TV
Newsroom

„Leuchttürme der Aufmerksamkeit“: ZDF-Intendant Bellut hält Sender für "nicht zu teuer"

„Teuer, mutlos, undurchsichtig: Ist das ZDF von gestern?“ Diese Frage stellten sich am Mittwochabend der ZDF-Intendant Thomas Bellut, Ex-RTL-Chef Helmut Thoma, Medienjournalist Stefan Niggemeier und Musikproduzent Tim Renner beim beliebten Social TV-Format „log in“ auf ZDFinfo. Mit dabei natürlich - wie es sich für das soziale Fernsehen gehört - die Zuschauer aus den sozialen Netzwerken, auf die bei „log in“ besonderer Wert gelegt wird. Tobias Gillen berichtet.

Mainz - Präsentiert von Sonja Schünemann und Wolf-Christian Ulrich ging es lebendig zu beim Talkformat des Digitalkanals. Im Zuschauervoting traten der amtierende ZDF-Intendant Thomas Bellut und der Inhaber des Musiklabels „Motor Entertainment“, Tim Renner, gegeneinander an, die somit auch den Anfang der Runde bildeten.

Renner positionierte sich recht schnell und deutlich gegen die Digitalvielfalt beim Mainzer Sender. Wenn alles Feuilletonische zu 3Sat gehe und alles Politische zu Phönix, dann mache das das Hauptprogramm kaputt, so seine Ansicht: „Es wäre schön, wenn das ZDF noch von gestern wäre“, sagte er und argumentierte auch hier mit der nun verlorenen Vielfalt im Hauptprogramm.

Thomas Bellut, seit genau einem Jahr Intendant des ZDF und zuvor in zehnjähriger Tätigkeit als Programmdirektor in Mainz aktiv, hielt stets vehement mit wenigen Argumenten gegen die Thesen, dass das ZDF zu teuer, mutlos und undurchsichtig sei. Immer wieder wirkte er in die Enge gedrängt und verteidigte sich argumentativ schwach.

Etwa, als es darauf zusprechen kam, dass Sendungen wie „Frontal 21“ nicht wirklich jugendfreundlich seien: „Das ist nicht jung, aber verdammt nochmal, es ist wichtig. Wer macht es denn?“ In diesem Punkt liefen Renner und Bellut immer wieder konträr zueinander. Bellut ist ein klarer Kämpfer für die Relevanz im ZDF. Renner hingegen vertritt die Meinung, dass das ZDF auf dem Kurs, auf dem es sich aktuell befindet, „absehbar den Tod der Irrelevanz sterben“ wird.

Ein Diskussionspunkt, später auch mit Ex-RTL-Chef Helmut Thoma und Medienjournalist und „Spiegel“-Autor Stefan Niggemeier, war auch der Kauf der Champions League-Übertragungsrechte. Diese hat das ZDF ab 2012 für drei Spielzeiten erworben. Bei geschätzten Kosten von über 50 Millionen Euro pro Saison sind das immerhin 150 Millionen Euro, die der Sender dafür an GEZ-Gebühren ausgegeben hat. Rechnet man den Jahresetat von ZDFkultur, neben ZDFneo und ZDFinfo der dritte Digitalkanal, nämlich etwa zwölf Millionen Euro, auf diesen Betrag um, hätte Bellut die kulturelle Sparte noch gute zwölf Jahre weiterführen können.

„Jeder Sender braucht Leuchttürme der Aufmerksamkeit“, entgegnet Bellut. Alles andere werde ihm ja von den Privatsendern vor der Nase weggekauft. So hätte er beispielsweise auch gerne „The Big Bang Theory“, eine US-Sitcom, die aktuell auf ProSieben läuft. Das Thema Geld nahm eine entscheidende Rolle in der Runde ein. Denn auch „Wetten, dass ..?“ geriet in die kostentechnische Renner-Kritik. „Eine Sendung ,Wetten, dass ..?‘ kostet zwei Millionen Euro“, erklärte er und rechnete auch hier vor, dass man von diesem Geld ZDFkultur hätte erhalten können. Würde er den Intendanten-Posten übernehmen, würde er die Champions League und „Wetten, dass ..?“ abschaffen „und das Geld in wichtige Sendungen“ investieren.

Renner liegt vorne, Bellut unterliegt

Auch das Thema Transparenz wurde behandelt. Hier trat Stefan Niggemeier vermehrt in Erscheinung. Etwa, als er forderte, dass das ZDF viel mehr Zahlen veröffentlichen solle. Auch wenn das hart sei, da sich die „Bild“-Zeitung schnell auf diese Zahlen stürzen und sie skandalisieren würde. Hier gab sich Thomas Bellut versöhnlich. Er versprach, dass dies angepackt werde und man aktuell dabei sei, die Zahlen zu veröffentlichen.

Helmut Thoma trug hingegen recht wenig zur Debatte um den Sender bei, der in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiert. Der Satz „das Einfallsreichste, was ARD & ZDF in den letzten 30 Jahren eingefallen ist, ist die Haushaltsabgabe“ war leider auch das Einfallsreichste, was dem Ex-RTL-Chef in den 60 Minuten Sendezeit einfiel. Zudem bestätigte er die Politisierung der ZDF-Gremien und Renners Meinung, sich eher auf einen Sender zu konzentrieren, als alles auszulagern. Beim finalen Zuschauervoting lag Tim Renner mit 59% zu 41% vor Intendant Bellut.

Letztlich brachte die Bestandsaufnahme des ZDF kaum neue Erkenntnisse. Mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren sind die Zuschauer noch zu alt, allerdings ergeht es RTL mit einem Schnitt von 51 Jahren aktuell nur geringfügig besser, bedenkt man, dass das Durchschnittsalter im deutschen Fernsehen bei 43 Jahren liegt.

Zudem ist man in der Diskussion um teure Fussball-Rechte und Shows wie „Wetten, dass ..?“ nicht weiter gekommen, als die Zugabe von Bellut, dass man neue Show-Ideen brauche und noch nicht gefunden habe. Über den Mut lässt sich beim ZDF nun nach wie vor prächtig streiten. Etwa mit der Frage, ob eine reflektierende Show wie diese „log in“-Ausgabe nicht vielleicht sogar besser im Hauptprogramm aufgehoben gewesen wäre, damit sie eine größere Masse erreicht hätte.

Tobias Gillen