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Neues Wissenschaftsmagazin: „Substanz“ will Wissenschaft modern erzählen

Zwei Hamburger Journalisten wollen Wissenschaft modern erzählen. Für die Umsetzung ihres „Substanz“-Magazins bitten sie ihre zukünftigen Leser um Unterstützung.

 

Hamburg - Per Crowdfunding wollen Denis Dilba (36) und Georg Dahm (43) das erste Wissenschaftsmagazin veröffentlichen, das rein digital erscheint. Freie Autoren wollen sie fair bezahlen.

Die ersten Rückmeldungen zum am Mittwoch gestarteten Aufruf bei Startnext sehen gut - insgesamt benötigen Dahm und Dilba 30.000 Euro, um Entwicklung der App und die ersten Magazine zu finanzieren. „Substanz“, so der Name, soll wöchentlich für Tablet, Laptop und Smartphone erscheinen, Zielgruppe sind Schüler, Eltern, Lehrer, Postgraduierte und sogar Professoren.

 

Setzen auf die Crowdfunding: Denis Dilba und Georg Dahm, Macher von "Substanz", das in ihrem eigenen Verlag Fail Better erscheinen soll.

 

 

Für „Substanz“ gehen die beiden Macher selbst ins Risiko, sie haben ihre Ersparnisse geplündert, müssen zur Bank, um Kredite aufzunehmen, die Unterstützung aus dem Crowdfunding „ermöglicht uns den Start und das Durchhalten“. Ihre journalistischen Kenntnisse sind unbestritten, zuletzt haben sie für die im Mai 2013 eingestellte deutsche Ausgabe vom „New Scientist“ geschrieben. Georg Dahm war davor sogar bei der "Financial Times Deutschland" tätig, die im Dezember 2012 das letzte Mal erschien.

Jetzt wollen die Jung-Unternehmer alles richtig machen. Und zukünftige Kollegen im Gegensatz zu anderen Verlagen ordentlich bezahlen.

Newsroom.de: Herr Dilba, was macht eine gute Wissenschaftsgeschichte aus?

Denis Dilba: Da kann ich nur für uns antworten. Wenn jemand eine Substanz-Geschichte gelesen hat, ist er im Idealfall erstens mal gut unterhalten worden. Zweitens hat er richtig was gelernt über ein interessantes Forschungsfeld, also Zusammenhänge verstanden, die im Tagesjournalismus zu kurz kommen. Und drittens hat er einen Eindruck davon bekommen, wieso wir eigentlich wissen, was wir wissen. Wer sich da wie abstrampelt und mit wem streitet und gegen wen durchsetzt. Oder eben auch scheitert und trotzdem wieder aufsteht. Wir glauben, dass man Wissenschaft besser versteht, wenn man die Menschen dahinter versteht.

Newsroom.de: Herr Dahm, nicht viele können Wissenschaft packend vermitteln. Sollten Journalisten selbst Wissenschaftler sein, um eine spannende Geschichte über Wissenschaft zu schreiben?

Georg Dahm: Besser wär’s. Ich habe von meinem Hauptfach Humanbiologie sehr profitiert. Mir war zwar eigentlich immer klar, dass ich kein Forscher werden würde. Aber wer Forscher verstehen will, muss schon ein Grundverständnis von wissenschaftlichem Arbeiten haben. Studien lesen können, eine Ahnung von Statistik haben, diese Lebenswelt ein bisschen verstehen, über die man schreibt.


Newsroom.de: Sie haben bei großen Verlagen gearbeitet, kennen Ihr Geschäft. Fanden Sie es zu langweilig, erneut für ein großes Medienhaus zu arbeiten?

Georg Dahm: Also, über Langeweile konnte ich bei zwei Redaktionspleiten in sechs Monaten wirklich nicht klagen. Ich hatte ja gerade erst die FTD beerdigt, da kam mit dem Aus für den deutschen New Scientist gleich die nächste Klatsche. Ich wollte einfach nicht mehr mein Herzblut in ein Magazin stecken, über dessen Existenz dann andere entscheiden. Und das dann noch nicht mal besonders klug.


