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Geheime WDR-Studie zu Günther Jauch und Co.: Der Entertainer ohne Klärungsenergie

Geheime WDR-Studie zu Günther Jauch und Co.: Der Entertainer ohne Klärungsenergie Günther Jauch.

Günther Jauch vor Thomas Gottschalk und vor Jörg Pilawa, Johannes B. Kerner und Kai Pflaume - so lautet das Ergebnis einer für die interne Positionierung bestimmte repräsentativen Umfrage, die der WDR bislang geheim halten konnte. Der ARD-Programmbeirat sah Jauch, der an diesem Sonntag seine letzte Sendung in der ARD moderiert, aber schon immer kritisch: "Er hakt selten nach, setzt sich sogar teilweise über die Antworten seiner Gäste hinweg. Von Bülend Ürük.

Imposant liest sich die Quoten-Statistik, die Jauchs Produktionsfirma zum Abschied zur Verfügung stellt: "Mit durchschnittlich 4,62 Millionen Zuschauern und einem durchschnittlichen Marktanteil von 16,2 Prozent ist Günther Jauch der erfolgreichste Talk, den das Erste jemals am Sonntagabend ausgestrahlt hat. 47 der bislang gezeigten 156 Ausgaben - also fast jede dritte Sendung - wurden von mehr als fünf Millionen Zuschauern gesehen. Die erfolgreichste Sendung überhaupt mit 8,25 Millionen Zuschauern (30,2 Prozent Marktanteil) war der Talk nach dem TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am 1. September 2013."


Was Günther Jauch sagt

 

Jauch lässt sich offiziell so zitieren: "Uns war es wichtig, am Sonntagabend mit relevanten und interessanten Gästen über das Thema der Woche zu diskutieren, politische und gesellschaftliche Debatten abzubilden und für den Zuschauer so einen Mehrwert und Erkenntnisgewinn zu schaffen. Ebenso wichtig war es uns aber auch, mal ein ungewöhnliches Thema anzupacken und uns mit besonders spannenden oder polarisierenden Gästen auseinanderzusetzen. Das mag manchmal für viel Kritik und Aufsehen gesorgt haben - aber gerade das macht das Live-Fernsehen und eine gute Diskussion auch aus: Unvorhergesehenes passiert, Debatten werden ausgelöst, Positionen und Meinungen prallen aufeinander und werden neu diskutiert. Mir haben die ungewöhnlicheren Sendungen immer besonders gut gefallen."


Jauch spricht Schwächen der Sendung an


Auffallend ist, dass Jauch jetzt am Ende seiner Dienstfahrt für die ARD mit dieser PR-Prosa genau die Schwächen der Sendung aufgreift - und ins Gegenteil verkehrt. Er pointiert genau die Aspekte, die er, getrieben von den Quotenerwartungen, nicht erfüllt hat. Ungewöhnliche Themen hat er nicht angepackt, sondern instinktsicher den Mainstream bedient. Spannende und polarisierende Gäste? Auch da scheint der Wunsch der Vater des Gedankens zu sein. Sein Moderationsstil war eher auf Berechenbarkeit und Erwartbarkeit konditioniert, aufeinander prallende Positionen und Meinungen waren - wenn überhaupt - zufällige Ausnahmen.


Kein Mehrwert, kein Erkenntnisgewinn


Im Gegenteil: das besondere Kennzeichen Jauchs war, genau diesen Mehrwert und Erkenntnisgewinn konsequent auszuklammern. Er bremste den polarisierenden Schlagabtausch bereits aus, bevor sich ein Meinungsstreit entfalten konnte. Er wollte nicht beunruhigen, sondern beruhigen; er mochte - wie sein Publikum - keine Polarisierungen. Weil er auf die notwendige Klärungsenergie bewusst verzichtete, war der Erkenntnisgewinn - den er jetzt hervorhebt - meist dürftig.


Jauch lieferte stets die Plattform für ein lose verkoppeltes Meinungs-Potpourri von "gesichtsbekannten" Figuren das unverknüpft und ungeklärt im Raum stand. Es ist kein Zufall, dass Günther Jauch vier Jahre lang mit diesem genuin unjournalistsichen Stil Bestwerte einfuhr. Mit seinen Wellness-Befragungen verschreckte er keinen (prominenten) Gast, er war berechenbar harmlos. Die Zuschauer konnten am Ende der Woche nach den Quotenvorlagen des "Tatorts" beruhigt mit der Illusion in den Schlaf versinken. Jauch, der Unpolitische, verstand es meisterhaft, jeden Konflikt in ein konsensuales Grundgefühl umzuwandeln.


