Unternehmen
Newsroom

Politiker betrachten mögliche Rettung mit Wohlwollen, aber: "Für neue dapd muss Unabhängigkeit garantiert werden"

Steigt RIA Novosti bei dapd ein, "muss die Unabhängigkeit von dapd" garantiert werden, fordert Hendrik Zörner vom DJV. Medienminister Bernd Neumann stellt fest, dass für "alle Pressepublikationen in Deutschland die Pressefreiheit der Rahmen ist." Tabea Rößner, Medienpolitikerin der Grünen, glaubt nur dann an den Erfolg der neuen dapd, wenn die Nachrichtenagentur tatsächlich unabhängig berichten kann.

Berlin - Für viel Wirbel hat unser Beitrag gesorgt, dass die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, die zur staatlichen RIA-Gruppe gehört, Interesse an der in Turbulenzen steckenden deutschen Nachrichtenagentur dapd zeigt.  "Der Einstieg bei dapd ist eine Möglichkeit, im Rahmen unserer Strategie "RIA Goes Global" unsere Agentur bekannter zu machen", hatte der stellvertretende RIA-Novosti-Chefredakteure Valery Levchenko zu Newsroom.de gesagt.

Die Nachricht hat vielerorts für Erstaunen gesorgt, denn mit dem Einstieg von RIA Novosti wäre es das erste Mal, dass ein russisches Medienunternehmen in den deutschen Nachrichtenmarkt einsteigt.

 

Auf Einladung von Moderator Daniel Fiene spricht Newsroom.de-Chefredakteur Bülend Ürük heute Abend im DRadio Wissen über die Situation der Nachrichtenagenturen in Deutschland - mehr Infos zu der Sendung gibt es ab heute Nachmittag hier.

 

Doch die Vertragsverhandlungen gestalten sich als zunehmend schwierig, ein Scheitern auf den letzten Metern ist kein Ding der Unmöglichkeit - die Entscheidungswege auf russischer Seite sind lang, während Insolvenzverwalterin Petra Hilgers, eine Anwältin aus Berlin, die Verträge lieber gestern als heute unterschrieben hätte. 

 

Medienminister Bernd Neumann.

 

Mit Wohlwollen betrachtet der Berliner Politbetrieb die Bemühungen, die einst zweitgrößte deutsche Nachrichtenagentur zu retten und mit einem tragfähigem Konzept am Markt neu zu positionieren. "Wir wollen die Vielfalt auch auf dem Markt der Nachrichtenagenturen", heißt es beispielsweise aus einem Bundesministerium.

Offiziell wollen sich viele Politiker erst dann äußern, wenn die Verhandlungen zwischen russischer Agentur und Insolvenzverwaltung vorankommen.

Derweil sieht der Plan von Generaldirektorin Svetlana Mironyuk und ihrem Führungsteam Nikolai Biryukov, Maxim Filimonov und Valery Levchenko nach Newsroom.de-Informationen vor, dass die neue Nachrichtenagentur unter neuer Führung gemeinsam mit deutschen Partnern gelenkt wird - eventuell sollen sogar die in den vergangenen Jahren arg gebeutelten Mitarbeiter beteiligt werden.

"Damit würde RIA Novosti deutlich signalisieren - wir unterstützen und wollen die Unabhängigkeit, wir akzeptieren die Regeln des Marktes, der für uns als Unternehmen wichtig ist",  so ein Branchenkenner.

Journalistische Unabhängigkeit garantieren

"Staatliche Medien vertragen sich nicht mit unserem Verständnis von unabhängiger Berichterstattung. Im Fall Ria Novosti und dapd kommt es darauf an, ob die journalistische Unabhängigkeit von dapd garantiert wird", erklärt Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband. Falls RIA bei dapd einsteige, "reichen wohlklingende Floskeln nicht aus. Die Garantie der Unabhängigkeit muss festgezurrt werden, am besten in Form eines Redaktionsstatutes, auf das die dapd-Journalisten pochen können."

Zörner hofft gegenüber Newsroom.de, dass "dapd eine Zukunft hat. Das hoffe ich für die Beschäftigten und die Freien von dapd ebenso wie für die Meinungsvielfalt in Deutschland."

Auch Medienminister Bernd Neumann macht deutlich, was wichtig bei einer möglichen Neuausrichtung wird: "Grundsätzlich möchte ich darauf hinweisen, dass in Deutschland die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit sowie die Pressegesetze der Länder gelten. Dies ist der Rahmen für alle in- und ausländische Pressepublikationen in der Bundesrepublik."

Neue dapd würde auch bei Besitzerwechsel deutscher Medienaufsicht unterliegen

Klare Worte findet Tabea Rößner: "Ich bin der Meinung, dass Massenmedien in Deutschland unabhängig kontrolliert werden müssen - das fängt bei den Presseagenturen an und hört beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht auf. Auf den ersten Blick mutet es bedenklich an, wenn eine staatliche Nachrichtenagentur Russlands zum Inhaber der dapd wird", so die medienpolitischer Sprecherin der Grünen im Bundestag.

 

Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen.

 

Die erfahrene Medienpolitikerin weiter: "RIA Novosti ist staatlich und in Russland gehört es auch zu ihrer Aufgabe, offizielle Regierungsverlautbarungen zu verbreiten. Die dapd würde aber auch beim Besitzerwechsel ein Medienunternehmen bleiben, das dem deutschen Medienrecht und der deutschen Medienaufsicht unterliegt. Auch wenn RIA Novosti der Inhaber werden sollte, wacht der deutsche Presserat über die Berichterstattung der Agentur, wie über jede andere Presseagentur in Deutschland auch. Der für die Nachrichtenagenturen zuständige Deutsche Presserat ist staatlich unabhängig und gewährleistet demnach eine entsprechende Kontrolle, wenn dort Beschwerden eingehen", so Tabea Rößner gegenüber Newsroom.de.

Erfolg nur mit unabhängiger Berichterstattung

Tabea Rößner setzt dabei auch auf die deutschen Medienunternehmen: "Ich vertraue auf das Selbstverständnis der hiesigen Medien. Ich glaube kaum, dass deutsche Medien ein Interesse daran haben, übersetzte Pressemitteilungen Putins einzukaufen. Wenn RIA Novosti den Anschein von Verlautbarungsmeldungen anstatt unabhängiger Meldungen haben wird, kann ich mir einen Erfolg am deutschen Markt kaum vorstellen."

Der Chefredakteur einer großen deutschen Regionalzeitung sagt gegenüber Newsroom.de: "Erst der Druck durch dapd hat alle Nachrichtenagenturen in Deutschland zur Modernisierung gezwungen. Wenn RIA für dapd ein tatsächlich unabhängiges Modell findet, würden wir uns das neue Angebot genau ansehen." Attraktiv werden könnte da, so der erfahrene Journalist, das Angebot aus Sotschi. "Grundsätzlich brauchen wir eigentlich keinen weiteren Sportdienst. Aber wenn dapd aus Sotschi berichtet, wäre das bei dem Netzwerk von RIA in Russland natürlich großartig."

RIA Novosti ist offizielle Host-Agentur der Olympischen Winterspiele im kommenden Jahr.

Bülend Ürük

Auf dem Markt der Nachrichtenagenturen passiert unheimlich viel. Sie haben Informationen, Tipps, Themen? Ihre Einschätzungen - natürlich auch vertraulich - bitte per Mail direkt an chefredaktion@newsroom.de. Nachrichten über WhatsApp erreichen uns über 0049-176-38928791, auf Twitter erreichen Sie uns unter Newsroom_News sowie buelend.