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Nachrichtenagenturen: Ulrich Ende hat Kaufpreis für dapd nicht überwiesen - dpa hatte Interesse an Mitbewerber

Erstmals nimmt Christian Köhler-Ma, zu Beginn Sachwalter, dann Insolvenzverwalter bei der dapd-Insolvenz im Oktober 2012, im Gespräch mit Newsroom.de-Chefredakteur Bülend Ürük Stellung zu der aktuellen Situation bei der Nachrichtenagentur.

Berlin – Im Interview erklärt Christian Köhler-Ma, dass Ulrich Ende den Kaufpreis bis heute nicht überwiesen hat. „Daher sind die verkauften Gegenstände auch weiter im Eigentum der hiesigen Insolvenzmasse bei mir als Insolvenzverwalter“, so Köhler-Ma zu Newsroom.de. Auch bestätigt Köhler-Ma, dass es noch keine Unterschrift gab, als Ulrich Ende im Dezember als dapd-Retter präsentiert wurde.

Der Berliner Rechtsanwalt erklärt zudem, dass lediglich Marktführer dpa nach der Oktober-Insolvenz Interesse bei ihm signalisiert hätte – „die wollten den Konkurrenten aber selbstverständlich nicht fortführen“.

Weitere Unternehmen hätten bei ihm nicht angefragt, erklärt Köhler-Ma. Am vergangenen Sonntag hatte Newsroom.de berichtet, dass es auch weitere ernsthafte Bewerber um die dapd gab, die bis heute auf eine Nachricht warten. 

Rechtsanwalt Christian Köhler-Ma betont: „Bei allen Diskussionen um die erneute Insolvenz ist auch zu berücksichtigen, dass alle diesbezüglichen Entscheidungen in Anwesenheit des Geschäftsführers, Herrn von der Fecht, im Gläubigerausschuss gründlich und ausführlich diskutiert und einstimmig getroffen wurden.“

NEWSROOM: Herr Köhler-Ma, Sie haben Herrn Ende ein „besenreines“ Unternehmen übergeben. Dennoch befindet sich die Nachrichtenagentur erneut in der Insolvenz. Und das zum zweiten Mal in nicht einmal sechs Monaten. Woran ist Herr Ende aus Ihrer Sicht gescheitert?

Christian Köhler-Ma: Entscheidend war, dass die Investoren, die Ulrich Ende gefunden hatte, ihm das zugesagte frische Kapital dann doch nicht zur Verfügung gestellt haben.

„Kündigungsschutzklagen eine Selbstverständlichkeit“

NEWSROOM: Haben Sie Herrn Ende verschwiegen, dass Kündigungsschutzklagen von entlassenen Mitarbeitern auf ihn zukommen würden?

Christian Köhler-Ma: Bei einem Personalabbau in der Insolvenz sind Kündigungsschutzklagen eine Selbstverständlichkeit. Gekündigte Mitarbeiter haben grundsätzlich das Recht, gegen die Entlassung zu klagen. Allerdings spielen die Kündigungsschutzklagen bei der dapd eher eine untergeordnete Rolle, da diese bisher für relativ geringe Beträge durch Vergleiche beendet werden konnten.

NEWSROOM: Also ist es nicht Ihre Schuld, dass dapd erneut insolvent ist und die dapd-Journalisten wieder um Ihre Arbeitsplätze bangen?

Christian Köhler-Ma: In der Tat. Ich bedauere diese erneute Insolvenz sehr und vor allem, dass die Mitarbeiter sich erneut um ihren Arbeitsplatz sorgen müssen. Aber ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, dass dapd zum Antragszeitpunkt einen Verlust von 1 Million Euro im Monat machte. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein solches Unternehmen überhaupt erhalten und ein neuer Betreiber gefunden werden kann. Ulrich Ende war der einzige Interessent, der dapd als Agentur mit allen Arbeitsplätzen erhalten wollte und dazu ein entsprechendes Konzept vorlegte. Angesichts der schwierigen Umstände war der Gläubigerausschuss froh über diesen Investor. Denn sonst hätten wir die dapd schließen oder erheblich verkleinern müssen. Die Mitarbeiter hätten dann bereits im Januar ihren Arbeitsplatz verloren. Weder der Insolvenzverwalter noch der Gläubigerausschuss können garantieren, dass ein Investor mit seinem Konzept erfolgreich ist. Wir können in der Restrukturierungsphase während der Insolvenz nur einen günstigen strukturellen und finanziellen Rahmen herstellen.

