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dpa - Khang Mischke, Roland Freund und Anna Ringle

Wohin steuert ProSiebenSat.1, Herr Habets?

Der große Fernseh- und Streamingkonzern steht vor großen Veränderungen. Erneuter Stellenabbau wird diskutiert. Noch größer ist ein Fragezeichen, das mit Italien zu tun hat.

Unterföhring (dpa) − Für den TV-Konzern ProSiebenSat.1 waren die Zeiten so spannend wie schon lange nicht. Der Mailänder Großaktionär − das TV-Imperium MediaforEurope (MFE) um die Familie des verstorbenen früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi − will mehr Einfluss auf das Unternehmen bei München. Sogar eine Übernahme wird diskutiert. Im Interview  sagt ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets, dass er vom Zeitpunkt der Ankündigung aus Mailand überrascht worden sei.

 

Wie gut ist Ihr Italienisch?

Es ist noch ausbaufähig, zumindest beim Sprechen. Aber ich verstehe alles, weil ich fließend Spanisch spreche. Ich kann mir vorstellen, warum Sie das fragen.

 

Ihr Vertrag als Chef von ProSiebenSat.1 wird um drei Jahre verlängert. Sie werden es viel stärker als bisher mit dem italienischen TV-Konzern MFE der Berlusconi-Familie zu tun haben. Die Mailänder wollen ihre Aktienanteile auf über 30 Prozent bringen und ihren Einfluss ausbauen.

Das angekündigte Angebot werden wir im Rahmen unserer gesetzlich vorgesehenen begründeten Stellungnahme bewerten, wenn die Angebotsunterlage veröffentlicht ist.

 

Seit Jahren rätselt die Medienbranche, was die Medienmanager aus Italien vorhaben. Waren Sie vom Zeitpunkt des Übernahmeangebots überrascht?

Das konkrete Timing der Ankündigung hat uns schon etwas überrascht. Es hat vorher keine Kommunikation dazu stattgefunden.

 

Sie sind seit Ende 2022 Chef von ProSiebenSat.1. Wie ist mittlerweile Ihr Verhältnis zu den Mailändern?

Unser Dialog hat sich positiv entwickelt. Vom Grundsatz her ist es erst einmal gut, dass wir Großaktionäre mit PPF aus Tschechien und MFE aus Italien haben, die beide selbst im Entertainment-Bereich Erfahrung haben. Wir verfolgen alle dieselbe Strategie, aber mit unterschiedlichen Perspektiven. Unsere DNA ist Entertainment und unser Ziel ist klar: Marktführer im deutschsprachigen Raum sein. Ich setze deshalb alles daran, Joyn so schnell wie möglich, so groß wie möglich zu machen und gleichzeitig unsere Sender weiter zu stärken. 

Im März hatten wir fast zehn Millionen Zuschauer auf Joyn, was einem Wachstum von 78 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Auch die Sender ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins wachsen erneut in den wichtigen Zielgruppen und insgesamt verringern wir den Abstand zu RTL. Das zeigt, dass unsere Strategie aufgeht und wir diese Umsetzung immer weiter beschleunigen. Wir investieren intensiv in Content, Plattform und Sender, um unser Angebot so attraktiv wie möglich für unsere Zuschauer zu machen. Dazu zählen auch Partnerschaften, um ein breites Angebot anbieten zu können.

 

Aber nicht alle wollen so mitmachen, wie Sie es sich wünschen. Es gab ziemlich viel Ärger und ungewöhnlich hart offen ausgetragenen Streit mit ARD und ZDF. Sie hatten deren Mediathek-Inhalte ohne konkretes Einverständnis auf Ihrer Plattform Joyn integriert. War das zu aggressiv von ProSiebenSat.1 − würden Sie es heute anders machen?

Der Dialog über mögliche Kooperation zieht sich bereits seit mehr als zwei Jahren. „Kooperation statt Konkurrenz im dualen System“ ist das übergreifende Thema, und es gab in dieser Zeit einige vielversprechende Treffen. Der neue Staatsvertrag der Bundesländer verlangt genau das von ARD und ZDF − mehr Kooperationen mit den Privaten. Das Gesetz wurde von den Ministerpräsidenten der Länder bereits im Oktober 2024 verabschiedet, auch wenn es erst zum 1. Dezember 2025 in Kraft treten wird. 

In Verbindung mit den Signalen, die wir bekommen haben, war es für uns logisch, einen Beta-Test einzuleiten und neue Dinge auszuprobieren. Von der harschen Reaktion von ARD und ZDF waren wir dann doch überrascht. Unterm Strich bin ich aber froh, dass wir es gemacht haben, weil es den Dialog intensiviert und uns in der Konkretisierung der Zusammenarbeit weiterbringt. Ich hoffe, dass wir zu einer guten und partnerschaftlichen Lösung kommen.

