt.

An diesem Abend feiert die ARD aber nicht nur den "Presseclub", sondern auch 60 Jahre politische Diskussionen im deutschen Fernsehen, verrät die ARD-Vorsitzende und einstige "Presseclub"-Moderatorin Monika Piel in ihrer Begrüßungsrede. 1952 startete der "Internationale Frühschoppen", der Vorgänger des "Presseclubs". Der damalige Moderator, Werner Höfer, habe die Menschen wieder für das politische Geschehen interessiert und sensibilisiert, erläutert die Journalistin. "Und der Frühschoppen hat gezeigt, dass Streit unter Demokraten gar nichts Schlimmes ist."

Seit Höfers Tagen habe sich viel geändert, zeigt Piel auf. Damals sei den Gästen noch reichlich Wein eingeschenkt und es sei geraucht worden. Der heutige "Presseclub" sei dagegen nüchterner im doppelten Sinne. Auch stecke sich keiner mehr eine Zigarette an. "Wir haben aber ... für diese Traditionssendung im WDR eine Ausnahmeerlaubnis", beruhigt die WDR-Intendantin die Raucher unter den Gästen. "Also jemand, der rauchen möchte, darf im Presseclub rauchen." Die Feuerzeuge bleiben dennoch in den Taschen. Auch der Umgang mit Frauen sei heute ein anderer. Seit 2008 sei es das Ziel der Macher, eben so vielen Frauen wie Männer miteinander diskutieren zu lassen, sagt Piel unter Applaus.

Doch bei der Jubiläumssendung gelingt das nicht. Bruhns ist die einzige Frau am Gesprächstisch. Die ehemalige Geschäftsführerin der Piratenpartei, Marina Weisband, ist nicht gekommen. Sie sei krank, heißt es später. Nach dem Streit über angeblich falsche Zitate in einem "Spiegel"-Artikel hätte ihre Anwesenheit einen interessanten Beitrag zur Diskussion über den Zustand des politischen Journalismus versprochen. Weisband hatte einer Autorin des Magazins vorgeworfen, Zitate verbreitet zu haben, die sie so nicht autorisiert habe. Die Autorin hatte dies zurückgewiesen.

Und leider bleibt ein heftiger, aber fruchtbarer Schlagabtausch dann auch aus. Zwar beschwert sich Bruhns etwa über den Konkurrenzkampf unter den bundespolitischen Berichterstattern in Berlin: "Wenn ich mir das hier angucke, dann denke ich: Oh, ich bin froh, dass ich nicht mehr dabei bin." Mascolo fordert mehr Distanz zwischen Journalisten und Politikern.

Lammert kritisiert gar, oft werde der Schnelligkeit ein Vorrang vor der gründlichen Recherche eingeräumt, der Unterhaltung vor den komplexen Themen und den Aktivitäten der Regierung vor denen des Parlaments. Außerdem beobachte er einen starken Trend zum Konformismus. Trotzdem lautet sein Fazit: "Es gibt in Europa kaum ein Medien- und Politiksystem, das gleich gut oder besser wäre als das unsere." Offenbar können sie sich also doch mit einander sehen lassen, die Journalisten und die Bundespolitiker.