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Streit beim "Spiegel": Augsteins Tochter soll es richten

Als ob es nicht ausreicht, dass die Einnahmen sinken, Auflagen fallen und so recht niemand weiß, wie in Zukunft mit gedruckten Zeitschriften noch Geld verdient werden kann, leistet sich der "Spiegel" einen Machtkampf, den es in dieser Form seit Jahrzehnten innerhalb eines Medienhauses nicht mehr gegeben hat.

Hamburg - Es geht um Haltung, um Würde und um die Frage, wer eigentlich das Sagen hat in dem Verlag, das mehrheitlich einem Teil seiner Mitarbeiter gehört.

Die negativ beschiedene Frage, ob ein stellvertretender "Bild"-Chefredakteur ohne Pause direkt zum stellvertretenden "Spiegel"-Chefredakteur gekürt werden darf, stärkt die Einheit der Redaktion, ohne dass die Mitarbeiter KG aber eine Antwort darauf hätte, was eigentlich passiert, wenn Nikolaus Blome und Wolfgang Büchner nicht kommen und Geschäftsführer Ove Saffe tatsächlich abtritt.

 

Was für ein Tag an der Ericusspitze in Hamburg. Wie geht es weiter beim "Spiegel"? Foto: Bülend Ürük

 

Montagmorgen, 11 Uhr. In Hamburg scheint die Sonne, an der Ericusspitze herrscht geschäftiges Treiben.

Unten, im Verlagshaus des "Spiegel", in der Zeitschriftenbude, kauft ein Kunde die neue "Spiegel"-Ausgabe. "Was der Assad da mit seinem eigenen Volk macht, ist doch eine Sauerei", schimpft der Zeitschriftenkäufer.

Ob er denn mitbekommen habe, das es Streit im "Spiegel"-Verlag gebe? Nein, "und das interessiert mich auch nicht. Die sollen eine anständige Zeitschrift machen."

Seit etwa zehn Jahren lese er regelmäßig die Zeitschrift, auf "Spiegel Online" sei er dagegen nur selten. "Da kann ich doch gleich auf Bild gehen. Das unterscheidet sich doch nicht", bedauert er.

Dass aber der stellvertretende "Bild"-Chefredakteur als Stellvertreter zum "Spiegel" wechseln soll, lässt den Mann, Anfang 40, Beruf Kaufmann, doch kurz schlucken.

Oben, im Konferenzraum an der Ericusspitze 1 in der Hamburger Hafen-City, kommt zur selben Zeit die "Spiegel"-Redaktion zu ihrer wöchentlichen Konferenz zusammen. Die Stimmung ist angespannt, erzählen mehrere Teilnehmer im Anschluss, niemand möchte mit seinem Namen genannt werden.

Am Tisch sitzen drei unterschiedliche Lager.

Die Ressortleiter lehnen mit überwältigender Mehrheit Nikolaus Blome als neuen stellvertretenden Chefredakteur ab; sie schicken den früheren "Zeit"-Mann Stefan Willeke, erst seit Ende 2012 beim "Spiegel", vor, der eine Resolution verliest.

Klare Botschaft: Blome passt nicht zum "Spiegel", seine Berufung "gegen das Votum der Mitarbeiter KG widerspreche den Regeln des Spiegels und beschädige seine Kultur".

"Ich setze mich mit diesem Mann nicht an einen Tisch, für mich ist er kein Journalist, er ist ein Schmierenfink", sagt ein "Spiegel"-Redakteur im Anschluss zu Newsroom.de und erinnert u.a. an die unrühmliche Rolle Blomes in der Berichterstattung über die "Pleite-Griechen" in der "Bild"-Zeitung.

Dann sind da der designierte Chefredakteur Wolfgang Büchner und Geschäftsführer Ove Saffe, die sich in der Diskussion immer wieder anblicken, Schulter an Schulter, für Blome und ihre Ziele werben, dabei aber, und das verstört wiederum einige Teilnehmer, nicht auf Augenhöhe mit den Redakteuren, sondern immer noch von oben herab mit ihnen sprechen.

Die Gruppe derer, die Büchner irgendwie halten und Blome akzeptieren wollen, ist dagegen winzig.

Büchner, der noch im Dienste der Deutschen Presse-Agentur steht, erklärt, Blome, der unter anderem den Theodor-Wolff-Preis gewonnen hat, komme zwar als stellvertretender Chefredakteur, er sei aber anderen Ressortleitern nicht weisungsbefugt und werde auch das Blatt nicht machen.

Nikolaus Blome, der am 16. September seinen 50. Geburtstag feiert, solle in Berlin schalten und walten, nicht in Hamburg. Wieder ungläubige Blicke in der Redaktion: "Die Schulterklappen gibt es dafür, damit er sein Ego befriedigt hat? Was soll das denn?", schimpft ein anderer Teilnehmer.

Eine klare Entscheidung, wie es jetzt eigentlich weitergeht, fällt am Montag aber nicht. Büchner will Blome unbedingt. Das macht er deutlich.

Die Mitarbeiter wissen nicht mehr, ob sie Büchner noch überhaupt wollen.

Gibt es jemanden, der in dieser zerfahrenen Situation vermitteln, eine Entscheidung zum Wohle des gesamten Verlages herbeiführen könnte? Die einen würde und nicht spalten?

Ja, die gebe es, heißt es in der Redaktion: "Wenn es eine schafft, dann nur jemand aus der Familie. Franziska Augstein würde ich es zutrauen", so der erfahrene "Spiegel"-Mann. Und warum ihrem Bruder Jakob nicht? "Der ist zu eng mit Blome."

An diesem Mittwoch kommt nun erst einmal die Mitarbeiter KG zu einer Info-Veranstaltung zusammen, um ihren Gesellschaftern Rede und Antwort zu stehen. Aus dem Streit um eine Personalie ist längst ein Streit um die zukünftige Ausrichtung des Verlages geworden.

Die Diskussion beim "Spiegel" hat natürlich auch längst die sozialen Medien erreicht. Während einige Nutzer Blome als Stellvertreter beim "Spiegel" ablehnen, findet Tobias Holtkamp, aktuell noch stellvertretender Chefredakteur bei "Sport-Bild" und bald Chefredakteur bei transfermarkt.de, "einen Blome sollten sie mit Kusshand nehmen".

Bülend Ürük