 

Unabhängig davon, wie die Gespräche mit ARD und ZDF verlaufen: Sobald der Staatsvertrag in Kraft tritt, werden Sie die Programminhalte der Öffentlich-Rechtlichen einbinden?

Ich denke, das wäre logisch, oder?

 

Also ja?

Ja, aber auf eine kooperative Weise. Wir arbeiten intensiv mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten daran, bis dahin eine gemeinsame Lösung zu finden und den Geist echter Kooperation gemeinsam umzusetzen. Dieser Dialog ist unverzichtbar und diesen werden wir fortsetzen.

 

Früher war Stefan Raab ein Gesicht von ProSiebenSat.1. Jetzt ist er bei Ihrem Konkurrenten RTL. Wie finden Sie denn seine Shows, die er dort zeigt?

Dass Raab zu RTL kam, war ein großer Marketing-Stunt. Raab wird weiterhin eine gewisse Fanbasis haben. Aber das Zuschauerinteresse sinkt schneller als ich dachte.

 

Sie bleiben weiter ProSiebenSat.1-Chef. Das bedeutet Kontinuität, denn es gab in den vergangenen Jahren gleich mehrmals Unruhe und Wechsel an der Spitze. Was ist Ihre Strategie für das Unternehmen mit rund 3,9 Milliarden Euro Umsatz und gut 7000 Jobs? Die Rede ist auch von weiterem Stellenabbau in Unterföhring.

Wir verfolgen konsequent eine sehr klare Strategie: Wir transformieren uns zu einem modernen Entertainment-Konzern und machen dabei sehr große Fortschritte. Wir investieren über eine Milliarde Euro in unsere Programminhalte, bauen unser eigenes Produktionsnetzwerk konsequent aus, stärken mit innovativem Content so auch unsere 15 linearen Sender und bauen eine umfangreiche Mediathek für unseren Superstreamer Joyn auf. 

Genau deshalb arbeiten wir gerade an mehreren täglichen Serien und entwickeln viele neue Reality-Formate, die sowohl für unsere linearen Sender wichtig sind als auch viel Reichweite für Joyn bringen. Außerdem haben wir die Verträge mit wichtigen Künstlern wie Joko & Klaas, Heidi Klum, Jörg Pilawa und vielen jungen Talenten weiter verlängert, mit denen wir ebenfalls an neuen Programmideen arbeiten.

 

Wie wollen Sie die Umsätze steigern?

Da wir unser Geld mit Werbung verdienen, ist es auch essenziell, dass wir nah an unseren Werbekunden sind. Heute bieten wir dank modernster Technologie und Einsatz von künstlicher Intelligenz innovative Werbeprodukte an, mit denen unsere Kunden ihre Zielgruppen passgenau erreichen. Innovationen sind essenziell in einer so schnellen Branche, daher arbeiten wir gerade auch an dem Aufbau von neuen Einnahmequellen wie zum Beispiel integrierten Shopping-Bereichen auf Joyn.

Unser klarer Fokus auf Entertainment bedeutet auch, dass wir uns von unseren Commerce-Beteiligungen und unserem Dating-Geschäft, der ParshipMeet Group, trennen wollen. Hier waren wir in den letzten drei Monaten sehr erfolgreich und haben drei Beteiligungen verkauft und werden über 250 Millionen Euro an Fremdkapital zurückzahlen. Diesen Weg werden wir auch weiterhin konsequent fortsetzen.

 

Und was ist mit dem Stellenabbau?

Gerade transformieren wir unseren Konzern, um schneller und effizienter zu werden − die Veränderungen am Markt fordern das von allen Medienunternehmen. Genau deshalb sprechen wir auch aktuell mit den Arbeitnehmervertretungen und sind im Mai dann sicher so weit, dass wir die Neuaufstellung gegenüber unseren Mitarbeitenden kommunizieren können. Einen Stellenabbau wollen wir auf jeden Fall im Rahmen eines Freiwilligenprogramms umsetzen.

 

ZUR PERSON: Bert Habets wird auch in den nächsten Jahren den TV- und Streamingkonzern ProSiebenSat.1 führen. Der 54-Jährige startete Ende 2022, nachdem sein Vorgänger Rainer Beaujean überraschend gegangen war. Habets bringt viel Erfahrung aus dem TV-Kosmos mit. Er war viele Jahre für den Konkurrenten RTL Group tätig. Habets ist gebürtiger Niederländer.