Newsroom.de: Aber die wenigsten Journalisten und Wissenschaftler gelten als gute Kaufleute.

Denis Dilba: Wir wollten selber die Verantwortung tragen für unser Konzept. Und was das Betriebswirtschaftliche angeht: Wir haben unseren Businessplan zusammen mit zwei Gründungscoaches entwickelt, die uns so gnadenlos getrietzt haben, dass uns der Realbetrieb jetzt auch keine Angst mehr macht.


Newsroom.de: Was genau steckt hinter Fail Better? Wie sind Sie auf den Namen gekommen?

Georg Dahm: Das ist aus einem Samuel Beckett-Zitat, mit dem uns die Kollegen vom britischen New Scientist damals getröstet haben: “All of old. Nothing else ever. Ever tried. Ever failed. No Matter. Try again. Fail Again. Fail Better.” Das wurde sofort unser Redaktions-Credo. Und es passt auch gut zum Thema Wissenschaft: Ohne gescheiterte Experimente kein Erkenntnisfortschritt.


Newsroom.de: Sie wollen etwas erreichen, woran selbst viele große Verlage sich bislang die Zähne ausgebissen haben - den Nutzer zum Bezahlen zu bewegen. Wie wollen Sie das anstellen?

Denis: Dilba: Die ganz einfache Antwort: Indem wir Geschichten bieten, die es nicht umsonst gibt. Erstens: Wir versuchen gar nicht erst, mit nachrichtengetriebenen Seiten wie Zeit Online oder Spiegel Online zu konkurrieren. Wir liefern die Einordnung, die großen, etwas zeitloseren Geschichten. Zweitens: Wir inszenieren jede Geschichte von Anfang an fürs Tablet, das wird ein völlig anderes Leseerlebnis als die klassische Kombi “Printgeschichte + leidlich relevante Bildergalerie + Youtube-Link”. Drittens: Wir wollen eine neue Tonalität in den Wissenschaftsjournalismus einführen. Ein Kollege hat unser Konzept mal als “Business Punk für Science-Leser” beschrieben. Das ist gar nicht so falsch.


Newsroom.de: Wie groß ist aus Ihrer Sicht der Markt für Menschen, die bereit sind, für lange Lesestücke, für Geschichten zu bezahlen?

Denis Dilba: Naja, die gesamte verkaufte Print-Auflage von populärwissenschaftlichen Erwachsenen- und Jugendmagazinen lag im letzten Jahr bei über 900.000. Da geht so einiges.


Newsroom.de: Sie suchen jetzt schon neue Autoren. Was müssen diese Kollegen mitbringen, um für Sie schreiben zu dürfen?

Georg Dahm: Vor allem müssen sie Lust haben, rauszugehen und mit vielen Protagonisten zu sprechen - wir wollen einen gut recherchierten, lebendigen Journalismus. Sie müssen sich darauf einstellen, dass wir hohe Ansprüche an die Textqualität stellen und auch mal etwas intensiver über eine Passage diskutieren. Und sie müssen Lust auf Experimente haben. Wir fragen uns ja bei jeder Geschichte von Anfang an: Wie kann man die digital inszenieren, wie kann man wo mit Text-, Bild und Filmelementen spielen? Das wird nicht getan sein mit “hier sind die 12.000 Zeichen Text und hier ist noch der Infokasten”. Für diesen Aufwand wollen wir faire Tagessätze zahlen, trotzdem wird das sicher anstrengend. Aber es wird Spaß machen.

Die Fragen an Georg Dahm und Denis Dilba, Gründer von „Fail Better“ und hoffnungsvolle zukünftige Macher von „Substanz“, stellte Newsroom.de-Chefredakteur Bülend Ürük.

Newsroom.de-Service: Hier geht es zum „Substanz“-Aufruf bei Startnext.