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Wut-Welle und Abzocke-Vorwürfe gegen Nokia: «Subventions-Heuschrecke»

Nokia will den Standort in Bochum mit 2300 Beschäftigten Mitte des Jahres schließen und die Produktion nach Rumänien und Ungarn verlegen. Rumänischen Medienberichten zufolge wurden im neuen Werk Jucu bei Cluj bereits die ersten Handy-Prototypen produziert. Es herrschte dort große Geheimniskrämerei, hieß es. Die Massenproduktion solle in der ersten Februarwoche beginnen.

Bochum (dpa) - Der finnische Handy-Weltmarktführer Nokia sieht sich durch die geplante Verlagerung der deutschen Handy-Produktion von Bochum nach Osteuropa einer Wut-Welle und Abzocke-Vorwürfen ausgesetzt. SPD-Chef Kurt Beck warf der Konzernleitung eine hemmungslose Gewinnmaximierung vor. Arbeitnehmer würden im Stich gelassen und Steuerzahler ausgenutzt. Ökonomen forderten strengere Vergaberichtlinien für Subventionen. Unternehmen müssten langfristige Standortzusagen machen, wenn sie öffentliche Gelder annähmen. Angesichts millionenschwerer öffentlicher Förderungen warnte NRW- Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) Nokia davor, sich ein Image als «Subventions-Heuschrecke» zu verschaffen.

«Wir werden uns damit nicht einfach abfinden, das ist noch nicht das Ende der Debatte», sagte Rüttgers im ZDF. Er betonte, Nokia müsse sich überlegen, dass das Unternehmen weiter auf dem deutschen Markt präsent sein wolle. Es könne zu einem erheblichen Imageschaden führen, wenn in Deutschland der Eindruck entstehe, dass es sich bei Nokia um so etwas wie eine «Subventions-Heuschrecke» handele, die zuerst Subventionen abgreife und dann ohne zureichende Begründung sage: «Wir gehen ab nach Rumänien» und dort vielleicht noch einmal Subventionen kassiere.

Die Europäische Kommission hat für die Verlagerung des Bochumer Nokia-Werks nach Rumänien nach eigenen Angaben kein Geld aus EU- Strukturfonds gezahlt. «Die Strukturfonds haben nichts mit dieser Verlagerung zu tun», versicherte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde. Möglich sei aber, dass der Aufbau der Infrastruktur am neuen Standort der Handy-Produktion von Hilfen vor Rumäniens EU-Beitritt profitiert habe.

Nokia will den Standort mit 2300 Beschäftigten Mitte des Jahres schließen und die Produktion nach Rumänien und Ungarn verlegen. Von der Schließung wären auch 1000 Leiharbeiter und etwa 1000 Beschäftigte von Zulieferern betroffen.

Die Bundesregierung ist zu «intensiven Gesprächen» mit Nokia bereit, sollte der Konzern seine geplante Firmenschließung überdenken. Die Regierung stehe in ständigem Kontakt mit dem Unternehmen, teilte der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hartmut Schauerte (CDU), in Berlin mit. Deutschland sei global wettbewerbsfähig. «Nokia ist es leider offenbar - trotz erheblicher öffentlicher Unterstützung - nicht gelungen, dieses Potenzial zu erschließen.»

Rumänischen Medienberichten zufolge wurden im neuen Werk Jucu bei Cluj bereits die ersten Handy-Prototypen produziert. Es herrschte dort große Geheimniskrämerei, hieß es. Die Massenproduktion solle in der ersten Februarwoche beginnen. Bis Ende 2007 wollte Nokia dort 500 Mitarbeiter anstellen, in späteren Ausbauphasen der Fabrik solle die Zahl der Angestellten bis auf 3500 steigen. Nokia äußerte sich zunächst nicht zu den Berichten.

Aus Wut über die Schließungspläne verweigerten in Bochum am Mittwoch zahlreiche Beschäftigte die Arbeit. Hunderte Gewerkschafter versperrten Ein- und Ausgänge des Werkes. Während einer Kundgebung erklärte die IG Metall, wenn nicht produziert werde, werde das Werk blockiert. Rüttgers sagte am Nachmittag vor den Beschäftigten, er habe kein Verständnis für das Handeln der Nokia-Manager. Er glaube auch nicht, dass die Mitarbeiter in Rumänien anständiger und flexibler arbeiteten als in Bochum.

Nach Angaben der Landesregierung hatte Nokia vom Land zwischen 1995 und 1999 knapp 60 Millionen Euro Subventionen erhalten. Laut Rüttgers kamen bis zu 28 Millionen Euro vom Bund hinzu. Eine an die Förderung geknüpfte Bindungsfrist zum Erhalt von 2860 Arbeitsplätzen in Bochum sei im September 2006 abgelaufen, sagte Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Schon im März 2007 habe Nokia dann angekündigt, ein Werk in Rumänien auszubauen. «Die zeitliche Parallelität muss schon beunruhigen», sagte sie.

Rumänien will vom Nokia-Park in Jucu bis zur Kreishauptstadt Cluj ein 40 km langes Autobahn-Stück bauen, für fast 500 Millionen Euro, Baubeginn sollte in diesem Jahr sein. Nokia wollte zur Errichtung der Fabrik 60 Millionen Euro ausgeben, hieß es in den Medien. In «Nokia Village» sollten sich zahlreiche Zulieferer ansiedeln.