NEWSROOM: Blicken wir doch kurz zurück in das vergangene Jahr. Am 14. Dezember 2012 haben Sie für viele Beobachter überraschend Herrn Ende als Investor präsentiert. Ist es richtig, dass es zu diesem Zeitpunkt keine Unterschrift unter dem Vertrag gab?

Christian Köhler-Ma: Das trifft zu.

NEWSROOM: Warum haben Sie denn dann nicht weiter mit potentiellen Käufern verhandelt?

Christian Köhler-Ma: Außer Ulrich Ende wollte kein Investor frisches Kapital in das Unternehmen stecken. Dies war aber – wie man in der Folge gesehen hat – dringend notwendig.

„Weitere Unternehmen haben bei mir leider nicht angefragt“

NEWSROOM: Würden Sie sagen, dass es besser gewesen wäre, auch mit weiteren potentiellen Investoren zu sprechen? Einige Unternehmen, die bei Ihnen angefragt hatten, warten nach unseren Informationen immer noch auf eine Rückmeldung?

Christian Köhler-Ma: Weitere Unternehmen hatten bei mir leider nicht angefragt, mit Ausnahme der dpa, die aber selbstverständlich keine Fortführung des Konkurrenten wollte. Selbstverständlich wäre ich für weitere Interessenten äußerst dankbar gewesen. Interessenten wurden vor allem durch die hohen Verluste der dapd abgeschreckt.

NEWSROOM: Ist der Kontakt zu Herrn Ende über Herrn Löw und Herrn Vorderwülbecke, den ehemaligen Eigentümern der Nachrichtenagentur dapd, zustande gekommen?

Christian Köhler-Ma: Nein.

NEWSROOM: Stimmt es, dass Herr Ende die 300.000 Euro, die er für den Erwerb der dapd bezahlen muss, bis heute nicht überwiesen hat?

Christian Köhler-Ma: Ja. Daher sind die verkauften Gegenstände auch weiter im Eigentum der hiesigen Insolvenzmassen bei mir als Insolvenzverwalter.

NEWSROOM: Wie würden Sie Ihre Zusammenarbeit mit der neuen Insolvenzverwalterin Frau Dr. Hilgers beschreiben?

Christian Köhler-Ma: Mit Frau Dr. Hilgers arbeite ich ausgezeichnet zusammen.

„Frisches Kapital in Millionenhöhe notwendig“

NEWSROOM: Was müsste ein neuer Investor mitbringen, um die dapd in eine erfolgreiche Zukunft zu führen?

Christian Köhler-Ma: Nochmals: Der entscheidende Punkt ist frisches Kapital in Millionenhöhe.

NEWSROOM: Welche Zukunft hat die Nachrichtenagentur dapd aus Ihrer Sicht?

Christian Köhler-Ma: Das hängt davon ab, ob es einen neuen Investor gibt. Ohne diesen wird es sehr schwer.

"Vertrag mit AP schlicht zu teuer"

NEWSROOM: Sie haben im Dezember auch den über viele Jahre laufenden Vertrag mit Associated Press aufgelöst, obwohl mir amerikanische Juristen erklärt hatten, dass AP die dapd beliefern muss und nicht aus dem Vertrag kommt. Warum haben Sie den Vertrag mit AP aufgegeben und nicht darum gekämpft?

Christian Köhler-Ma: Der Vertrag mit AP war für dapd schlicht zu teuer. Unter allen Beteiligten – einschließlich Herrn von der Fecht und dem Gläubigerausschuss – war deshalb unstreitig, dass wir die vertraglich geschuldeten Kosten des AP-Vertrages im eröffneten Verfahren aus den zu erwartenden Umsätzen nicht hätten bezahlen können. Die dapd hatte ein Grundproblem: von seinen Kunden erhielt die Agentur keine ausreichende Vergütung, um die Herstellungskosten der versprochenen Nachrichten zu decken. Deshalb entstanden die hohen monatlichen Verluste von einer Million Euro. Bei allen Diskussionen um die erneute Insolvenz ist auch zu berücksichtigen, dass alle diesbezüglichen Entscheidungen in Anwesenheit des Geschäftsführers, Herrn von der Fecht, im Gläubigerausschuss gründlich und ausführlich diskutiert und einstimmig getroffen wurden.

Die Fragen an Rechtsanwalt Christian Köhler-Ma stellte Newsroom.de-Chefredakteur Bülend Ürük.

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