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7 Baustellen: Katja Wildermuth erste Intendantin des BR

7 Baustellen: Katja Wildermuth erste Intendantin des BR Katja Wildermuth

Der BR muss den Spagat zwischen dem geforderten Sparkurs und einem modernen Programm im Digitalzeitalter schaffen. Welche Baustellen noch auf Wildermuth warten.

München (dpa) − Sie galt als Favoritin und sie hat es geschafft: Die Medienmanagerin Katja Wildermuth wird Intendantin des Bayerischen Rundfunks (BR). Erstmals in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Senders steht eine Frau an der Spitze. Die Erwartungen an die Nachfolgerin von Intendant Ulrich Wilhelm sind groß: Der BR muss wie alle ARD-Häuser den Spagat zwischen dem geforderten Sparkurs und einem modernen Programm im Digitalzeitalter schaffen.

 

Die 55-Jährige Siegerin sagte nach der Wahl: „Wir werden eine herausfordernde Zeit vor uns haben. Da geht es um Finanzdebatten, um Akzeptanzdebatten.“ Zugleich betonte sie: „Ich freue mich sehr auf den starken Bayerischen Rundfunk und die vielen hochqualifizierten und hochmotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier im Haus und auf viele neue Begegnungen. Ich bin sehr gespannt.“

 

Wildermuth ist bisher Programmdirektorin beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) in Halle. Für ein Frauennetzwerk im BR ging mit ihrer Wahl am Donnerstag in München ein Plan auf: Als Wilhelm (59) im Sommer bekanntmachte, keine dritte Amtszeit anzustreben, machte sich das Netzwerk sogleich für eine Frau an der Spitze stark. Im Rundfunkrat, dem Wahl- und Aufsichtsgremium, zeichnete sich unter gewichtigen Vertretern der gesellschaftlichen und politischen Gruppen bald ein Trend zu einer gemeinsamen Kandidatin ab.

 

Wildermuth erhielt im ersten Wahlgang 38 von 48 abgegebenen Stimmen, wie der BR mitteilte. Damit war unter den drei Bewerbern keine Stichwahl nötig. Wildermuths Amtszeit beginnt im Februar 2021 und dauert fünf Jahre. Der Vorsitzende des Rundfunkrates, Lorenz Wolf, gratulierte: Wildermuth habe die Wahl bravourös für sich entscheiden können. Sie habe sich sehr überzeugend präsentiert.

Ihr interner Mitbewerber, BR-Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel, unterlag zwar jetzt bei der geheimen Wahl im Rundfunkrat. Doch der 54-Jährige verantwortet direkt unter der Intendanz Personal und Finanzen. Mehrere Rundfunkräte meinen: „Wildermuth bringt Programmerfahrung mit, Frenzel Management.“ Schon vor der Wahl hieß es: „Eigentlich eine ideale Kombi.“

 

Mit Wildermuth werden künftig vier von neun ARD-Landesanstalten von Frauen geführt: neben dem BR schon bisher der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), der MDR und Radio Bremen. Außenseiter-Kandidat für die BR-Spitze war der Datenmanagement-Chef des öffentlich-rechtlichen Schweizer Radios und Fernsehens (SRF), Christian Vogg (55).

 

Wildermuth ist derzeit beim MDR für die Bereiche Kultur und Wissen sowie Angebote für Jüngere zuständig. Davor war sie mehrere Jahre beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) als Programmbereichsleiterin Kultur und Dokumentationen im Fernsehen tätig. Bayern kennt sie aus früheren Jahren gut. Dort machte sie ihr Abitur, sie studierte in München und war später dort auch Dozentin. Sie gilt als frühe Impulsgeberin bei crossmedialen Inhalten beim MDR und nimmt diese Erfahrung nun mit für den mit voller Kraft laufenden digitalen Wandel bei den Bayern.

 

Vorgänger Wilhelm sagte, er freue sich auf „eine gute Zusammenarbeit bei der Übergabe in den nächsten Monaten“. Zum Start an der BR-Spitze im nächsten Jahr warten auf Wildermuth bei der viertgrößten ARD-Landesanstalt große Herausforderungen:

 

BESCHÄFTIGTE: Der trimediale Umbau des Senders und der Stellenabbau bewegen die Mitarbeiter. Für die nicht parteigebundene Kaktus-Gruppe vieler Organisationen und Verbände im Rundfunkrat sagt Sprecher Hubert Weiger: „Wichtig ist jetzt, noch stärker die Belegschaft mitzunehmen in diesen schwierigen Zeiten des Wandels.“

 

FRAUEN: Das BR-Frauennetzwerk hat das Ziel einer Intendantin erreicht. Auf den weiteren Führungsebenen gebe es dagegen noch Handlungsbedarf. Insgesamt liegt der Frauenanteil im Sender nach eigenen Angaben bei mehr als einem Drittel.

 

FINANZEN: Noch ist nicht sicher, ob die vorgeschlagene Erhöhung des Rundfunkbeitrags Anfang 2021 kommt. Gespart werden muss sowieso − im Ernstfall stehen deutliche Einschnitte auch beim Programm an.

 

PUBLIKUM: Mit dem digitalen Wandel verändert sich der TV-Konsum. Es wird nicht mehr nur das fortlaufende TV-Programm geschaut, sondern auf Plattformen gestreamt. Internationale Konkurrenten wie Netflix, Amazon und Disney haben sich längst im deutschen Markt etabliert. Die neun ARD-Anstalten reagieren darauf mit eigenen Streaming-Offensiven.

ARD: Der BR hat zuletzt in einigen wichtigen Fragen Gegenpositionen zur Mehrheit oder auch zu allen anderen ARD-Anstalten eingenommen − inklusive zu Wildermuths MDR. Wie ist da ihr künftiger Kurs?

 

GESELLSCHAFTLICHE BASIS: Der BR muss wie andere öffentlich-rechtliche Sender seit Jahren verstärkt um seine Verankerung in der Gesellschaft werben. Auch im politischen Raum gibt es Kritik, vor allem von der AfD. Ein Knackpunkt ist immer wieder der Rundfunkbeitrag. Wildermuth könnte hier ihre Erfahrungen aus den östlichen Bundesländern mitbringen, wo es vergleichsweise viel Gegenwind gab.

 

VERLEGER: Der BR hat zuletzt seine Präsenz in den Regionen Bayerns deutlich verstärkt. Viele bayerische Zeitungshäuser und Privatsender sehen diese öffentlich-rechtliche Offensive kritisch.

 

Und dann wartet noch eine ganz sichtbare BAUSTELLE auf Wildermuth: das neue riesige Redaktionszentrum Freimann im Münchner Norden. Der zentrale Bau soll Ende 2021 fertig sein, die Ausstattung mit allen Studios und der Übertragungstechnik erst etwa zwei Jahre später. Dann ist gut die Hälfte der ersten Amtszeit der „Neuen“ auch schon wieder verstrichen.