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Ruhrgebietssender insolvent: "Wir wurden boykottiert"

Wieder einmal ist es den führenden Verlagen im Ruhrgebiet gelungen, einen unbequemen Mitbewerber in den Ruin zu treiben. Diesmal vor allem, weil sie sich nicht entschließen mochten, bei ihm einzusteigen. Center.tv Ruhr, das Mitmachfernsehen des TV-Pioniers Andre Zalbertus, hat Insolvenz angemeldet.

Bochum - Zerknirscht, verärgert, ja schlicht traurig klingt die Stimme von Andre Zalbertus. Der Medienunternehmer erlebt seine erste richtige Niederlage. Obwohl die Menschen im Ruhrgebiet Gefallen an den manchmal einfach zusammengestrickten Sendungen, an den Drauf-Halt-Shows, am Heimatfernsehen betitelten Sender finden, fehlt die wirtschaftliche Grundlage. Ein Investor sprang nach positiven Gesprächen kurzfristig ab, das Ende war besiegelt.

Nach fast vier Jahren Jahren, in denen der Sender zu so etwas Unfassbarem wie einem Ruhrgefühl beigetragen hat, muss Zalbertus den Stecker ziehen. Investitionen von mehreren Millionen Euro sind futsch, die zuletzt nur noch fünf festangestellten Mitarbeiter verlieren ihre Arbeitsplätze.

Der Lokalsender war mit großem Interesse in der Bevölkerung 2008 an den Start gegangen und konnte auch einige renommierte Medienmacher als Moderatoren gewinnen. Wulf Mämpel, langjähriger WAZ-Redaktionsleiter in Essen und graue Eminenz der Redaktion, der im Ruhrgebiet bei Entscheidungsträgern einen exzellenten Ruf genießt, lud in eine eigene Sendung zu einer Plauderstunde ein.

 

Andre Zalbertus

 

Doch selbst die Verpflichtung des WAZ-Kenners half nicht, die WAZ als Partner zum Einstieg bei Center.tv Ruhr zu bewegen. Was in anderen Metropolregionen - Düsseldorf (Rheinische Post) oder Köln (DuMont) gelungen war, das Interesse der Medienhäuser am Ort zu gewinnen, misslang im Ruhrgebiet auf ganzer Linie. Stattdessen stieg der größte Regionalzeitungsverlag Europas bei der Konkurrenz, beim landesweiten NRW.TV in Düsseldorf, ein - allerdings ohne Konzept und richtigem Wissen von den Bedürfnissen der Lokalfernseh-Zuschauer. Eine echte Verzahnung mit den eigenen Printmedien hat nicht stattgefunden.

"Wir waren immer in guten Gesprächen, aber am Ende hat es nicht gereicht. Die WAZ war einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt, dann wechselte ein Ansprechpartner das Unternehmen", bedauert Zalbertus im Gespräch mit Newsroom. Neben der WAZ Mediengruppe stand Zalbertus in Gesprächen mit den Ruhr Nachrichten Dortmund von Verleger Lambert Lensing-Wolff. Aber auch hier kam es zu keinem positiven Abschluss.

Selbst beim Initiativkreis Ruhr, einem Zusammenschluss honoriger Konzerne, fehlte am Ende die positive Rückmeldung. Das mag eventuell auch damit zu tun haben, dass einer der Moderatoren des Initiativkreises der ehemalige WAZ-Chef und heutige WAZ-Berater Bodo Hombach ist.

"Wir wurden boykottiert", spricht Zalbertus Tacheles. Vorwürfe richtet der enttäuschte Fernsehmacher auch an die Politik, die von "einem" Ruhrgebiet spreche, häufig aber nur noch eigene Pfründe verteidigen wolle. An erster Stelle, so seine Beobachtung, stehe es, die eigenen Posten zu sichern. "Ich bin viel im Ruhrgebiet unterwegs", sagt Zalbertus, der in Düsseldorf lebt. "Im Ruhrgebiet fliegt gar nichts, hier brennt es an allen Ecken und Enden."

Vorläufig wird aber weiter aus Bochum gesendet. Kritik, dass der Sender sein Signal nicht auch über Satellit verbreitet, lässt Zalbertus nicht gelten. "Wir erreichen 914.000 Haushalte im Ruhrgebiet. Und kein anderer Lokalsender in NRW sendet sein Programm über Satellit", erklärt Zalbertus. Zudem wurden alle Sendungen direkt über die eigene Website im Internet ausgestrahlt. Die Verbreitung über Satelliten würde laut dem früheren RTL-Auslandskorrespondenten 750.000 Euro kosten - zu teuer für einen kleinen Fernsehsender.

An Lokalsender glaubt Zalbertus weiterhin: "Lokalfernsehen hat eine Zukunft, aber nur in Verbindung mit Verlagen." Zeitungsverlage bräuchten Bewegtbilder, um für den Medienwandel gewappnet zu sein.

Die eigenständigen Center.tv-Sender - unter anderem in Bremen/Bremerhaven, Aachen, Köln und Düsseldorf - sind von der Insolvenz von Center.TV Ruhr nicht betroffen.

Zalbertus arbeitet aktuell bereits an einem neuen Projekt - "Bewegtbild, Emotionen und Social Media" sind das Thema. "Ich bin ein großer Google- und Youtube-Fan", so Zalbertus. Richtig losgehen soll es nach der Osterpause.

Bülend Ürük