Repräsentative Umfrage vom WDR


Bei einer repräsentativen Umfrage, die der WDR schon im Sommer 2011 erstellen ließ, erhielt Jauch die beste Bewertung - noch vor Thomas Gottschalk, Jörg Pilawa, Johannes B. Kerner und Kai Pflaume. Die Untersuchung, die vor dem Start des Gottschalk-Flops im ARD-Vorabendprogramm gemacht (bei der Millionen Euro versenkt wurden), zeigte übrigens auch, wie bekannt die Fernsehmacher tatsächlich sind - nur etwa fünf Prozent gaben an, Günther Jauch und Thomas Gottschalk nicht zu kennen.
Während Jauch Bestwerte beim Publikum erreichte, betrachtete der ARD-Programmbeirat ihren Superstar schon immer deutlich kritischer.


In einer Stellungnahme des Gremiums ist das Urteil verheerend. Dazu wurden die Sendungen im Zeitraum vom 11. September 2011 bis zum 15. Februar 2012 beobachtet. Damit hatte der ARD Programmbeirat seine wohl bislang beste Analyse vorgelegt und damit gezeigt, was dieses Gremium eigentlich könnte.


Eine Benchmark der konstruktiven Kritik, die sich die "Gremlins" später aber nicht mehr zugetraut hatten. Wahrscheinlich hatten die Intendanten und ihre Referenten aus diesem "Waterloo" gelernt und alles ins Werk gesetzt, solche Analysen künftig zu verhindern.


Das Urteil des ARD-Programmbeirats im Wortlaut


"Der Sendeplatz am Sonntag nach dem "Tatort" bzw. "Polizeiruf 110" ist nach wie vor sehr geeignet für einen politischen Talk. Nach dem erfolgreichen Krimi können hier unterschiedliche Publika für ein gesellschaftspolitisches Thema interessiert werden. Der rasante, lebendige Vorspann unterstützt diese Möglichkeit."Er polarisiert"Herr Jauch ist jedoch der einzige Moderator, dessen Gesprächsführung der Beirat deutlich kritisieren muss: er hakt selten nach, setzt sich sogar teilweise über die Antworten seiner Gäste hinweg, vertritt eine klar erkennbare eigene Meinung, folgt strikt seinem vorgefertigten Konzept, hakt eine Frage nach der anderen ab, polarisiert, schürt mit seinen Suggestivfragen teilweise Politikverdrossenheit und kommt damit der Verpflichtung zur journalistischen Sorgfalt nicht nach. Herr Jauch fällt als Moderator durch seine größtenteils einfach formulierten Fragen auf, so dass auch verschiedene Zielgruppen erreicht werden können. Allerdings nehmen diese Fragen zumeist auch die Antworten vorweg. Der Moderator geht einer ihm nicht genehmen Gesprächsentwicklung und Konfliktsituationen aus dem Weg, in dem er die andiskutierte Gesprächsschiene nicht weiter verfolgt. Nicht selten hangelt er sichvon einem Einspieler zum nächsten. Das nimmt dem politischen Talk am Sonntag die "Würze". Gelegentlich lässt er nach entsprechender Stimmungsmache das Publikum abstimmen, weist darauf hin, dass das Ergebnis natürlich nicht repräsentativ sei, sagt aber zugleich, dass man daran doch sehen kann, was die Menschen denken. Indirekt suggeriert er damit, dass das Ergebnis vielleicht doch repräsentativ ist. Auch die Einspieler mit Passantenbefragungen gaukeln eine vermeintliche Realität vor. Die Diskussion verläuft selten ergebnisoffen, schon die Titel der Sendungen enthalten oft eine polarisierende These. Diese Sendung ist eher eine Show als ein politischer Talk - eine beunruhigende Entwicklung für ein öffentlich-rechtliches Format!


Herr Jauch sollte dringend an seiner Gesprächsführung arbeiten, ebenso an der Themen- und Gästeauswahl. Positiv sind dem Beirat die Sendungen am 5. Februar 2012 über Auschwitz und am 4. März 2012 über den "Sündenfall Atomkraft" aufgefallen. Es ist gut, dass die beiden Themen aufgegriffen worden sind, obwohl sie keine hohen Quoten erwarten ließen. "Günther Jauch" ist als einziger Talk lediglich sechs Tage lang in der Mediathek abrufbar. Dies ist für den Beirat absolut nicht nachvollziehbar."


Immerhin hat Jauch aus der Kritik gelernt: er hätte - wie oben zitiert - gerne einen Erkenntnisgewinn geschaffen, polarisierende Gäste zu kontroversen Themen zu klärenden Positionen verleitet und dem Publikum damit neue Sichtweisen gebracht.

 

Bülend Ürük