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Nachrichtenagentur dapd stellt Fremdsprachendienst ein: Auswärtiges Amt muss Auftrag neu ausschreiben

Die Kämpfe in Syrien, die Sorge vor Rot-Grün und die Veränderungen in Ungarn sind nur einige Themen, mit denen sich Guido Westerwelle derzeit intensiv beschäftigen muss. Auf das Auswärtige Amt wartet aber auch eine weitere Aufgabe, es muss einen neuen Nachrichtenlieferanten finden. Nach Newsroom.de-Informationen gilt Marktführer dpa am Werderschen Markt allerdings nicht als erste Wahl bei der Neubesetzung.

Berlin – Praktisch mit der zweiten Insolvenz Anfang März hat die Nachrichtenagentur dapd ihren Fremdsprachendienst eingestellt. Sprach die Agentur im Kundengespräch zu Beginn noch von Schwierigkeiten aufgrund des Insolvenzverfahrens, erfuhren die Kunden es dann in der vergangenen Woche schriftlich, dass der erst im Sommer 2012 etablierte Dienst vom Markt genommen werden muss.

Hauptgrund diesmal war nach Newsroom.de-Informationen die Weigerung von vielen freien Mitarbeitern im Ausland, weiterhin für den Dienst Beiträge zu verfassen. Nach der ersten Insolvenz war es der Berliner Führung nur dank einer massiven Charmeoffensive gelungen, die Journalisten im Ausland zu bewegen, die Arbeit trotz der finanziellen Einbußen nicht einzustellen. Diesmal ist dieses Unterfangen nicht gelungen.

Brief an Kunden

In der Nachricht für die Kunden, die Newsroom.de vorliegt, heißt es: „Sehr geehrte Damen und Herren, mit tiefstem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass die dapd Insolvenz angemeldet hat. Aufgrund dieser Entwicklung können wir Ihnen künftig den dapd Fremdsprachendienst leider nicht mehr anbieten. Der Dienst muss in allen acht Fremdsprachen eingestellt werden. Wir bedanken uns aufrichtig für Ihr Interesse und die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.“

Die dapd hat seit dem 1. Juni 2012 das Auswärtige Amt mit Nachrichten aus und über Deutschland beliefert, die Gesamtleitung lag in den Händen von Markus Weidling, redaktioneller Leiter war der langjährige AP-Deutschland-Chefredakteur Peter Gehrig, als Nachrichtenchef vervollständigte der gelernte Agenturjournalist David Rollik die Führungsmannschaft.

Aufgabe des Fremdsprachendienstes war es, dem Auswärtigen Amt und seinen Auslandsvertretungen täglich in acht Sprachen deutsche Positionen zu erklären, gesellschaftliche und kulturelle Hintergründe zu vermitteln. „Wir haben die Nachrichten von dapd gerne gelesen, sie waren verständlich aufbereitet“, so ein deutscher Diplomat in Mexiko zu Newsroom.de.

Gerichte mussten entscheiden

Den Auftrag des Auswärtigen Amtes zog dapd nach zahlreichen Kämpfen vor Gericht an Land. Vor der Kooperation mit dapd hatte das Auswärtige Amt gut 60 Jahre mit der Deutschen Presse-Agentur zusammengearbeitet. Nachdem das Auswärtige Amt den Auftrag erstmals öffentlich ausschreiben musste, entschied sich das Amt von Guido Westerwelle für dapd, das Konkurrenten und Marktführer dpa preislich unterbieten konnte. 3,5 Millionen Euro hatte dpa bislang für den Auftrag erhalten. Beschwerden vor Gericht brachten dpa keinen Erfolg.

Insolvenz bedeutet Ende für Fremdsprachendienst

Jetzt hat kein Gerichtsurteil, sondern die neuerliche dapd-Insolvenz dem Fremdsprachendienst in die Knie gezwungen. Das Angebot wird eingestellt, obwohl es bis zuletzt trotz des enormen Personalaufwandes schwarze Zahlen schrieb.

Insolvenzverwalterin Petra Hilgers, eine Juristin in Berlin, die in Freiburg und Bonn studiert hat, war auf mehrmalige Newsroom.de-Anfrage in den vergangenen Tagen nicht erreichbar. Gegenüber Newsroom.de erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes lediglich: „Zu Vertragsfragen können keine Angaben gemacht werden, ebensowenig zu möglichen Folgen des Insolvenzverfahrens."

Dienst in acht Sprachen

Die dapd belieferte aber nicht nur das Auswärtige Amt mit dem besonderen Fremdsprachendienst (Angebot in deutscher Sprache und auf Spanisch, Französisch, Arabisch, Chinesisch, Portugiesisch, Englisch und Russisch), sondern über 200 Kunden in aller Welt; darunter die „Times of India“ oder die „Hindustan Times“, die Fernsehsender ABC in den USA und TRT in der Türkei oder zahlreiche Schulen in der Türkei und Goethe-Institute weltweit. Das Problem – für die dapd-Dienste hat von diesen Kunden fast niemand bezahlt.

„Die Einstellung des Fremdsprachendienstes ist sehr traurig“, erklärte Peter Gehrig, der bis zum Eintritt in den Ruhestand Ende 2012 dem Dienst vorstand. Seine Stimme klingt am Telefon brüchig, „es war ein Vorzeigedienst, ein Prestigeprojekt für uns. In diesem ganzen dapd-Drama ist es ein Drama für sich. Wir haben es aus dem Boden gestemmt, auch innerhalb des Hauses darum gekämpft“, erklärt Agenturprofi Peter Gehrig betrübt gegenüber Newsroom.de.

Journalisten in aller Welt

Für das Angebot musste dapd weltweit investieren, ein neues Team aufstellen. So musste dapd egypt für den arabischen Dienst gegründet werden, das französische Angebot entstand in Paris, in Buenos Aires verfassten freie Mitarbeiter die portugiesischen Beiträge, weitere eigene Repräsentanten und Journalisten berichteten aus Singapur, aus Moskau, Washington, Los Angeles, Neu-Delhi, Nairobi, Istanbul oder London.

Fest vereinbart war mit dem Auswärtigen Amt die Anzahl der täglichen Beiträge. Tag für Tag mussten drei bis fünf Nachrichten auf Chinesisch, Russisch, Portugiesisch und Französisch, 20 auf Arabisch und Spanisch, 25 auf Englisch und 35 auf Deutsch an die Kunden in aller Welt verschickt werden.

Beim Auswärtigen Amt heißt es, dass der Auftrag nun nicht automatisch wieder an die Deutsche Presse-Agentur fällt. Neben dpa und dapd gab es bei der ersten Ausschreibung noch einen dritten Bewerber um den lukrativen Auftrag; der muss nun erneut öffentlich ausgeschrieben werden.

Bülend Ürük

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