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Was hat Bertelsmann mit Gruner + Jahr vor?

Bertelsmann macht Gruner + Jahr zur 100-Prozent-Tochter. Die Inhalte aus dem Hamburger Zeitschriftenhaus sollen künftig den Konzern insgasamt stärken. Dass G+J nur für einen Verkauf hübsch gemacht werden soll, weist Bertelsmann-Chef Thomas Rabe zurück. Von Matthias Benirschke und Almut Kipp.

Gütersloh/Hamburg (dpa) - Spökenkieker heißen im Westfälischen Menschen, die in die Zukunft sehen können. So einen hätten die Mitarbeiter des traditionsreichen Hamburger Verlagshauses Gruner + Jahr jetzt wahrscheinlich gern, denn die Verunsicherung ist groß. Was wird etwa mit ihren Arbeitsplätzen geschehen, nachdem der Medienriese Bertelsmann aus Ostwestfalen das Ruder in Hamburg allein übernommen hat?

Vor 45 Jahren war Bertelsmann bei Gruner + Jahr eingestiegen. Vor zwei Jahren scheiterte Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe mit einem ersten Anlauf, die restlichen 25,1 Prozent der Familie Jahr zu übernehmen. Man konnte sich damals nicht über den Preis einigen. Der Umbau begann aber bereits.

Rabe und die Jahrs waren sich schon vor einem Jahr einig, dass für eine "Transformation zu einem auch digital führenden Medienunternehmen" anderes Führungspersonal her musste. Der G+J-Vorstand wurde ausgewechselt, Julia Jäkel rückte an die Spitze.

Unter Jäkel wurde das Verlagshaus neu sortiert: Hierarchien wurden aufgebrochen, Verlagsteile aus München nach Hamburg geholt. "Besser, schneller, effizienter und digitaler", lautet Jäkels Wachstums-Credo. Zunächst führt der Weg aber durch ein Umsatztal, auch wegen einiger Verkäufe: nach 2,07 Milliarden Euro 2013 wird 2014 höchstens ein Erlös von 1,7 bis 1,8 Milliarden Euro erwartet.

Der Weg zu einem digitalen Haus der Inhalte sei ein langer, hat Jäkel immer wieder beteuert - und alles auf den Prüfstand gestellt. In den kommenden drei Jahren fallen rund 400 der 2400 Arbeitsplätze in Deutschland weg. 75 Millionen Euro sollen eingespart werden. Jäkel jagt dem Vorsprung anderer Verlagshäuser hinterher. Springer und Burda erwirtschaften bereits die Hälfte ihrer Erlöse mit dem digitalen Geschäft. G+J gerade einmal zehn Prozent.

Der Hamburger Medienwissenschaftler Stephan Weichert geht davon aus, dass G+J hiermit sein "heftigstes Sparprogramm" angekündigt hat. "Das Kerngeschäft Zeitschriften funktioniert noch gut. Insofern passt Gruner + Jahr gut ins Bertelsmann-Portfolio." Der Hamburger Verlag werde zeigen müssen, ob er es schafft, "digitale Angebote zukunftsfähig zu machen", sagte Weichert der dpa.

Am Geld soll das nicht scheitern, sagt Rabe. G+J kann dazu über fünf Jahre um die 500 Millionen Euro investieren, kündigte er jetzt an. Vielleicht auch mehr, wenn es nötig sei. Dies könnte erforderlich werden, denn der Verlag gehörte zuletzt nicht zu den Zugpferden des Konzerns.

Rabe, bis 2012 Finanzchef des Konzerns, dürfte jetzt versuchen, das Verlagshaus auf Rentabilität zu trimmen. Die Umsatzrendite lag 2013 für G+J bei mageren 7,1 Prozent. Dagegen kam die Buchsparte mit dem weltgrößten Publikumsverlag Penguin Random House auf 11,6 Prozent, die RTL Group erzielte sogar eine Umsatzrendite von 19,3 Prozent.

Nun hat Bertelsmann bei Gruner + Jahr freie Hand zum "Durchregieren", weil kein Mitgesellschafter mehr mit seiner Sperrminorität Beschlüsse blockieren kann. Was hat Bertelsmann also jetzt vor? In Gütersloh wird nachdrücklich versichert, dass man nicht daran denke, den Verlag zu verkaufen oder zu filetieren. Im Gegenteil, sagt Rabe, der Kauf sei ein Bekenntnis zum Journalismus.

Andererseits zögert Rabe auch nicht, sich von traditionsreichen Geschäftszweigen zu trennen. So hat das Siechtum des Bertelsmann Buchclubs im nächsten Jahr ein Ende. Unternehmens-Patriarch Reinhard Mohn (1921-2009) hatte den "Bertelsmann Lesering" 1950 gegründet. Der Club wurde zum Wachstumsmotor des Konzerns. Im März 2015 soll die letzte Filiale geschlossen werden.

 Matthias Benirschke, Almut Kipp